Hallo zusammen,
vor knapp 2 Wochen haben wir in kleiner Runde einige gereifte Weine entkorkt. Der jüngste Wein war knapp 13 Jahre, der älteste knapp 76 Jahre alt.
Wie immer war die jeweilige Flaschenform das Mass der Dinge, so dass die Qualitätsschwankung natürlich sehr gross war. Auch der "Korkteufel" hat leider auch zugeschlagen; dafür wurden aber insgesamt 18 Weine entkorkt.
Folgendes Lineup:
1999er Nordheimer Vögelein Silvaner Kabinett trocken (Rudloff, Nordheim) -Franken-
Leider ein "Mörderkork", daher wurde der Wein sofort dem Ausguss zugeführt.
2012er Iphöfer Kronsberg Riesling QW trocken (Juliusspital Würzburg) -Franken-
der jüngste Wein aus dem Bocksbeutel präsentierte sich perfekt gereift, angenehm schmelzig, durchaus kraftvolle Gelbfrucht (13,5 Vol%), nur ein Hauch Petrol, Hauch Restsüsse trägt den Wein sicher noch einige Jahre, gute Länge.
1997er Graacher Himmelreich Riesling Spätlese feinherb (Cusanus-Stift) -Mosel-
klassische halbtrockene Spätlese mit angenehmer Reife, deutlich Schiefer,Aprikose,Zitrus,schlank, passender Restzucker, macht Spass.
1990er Vouvray Moelleux -Loire-
Den Erzeuger habe ich mir nicht gemerkt, da der Wein sehr muffig war. Ein Fall für den Ausguss.
1971er Rauenthaler Baiken Riesling Auslese (Staatl. Domäne Eberbach) -Rheingau-
1971 war ein sehr heisses Jahr mit opulenten Weinen, die in nicht wenigen Fällen aufgrund der Säurearmut sehr schnell gealtert sind. Dieser 71er dagegen ist einfach grandios: den Wein hätte ich auf jeden Fall noch in den 2000er-Jahren verortet. Nur zartes Gelbgold, saftige Frucht, angenehme Reife mit nur etwas Petrol, zarte Würze, durchaus stabile Säure, die den Wein noch weiterträgt, ausgezeichnete Länge. Eine Riesling-Auslese wie aus dem Bilderbuch.
Nach diesem Wein wechselten wir zu den Roten.
Zunächst eine kleine Vertikale mit einem durchaus kultigen Wein aus 3 verschiedenen Jahrgängen:
1990er 50/50 Capannelle/Avignonesi -Toskana-
1995er 50/50 Capannelle/Avignonesi -Toskana-
1997er 50/50 Capannelle/Avignonesi -Toskana-
Ein Gemeinschaftsprojekt der Weingüter Capannelle und Avignonesi, bei dem jedes Weingut seine besten Fässer des Sangiovese (Capannelle) und des Merlot (Avignonesi) beisteuerte. Der fertige Wein besteht daher zu jeweils 50% aus den beiden Rebsorten, was natürlich den Namen dieses als Vino da Tavola deklarierten Weines erklärt.
Alle 3 Weine präsentierten sich hervorragend. Besonders der 1997er war von einer beeindruckenden Dichte und Frische, intakte Frucht, tabakig, sehr lang,fast noch jugendlich. Absolut großer Stoff. Der 1990er war etwas reifer, aber immer noch in bester Form. Der 1995er war der eleganteste, etwas schlanker mit ätherischer Würze. Primus inter pares war aber der 19997er, der bei guter Lagerung noch ein langes Leben haben dürfte.
1959er Chateauneuf-du-Pape (Lucien Merrier, Beaune)
eine ausgezeichnete Händler-Abfüllung, die einen noch lebendigen und eleganten Wein hervorbrachte. Blind probiert könnte man durchaus auf einen eleganten, mittelgewichtigen Bordeaux tippen. Leicht durchscheinendes Rubinrot, intakte Farbe, etwas Cassis, Brombeere, Kirsche, würzig, Tabak, saftige Säure, immer noch ein Hochgenuss. Hat überhaupt nichts mit den heutigen, alkoholschweren CdP zu tun.
1949er Pommard (R. Gouane & M. Auders)
Bei dieser Flasche hatten wir offensichtlich viel Glück. Egal, was in dieser Flasche alles steckte, der Wein ist der Hammer: völlig intakte Farbe, saftige Dunkelfrucht, saftig, wirkt deutlich jünger, hat Kraft und Tiefe. Auch ohne Altersbonus ein großartiger Wein.
1969er Clos de Vougeot Grand Cru (Pierre Ponelle)
leider dezent muffig, aber ansonsten ein dichter Wein, schmeckbare Extraktsüsse, sogar noch Resttannin. Gute Länge. Ohne den Korkschleicher wäre auch das ein großartiger Burgunder.
1969er Cotes de Beaune (Händlerabfüllung)
Hat nicht ganz das potentielle Niveau der beiden Vorgänger, ist aber noch lebendig mit feiner Säure und zarter Kirschfrucht.
2002er "Maulwurf" (Cuvee aus 80 % Blaufränkisch, Rest Cabernet und Merlot) (Ernst Triebaumer)
Noch in guter Form, wirkt wie ein schlanker Bordeaux, Cassis, ätherisch, dezent Holz, gute Länge.
2002er Harterberg (Cuvee aus Cabernet, Merlot und Zweigelt) (Leo Aumann)
eine angenehme Überraschung. Der seinerzeit sicherlich nicht teure Wein präsentiert sich hervorragend. Deutliche Dunkelfrucht, feine Würze, sehr saftig, fast noch jugendlicher Eindruck, gute Länge.
