Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

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UlliB
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von UlliB »

Gerald hat geschrieben: Nur hilft das dem Winzer nicht viel, wenn er zur Zeit aufgrund hoher Investitionen und schlechter Verkäufe seine Kreditraten nicht mehr zahlen kann.
Wobei die "Investionen" laut Kössler zu nicht unerheblichem Teil auch in Flächen- und entsprechende Kapazitätsausweitungen geflossen sind. Da könnte durchaus was dran sein; vor einigen Wochen habe ich im Kaiserstuhl erfahren, dass dort einige durchaus renommierte Betriebe in für deutsche Verhältnisse geradezu gigantischem Umfang erweitert haben.

Kössler beklagt ja auch das Verkennen der realen Marktverhältnisse durch die Winzer. Das grundlegende Problem ist, dass es nicht nur zu viel Wein gibt, sondern mittlerweile auch zu viel wirklich guten Wein - und den kann man im Markt zumindest zu den angepeilten Preisen nicht mehr unterbringen. Da bleibt außer heftigen Rabattierungen und Verramschen über Portale wie weinlet oder wine in black kaum ein anderer Ausweg.

Der Markt wird's am Ende regeln. Aber vermutlich nicht so, wie Herr Kössler sich das wünscht.

Gruß
Ulli
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Markus Vahlefeld
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Gerald,

die Gesetze beim Weinhandel sind halt sehr viel vielfältiger als bei "klassischen" Markenprodukten. Selbst mit "Luxusmarken" ist Wein nur bedingt vergleichbar. Das liegt IMHO daran, dass Wein eben alle Bereiche abdeckt. Vom einfachen Alk-Burner (Viala - überall erhältlich wie Snickers) bis hin zum Luxusprodukt (FX-Pichler) ist alles drin und auch viele Weingüter entwickeln sich innerhalb von 20 Jahren vom unbekannten Fassweiner zum Luxuswein. Diese Entwicklung wiederum ist auch Folge von Weinhändlern, die mit Elan und Engagement Winzer fördern. Das zum einen.

Wenn man dann auf Erscheinungen wie FX-Pichler schaut, wird auch schnell deutlich, dass es ihn a) NICHT überall gibt und b) dass es bestimmte Zeitfenster hat, in denen diese Erscheinungen erst möglich sind. Das hat bei FX etwas mit den 80er Jahren, dem Trockenbedarf, medialer Aufmerksamkeit und gutem österreichischem Marketing zu tun. Wenn der Winzer dann zur ersten Garde gehört - also von der Marktentwicklung gezogen wird statt sie drücken zu müssen - ist mit etwas Intelligenz eine Marke für 20 Jahre gesichert. Interessant sind die den "Granden" nachfolgenden Winzer, die eben drücken müssen. Bei denen benötigt dann das, was bei den Ersten in 5 Jahren geht, 20 Jahre. Und bei der weinhalle waren immer diese "Nachzügler" im Programm, die eben keinen Absatz garantierten, sondern eher ein Risikoinvest des Händlers waren.

Der Einwand mit den "wasserdichten" Verträgen ist sicher richtig. Nur funktionierte der Weinhandel BISHER anders. Da zählte ein Handschlag und das gesprochene Wort als bindend. Durch die Veränderungen am Markt ist dadurch etwas geworden wie: worüber man nie geredet hat, da gibt es auch keine Bindung. Und so entstehen dann die Entwicklungen, die MK benennt. Das "SELBSTVERSTÄNDLICHE" kommt abhanden.
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Markus Vahlefeld
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von Markus Vahlefeld »

UlliB hat geschrieben: Der Markt wird's am Ende regeln. Aber vermutlich nicht so, wie Herr Kössler sich das wünscht.
Die von Dir angesprochenen Portale haben natürlich große Kapitalgeber hinter sich (Fonds, Hawesko etc.). Die verbinden dann die Luxusmarke mit Preiskampf, was teilweise zu funktionieren scheint. In diesem Segment ist die weinhalle aber nicht tätig. Ich will MK nicht idealisieren, aber den "Handwerks"-Ansatz verfolgt er schon recht schlüssig. Diesen Ansatz haben die Preis-Portale nicht und bedienen - so glaube ich - ein anderes Segment. Dass sich MK auf das Prinzip des "Handwerks" auch beim Winzer-Händler-Verhältnis beruft, ist eher das Einfordern eines Kodex', den die Portale weder haben noch wollen. Deren Prinzip ist ja gerade das kodexfreie Sonderangebots-Denken.

