Jürgen hat geschrieben:In irgend einem thread habe ich geschrieben, daß ich es schwierig finde das optimale Zeitfenster für Barolos, und Barbarescos zu treffen. Adrian vV hat dann geantwortet, daß es für ihn nicht so schwer ist, da ihm die Weine in einem größeren Zeitfenster gut schmecken.
Hi Jürgen,
ja, ich glaube man muss in dieser Frage unterscheiden zwischen 3 Punkten:
a) wann ist ein Wein geniessbar respektive bietet Trinkspass
b) wann ist ein Wein auf seinem geschmacklicken Reife-Höhepunkt
c) wie empfindet der individuelle Konsument a) und b)
Für mich kann ich sagen, dass ich sehr schön gereifte Weine liebe. So z.B. vor einigen Tagen eine 85er Comtesse die all meine Erwartungen übertroffen hat und aktuell in meinen Augen im allerschönsten Trinkfenster ist. Somit wären a) und b) erfüllt was dazu führt, dass ich von diesen Weinen (soweit die Bestände reichen

) eher mehr als weniger Flaschen öffne.
Ich kann aber genausogut gefallen an einem aus b)-sicht viel zu jungen Wein finden und an einem Abend eine ganze Flasche davon geniessen, da mein Gaumen auch stark gerbstoffbetonte Weine die noch nicht "voll harmonisch" sind durchaus schätzen kann - vor allem, wenn er sich mit kräftigen Speisen paart. So begleitet ein 06er Barolo oder ein 05er Bordeaux ein kräftiges Stück Rindfleisch hervorragend und kann mir so aktuell durchaus sehr viel Freude bereiten und den Zeitfenster-Endpunkt "Von" in Richtung "jung" begrenzen.
Der Zeitfenster-Endpunkt "Bis" wiederum liegt bei ebenfalls recht weit hinten - also "alt". Sprich - wie oben schon erwähnt - stören mich feine Alterstöne i.d.R. nicht, sofern wir nicht von brauner Plörre sprechen.
Das führt unterm Strich dazu, dass in meinen Augen das Thema Zeitfenster ziemlich überstrapaziert ist. Ein Patentrezept gibt es nicht. Was für den einen Babymord ist wäre für andere toller Frucht-Trinkspass. Oder wie mir kürzlich passiert ist, mit einem 96er Poujeaux im Glas, der in meinen Augen ganz am Anfang seiner schönen Trinkreife steht; eine Tischgenossin jüngeren Alters bezeichnet diesen Wein als "Rotwein, der den Zenit schon lange überschritten hat". Tja, was soll ich dazu noch sagen
Schliesslich kommt erschwerend auch noch Lagerort und damit Lagertemperatur hinzu. Da hatte ich kürzlich einen herrlich reifen aber noch strammen 95er Poujeaux im Glas und kurz darauf einen schwächelnden 95er Poujeaux aus einem anderen Keller. Hier halte ich mich an Tony's Maxime: es gibt keine guten Jahrgänge, nur gute Flaschen.
In diesem Sinne: Prost auf gute Flaschen und Zeitfenster für individuelle Gaumen.
Cheers,
Adrian