Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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Gerald
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Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von Gerald »

Da die Rebsorten (Hybridreben) für den südburgenländischen Uhudler laut einer EU-Verordnung nur mehr bis 2030 zulässig und Neuanpflanzungen überhaupt schon verboten sind, bemüht sich seit einiger Zeit ein eigener Verein darum, den Weiterbestand dieser beliebten regionalen Spezialität zu erreichen. Durchaus auch mit Unterstützung der österreichischen Politik.

Jetzt scheint man eine Lösung gefunden zu haben, nämlich den Uhudler einfach als "Obstwein" zu deklarieren und damit die entsprechende Verordnung zu umgehen. Ob das auch tatsächlich durchgeht, ist abzuwarten.

http://derstandard.at/2000026840679/Der ... degradiert

Persönlich hoffe ich, dass sie damit Erfolg haben, denn der Uhudler ist für mich schon eine Bereicherung des Weinangebots, auch wenn der Geschmack durchaus eher merkwürdig ist. Aber dasselbe gilt ja für die derzeit so hochgelobte Szene um natural wines bzw. orange wines ...

Grüße,
Gerald
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weingeist
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Re: Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von weingeist »

Auch wenn ich grundsätzlich zur EU stehe, zeigt dieser Satz, am Schluss des Standardartikels, die Problematik (zu vielen Sachen, die uns Bürger immer wieder verärgern) meiner Meinung nach sehr gut auf:

"ÖVP-Staatssekretär Harald Mahrer zeigte übrigens am Mittwoch im "Wirtschaftsblatt" Verständnis für den Frust vieler Unternehmer. "Das eigentliche Problem ist diese Regulierungswut. Meiner Meinung nach muss damit jetzt einmal Schluss ein." - derstandard.at/2000026840679/Der-Uhudler-wird-zum-Obstwein-degradiert
Liebe Grüße
weingeist
Blaufränkisch
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Re: Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von Blaufränkisch »

Dazu muß man aber wissen, lieber Weingeist,

dass der Uhudler auch schon vor dem EU-Beitritt (bis 1992) verboten war und das Auspflanzverbot neuer Uhudler-Weingärten ebenfalls auch schon ohne EU in Österreich gegolten hat.

BTW: Ich finde die Obstwein-Lösung eigentlich ziemlich stimmig, denn auch wenn Uhudler aus Trauben gemacht wird, hat er mit dem, was man normalerweise unter Wein versteht doch recht wenig zu tun. (Stil, Uniformität, Komplexität, Herkunftsausdruck, Lagerpotential,...).

Hoffentlich kommt das Ding dann endlich wieder aus den Medien. Der burgenländische Landtagswahlkampf ist ja eh schon eine Zeit her.

Grüße

Bernhard
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weingeist
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Re: Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von weingeist »

Hallo Bernhard,

die Rechtslage war (ist) mir soweit schon klar. Zwischenzeitlich (Basis Weingesetz 1992) gab es aber keine Probleme damit, der Uhudler fand seine "Freunde", ernährte (?) Winzerfamilien oder brachte ihnen zumindest ein Zusatzeinkommen, war plötzlich in aller Munde (sogar, wie Du richtig anmerkst, Wahlkampfthema). Außerdem gehörte er im Südburgenland doch wohl irgendwie einfach dazu, und es sind ja auch nicht alle Winzer, die ihn als "Haustrunk" getrunken haben, "blind" geworden. ;)

Muss man wirklich alle regionaltypischen, österreichieschen "Eigenheiten" aufgeben, nur um in das Gesamtschema EU zu passen?

Irgendwie liegt mir da auch immer der Vergleich mit den früheren steirischen Schilchern (den "Heckenkleschern") auf der Zunge. Gut, denen wurden keine gesundheitsschädlichen Inhaltsstoffe (wie Methanol und Fuselöle), wie eben dem Uhudler, unterstellt, aber ihre rabiate Säure, war auch nicht ohne. Mit Verhackertem und Brot waren sie vielleicht (gerade) noch trinkbar. Die heutigen Exemplare, kellertechnisch auf den Gaumen des Konsumenten zugeschliffen, sind mit den früheren Exemplaren ja überhaupt nicht mehr vergleichbar.

Und Uhudler als Obstwein, ich weiß nicht so recht. Der Uhudler ist eine Rebe, wenn auch ein Direktträger. Da würde ich eher Orange-Wines oder so manchen (grottenschlechten) Bio-Wein (es gibt auch sehr gute, ist schon klar) als bedenklich einstufen. Aber da gerade der große Hype um diese Weine ausgebrochen ist, geht dort alles durch. Und Orange-Wines verstehe ich normalerweise eben auch nicht unter Wein. Die haben für mich auch nur sehr wenig mit Wein (eher mit Geschmacksverwirrung) zu tun.
Liebe Grüße
weingeist
Blaufränkisch
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Re: Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von Blaufränkisch »

Hallo Weingeist,

wir sind ja gar nicht so weit auseinander wie es scheint. Ich werde halt nur beim oft reflexartigen Schimpfen über die EU hellhörig.

Es stimmt schon, dass der Uhudler noch vor dem EU-Beitritt (für unsere - wohl wenigen - deutschen Leser: Jänner 1995) national legalisiert wurde, allerdings mit ähnlichen Einschränkungen wie später durch die EU: Keinerlei Flächenausweitung, Limitierung auf wenige konkret definierte Gemeinden, Aushebelung der Qualitätsweinhierarchie für Uhudler (egal welches Mostgewicht, welcher Ertrag und welche Qualität im Glas, es ist immer nur (Tafel)Wein,...