Ob die Nische, die MK bedient, wachsen, stagnieren oder zurückgehen wird, kann ich mit Sicherheit nicht sagen.
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Gerald
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von Gerald »

Hallo Markus,
Nur funktionierte der Weinhandel BISHER anders.
OK, dann ist das Fehlen von Vereinbarungen - wenn ich das richtig verstanden habe, gibt es nicht einmal mündliche Übereinkommen? - ein grober Fehler des Händlers. Würdest du dir z.B. ein Ladengeschäft ohne jegliche Vereinbarung "mieten", viel Geld in die Einrichtung investieren - und dann kann der Eigentümer dich jederzeit wieder hinauswerfen, wenn es ihm gerade passt? Kein "normaler" Mensch würde so etwas machen, aber im Weinhandel ist/war das üblich?

Und dass der Online-Handel (was eigentlich praktisch jeder mit minimalem Kapitaleinsatz machen kann) im Zunehmen begriffen ist, das ist doch auch nicht erst seit gestern so. Da scheint Herr Kössler einfach die Entwicklung der letzten Jahre verschlafen zu haben ...

Grüße,
Gerald
C9dP
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von C9dP »

die Gesetze beim Weinhandel sind halt sehr viel vielfältiger als bei "klassischen" Markenprodukten. Selbst mit "Luxusmarken" ist Wein nur bedingt vergleichbar. Das liegt IMHO daran, dass Wein eben alle Bereiche abdeckt. Vom einfachen Alk-Burner (Viala - überall erhältlich wie Snickers) bis hin zum Luxusprodukt (FX-Pichler) ist alles drin und auch viele Weingüter entwickeln sich innerhalb von 20 Jahren vom unbekannten Fassweiner zum Luxuswein. Diese Entwicklung wiederum ist auch Folge von Weinhändlern, die mit Elan und Engagement Winzer fördern. Das zum einen.
Der Markt funktioniert ganz genauso wie jeder andere Markt auch. Das ist auch genau das Problem, welches Kössler scheinbar verkannt hat.

Und neben den Weinhändlern gibt es noch jede Menge anderer Wege, seinen Bekanntheitsgrad zu steigern, wie Messen, Blogger, Zeitschriften, Weinguides... Da ist der Händler ein Weg von vielen.

Nebenbei sind die von Kössler in seinen Werbeschreiben angepriesenen Weine auch durchaus austauschbar mit denen anderer Händler. Übrigens hat er generell einen Tonfall gegenüber seinen Kunden, der mich nicht zum Kauf motiviert. Kann mich noch gut an seine Ausführungen zum Janasse VV 2008 erinnern. Eine Frechheit, dass Parker den Jahrgang abgeschrieben hat und der Wein deshalb nicht läuft. Aber der Kunde, der den nicht kauft, braucht auch nicht zu glauben, dass er den Folgejahrgang bekommt. Ich hab beide woanders gekauft.
Viele Grüße

Aloys
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Markus Vahlefeld
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von Markus Vahlefeld »

C9dP hat geschrieben: Der Markt funktioniert ganz genauso wie jeder andere Markt auch. Das ist auch genau das Problem, welches Kössler scheinbar verkannt hat.
Kannst Du mir den Satz erklären, bitte. Wenn möglich etwas differenzierter als "Angebot/Nachfrage", denn es geht hier ja zum einen um die Multiplikatoren (Händler) und die Möglichkeiten eines Marken- oder Imageaufbaus. Ich glaube nämlich, dass es den einen Markt für Wein nicht gibt, sondern sehr, sehr viele abhängig vom Preis, Kundenanspruch, Vertriebsweg etc. Und ich halte diese Vielfältigkeit zwar nicht für einmalig, aber doch für grundverschieden von den meisten anderen Produkten. Lasse mich aber gerne belehren ;)
C9dP
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von C9dP »