2009er "Perwolf" (fast reiner Blaufränkisch mit etwas Merlot) (Krutzler)
Noch in bester Verfassung, recht elegant, saftige Dunkelfrucht, kräutrige Würze, gute Länge. Kann durchaus noch etwas reifen.
1978er Couvent de Jacobins Grand Cru Classe St. Emilion
feiner Havanna-Tabak,Top-Verfassung, Cassis, Kirsche, noch Resttannin, jetzt in bestechender Form.
1975er Chateau Margaux 1er Grand Cru Classe
Leider wieder einmal eine Flasche mit einem dezenten Muffton. Schade, da der Wein durchaus Extrakt, Länge und noch Frucht präsentierte. Aber auch in einwandfreier Verfassung wäre das kein Margaux, der mit den sehr guten oder gar großen Margaux-Jahrgängen mithalten könnte.
1974er Chateau Nenin (Pomerol)
Ein eher schwacher Jahrgang, der aber hier sehr positiv daherkommt. Sicherlich keine große Tiefe, aber sehr trinkig, elegante Frucht.
Das wars in aller Kürze. Viel Spass und einige Überraschungen, sowie postiv als auch negativ, was aber absolut typisch für so eine Altweinprobe ist.
LG
Bodo
Gereifte Weine querbeet in Würzburg
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Bernd Schulz
- Beiträge: 7356
- Registriert: Sa 11. Dez 2010, 23:55
Re: Gereifte Weine querbeet in Würzburg
Bodo, als kompletter Amateur habe ich ja so gut wie nie Anlass, dir zu widersprechen, aber in diesem Fall
.....
Ansonsten vielen Dank für den wie immer sehr interessanten Bericht aus Würzburg!
Herzliche Grüße
Bernd
Nö, 1971 war ein heißes Jahr mit durchaus nicht schmalbrüstigen Rheingauer Rieslingen, die in vielen Fällen hervorragend reifen konnten. Zusammen mit Ralf habe ich in den letzten zwanzig Jahren nicht so ganz wenige 71er aus dem Rheingau vernichtet; die meisten davon konnten sich als exorbitant gut gealtert erweisen.
Ansonsten vielen Dank für den wie immer sehr interessanten Bericht aus Würzburg!
Herzliche Grüße
Bernd
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weinaffe
- Beiträge: 1347
- Registriert: Mo 6. Dez 2010, 13:19
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Re: Gereifte Weine querbeet in Würzburg
Hallo Bernd,
meine vielleicht etwas missverständliche Aussage zu dem Jahrgang 1971 und den teilweise zu schnell gealterten Weinen bezog sich jetzt nicht auf Rheingau oder Mosel, wo in der Tat hervorragende Weine entstehen konnten, sondern eher auf die Anbaugebiete Franken, Württemberg und vor allem Baden.
LG
Bodo
meine vielleicht etwas missverständliche Aussage zu dem Jahrgang 1971 und den teilweise zu schnell gealterten Weinen bezog sich jetzt nicht auf Rheingau oder Mosel, wo in der Tat hervorragende Weine entstehen konnten, sondern eher auf die Anbaugebiete Franken, Württemberg und vor allem Baden.
LG
Bodo
Re: Gereifte Weine querbeet in Würzburg
Wenn ich da auch noch mal kurz reingrätschen darf...Bernd Schulz hat geschrieben: ↑Mi 17. Sep 2025, 23:45 Bodo, als kompletter Amateur habe ich ja so gut wie nie Anlass, dir zu widersprechen, aber in diesem Fall.....
Nö, 1971 war ein heißes Jahr mit durchaus nicht schmalbrüstigen Rheingauer Rieslingen, die in vielen Fällen hervorragend reifen konnten. Zusammen mit Ralf habe ich in den letzten zwanzig Jahren nicht so ganz wenige 71er aus dem Rheingau vernichtet; die meisten davon konnten sich als exorbitant gut gealtert erweisen.
1971 war im Kontext der 70er zwar ein warmes Jahr, aber keineswegs ein heißes. Nimmt man die Durchschnittstemperatur der drei für die Traubenreife entscheidenden Sommermonate, waren sowohl 1973 als auch 1975 wärmer, und der Rekordhalter in dem Jahrzehnt war der Jahrgang 1976, bei dem lag der Wert bei 17,63° C (1971 bei 16,58°, also ein volles Grad niedriger). 1976 setzte dann gegen Ende der Saison auch noch großflächig Botrytis ein, und es entstanden edelsüße Hochprädikate in so großer Zahl, dass der Markt diese gar nicht aufnehmen konnte und viele Betriebe diese noch ein oder zwei Jahrzehnte später im regulären Verkauf hatten.
1971 hingegen war ein eher botrytisarmes Jahr mit langer Reifeperiode und einer für die damalige Zeit hohen Traubenreife, in den nördlichen Gebieten (Mosel, Mittelrhein, Rheingau) gab es großartige Qualitäten. An der Mosel würde ich 1971 zu den ganz großen Jahrgängen des 20. Jahrhunderts zählen. Wer noch Spät- oder Auslesen von guten Erzeugern im Keller hat, wird daran immer noch viel Freude haben, wenn der Korken durchgehalten hat.
Wie anachronistisch die Bezeichnung von 1971 als "Hitzejahrgang" ist, zeigt übrigens der Vergleich mit neueren Jahrgängen. In den jetzt doch eher als kühl empfundenen Jahrgängen 2023 und 2024 lag die Durchschnittstemperatur in den Sommermonaten bei 18,5°, d.h. fast zwei Grad höher als 1971. 1971 wäre im heutigen Kontext ein ausgesprochener Kaltjahrgang, ähnlich kühle Jahrgänge hat es in diesem Jahrhundert im Sommer nicht mehr gegeben
Gruß
Ulli