Ich glaube nämlich, dass es den einen Markt für Wein nicht gibt, sondern sehr, sehr viele abhängig vom Preis, Kundenanspruch, Vertriebsweg etc. Und ich halte diese Vielfältigkeit zwar nicht für einmalig, aber doch für grundverschieden von den meisten anderen Produkten.
Und genau das ist identisch zu ganz vielen anderen Gütern auch. Es gibt die Luxusmarken, die Basismarken, die Billigmarken...
Das gibt es im Lebensmittelbereich für jedes Produkt. Angefangen bei Schokoriegeln über Joghurt, Wasser bis hin zu Wein.
Das ganze ist übertragbar auf beliebig viele andere Güter auch, wie z.B. Kleidung, Elektronik...

Wein ist nichts anderes als ein Oberbegriff wie Wasser, Jeans und Fernseher auch. Er zerfält in verschiedene Teilmärkte genau wie alle anderen Oberbegriffe auch.

Tut mir also leid, wenn ich dich enttäuschen muss. Aber Wein ist halt nix besonderes. Jedenfalls aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht.
Viele Grüße

Aloys
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Markus Vahlefeld
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von Markus Vahlefeld »

C9dP hat geschrieben:Aber Wein ist halt nix besonderes. Jedenfalls aus betriebswirtschaftlicher Sicht nicht.
Nun ja, das mag schon sein, hilft aber irgendwie nicht wirklich weiter, weil "in der Nacht sind dann alle Katzen grau". Ich kenne nämlich keinen anderen Markt, der derart heterogen ist wie der Weinmarkt. Das fängt bei Selbstvermarktung an, geht über Nischen- und Massenwein bis hin zu Luxuswein. Welcher Markt bietet eine derartige Heterogenität? Vielleicht ist es ratsam bei Genussmitteln zu bleiben. Olivenöl? Bier? Kaffee? Diesen Märkten fehlt der Übergang zum weltweiten Ikonen-Produkt. Und beim Biermarkt in Deutschland, der wegen der Regionalität vllt. am meisten Bezug zum Weinmarkt aufweist, fehlen überregionale Strukturen im Vertrieb.

Nein, sorry, mir fällt kein Markt ein, der die ganze Bandbreite abdeckt. Für mich ist diese Bandbreite aber das entscheidende Kriterium in der Bewertung und auch im Verständnis des Weinmarkts. Denn bereits im heutigen Fassweinwinzer ist die Möglichkeit des Ikonen-Weins angelegt und die Besetzung des Segments ist nicht nur fliessend, sondern ständiger Veränderung unterworfen.

Bei welchem Produkt gibt es das sonst?
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innauen
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von innauen »

„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
C9dP
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Re: Kössler gegen "ahnungslose Winzer"

Beitrag von C9dP »

Vielleicht ist es ratsam bei Genussmitteln zu bleiben.
1. Warum sollte das ratsam sein? Die Marktmechanismen sind bei nahezu allen Produkten gleich.

2. Die Beispiele hast du schon genannt. Bei Café gibt es die Albrecht Hausmarke und am anderen Ende der Kette Blue Mountain und Kopi Luwak. Der Unterschied ist einzig und allein, dass es sich um reine Importgüter handelt und wir daher keine Direktvermarkter haben. Die Direktvermarkter und Fassweinverkäufer sind aber nicht diejenigen, die Kössler angesprochen hat.

3. Nachts sind alle Katzen grau hilft mal gar keinem weiter. Das hat schon was von der Kopf-in-den-Sand-Taktik. Auch wenn es für manche Menschen in diesem Geschäft vielleicht unangenehm ist, aber Produzenten wie auch Händler werden sich dauerhaft die gleichen Fragen stellen und Antworten geben müssen, wie die aus anderen Wirtschaftszweigen auch. Sonst beantwortet sie der Markt. Eine dieser Fragen für einen Produzenten ist: Wie abhängig möchte ich mich von einem Händler machen? Und da ist es nunmal Fakt, dass die Antwort eigentlich nur lauten kann: Möglichst unabhängig.
Viele Grüße

Aloys
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