Von Aufgeben von nationalen "Eigenheiten" um in die EU zu passen kann man also nur bedingt sprechen, wenn diese "Eigenheit" auch schon vor EU-Beitritt ziemlich diskriminiert war und nachher ähnlich diskriminiert weiterbestehen durfte. (Der nicht mehr ganz aktuelle Wirbel entstand ja durch eine Flächenausweitung, die vorher genauso verboten war wie jetzt.)

Der Vergleich mit dem Schilcher hinkt gewaltig, weil Schilcher und Uhudler nicht nur theoretisch in der Genetik sondern auch praktisch im Glas nichts, aber schon gar nichts gemeinsam haben. Direktträger-Weine sind aromatisch so massiv unterschiedlich von allen anderen Edelrebsorten (inklusive Schilcher), dass sie tatsächlich eine andere Produktkategorie darstellen und deshalb bin ich, wie schon geschrieben durchaus ein Freund der Obstwein-Lösung. In Sachen junges, unkompliziertes Trinkvergnügen ohne großen Anspruch, ohne Reifepotential mit manchen spontan ansprechenden, beinahe künstlich wirkenden Aromen hat Uhudler ja auch mehr mit Erdbeerwein gemeinsam, als mit "echtem" Wein (wenn man ihn in seiner Gesamtheit sieht, Ausreißer gibt es natürlich auch dort).

Beim Orange-Wine bin ich voll bei dir. Allerdings lassen sich diese Tropfen halt nicht über ihr Ausgangsprodukt vom "echten" Wein unterscheiden wie der Uhudler. Deshalb wird man wohl damit leben müssen, dass sie als Wein bezeichnet werden und darauf hoffen, dass sie auch weiterhin bei der Qualitätsweinprüfung in aller Regel nicht als solche anerkannt werden. (Nur am Rande: Ist ja auch irgendwie komisch, dass diese Weine bzw. ihre Produzenten zwar mehr oder weniger sagen, wir pfeifen auf die "offizielle" Meinung und ihre Ideen bei der Herstellung, aber manche dann trotzdem ausgerechnet den offiziellen "Segen" wollen...).

Grüße

Bernhard
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weingeist
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Re: Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von weingeist »

Hallo Bernhard!
Blaufränkisch hat geschrieben:Hallo Weingeist,wir sind ja gar nicht so weit auseinander wie es scheint. Ich werde halt nur beim oft reflexartigen Schimpfen über die EU hellhörig. Grüße Bernhard
Absolut, wir sind nicht "weit" auseinander.

Du siehst den Uhudler näher beim Obstwein, ich sehe ihn näher beim Wein. Grundsätzlich dürften wir beide ihm aber, unabhängig wie er Dir oder mir schmeckt, eine gewisse Daseinsberechtigung zubilligen... ;)

Du siehst, denke ich jetzt einmal (aus Deinen Statements) die EU grundsätzlich positiv, ich sehe sie (siehe oben) ebenfalls grundsätzlich positiv (bis auf die Regulierungswut, einfach, weil sie wichtigere Probleme zu lösen hätten, als Bezeichnungen, Gurkenkrümmungen, usw.).

Beim Duell "Schilcher : Uhudler" :lol: sehe ich die Sache anders, kann Deiner Argumentation aber genauso folgen, Deinen Argumenten genauso etwas abgewinnen.

Und bei den Orange-Wines (die früher einfach als "fehlerhaft" klassifiziert worden wären) sind wir ja ganz auf einer Linie, wobei ich das mit der Prüfziffer bewusst nicht geschrieben habe, weil ich mir nicht sicher war, ob nicht schon Weine eine solche bekommen haben. Da durfte ich aus Deiner Antwort meinen "Weinhorizont" wieder etwas erweitern. Danke... ;)

Ach ja, für alle hier, die sich jetzt (letzter Absatz) etwas "auf den Schlipps getreten" fühlen, trinkt diese Weine, wenn sie euch schmecken, ich habe damit kein Problem, vergönne sie euch vom ganzen Herzen, nur mir können sie eben gestohlen bleiben. :lol:
Liebe Grüße
weingeist
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Gerald
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Re: Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von Gerald »

Gurkenkrümmungen
Apropos "Regulierungswut": viele der Vorschriften, die man der bösen EU anlastet (was ja leicht geht und auch lokalpolitisch bequem ist, da sie für die meisten Menschen irgendwie eine weit entfernte, unpersönliche Organisation darstellt) sind eigentlich auf Wunsch der Wirtschaft erlassen worden, so eben die genannte Gurkenkrümmungsverordnung. Einfach da die Logistik für den Handel bei stärker gekrümmten Exemplaren viel aufwändiger und damit teurer ist.

Abgesehen davon hat es eine solche Norm auch schon vorher in Österreich gegeben, ohne dass sich jemand beschwert hätte. Die EU ist halt irgendwie zum praktischen Sündenbock geworden, der man alles Negative anhängen kann. :shock:

Siehe auch hier: http://orf.at/stories/2187080/2187093/

Grüße,
Gerald
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weingeist
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Re: Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von weingeist »

Hallo Gerald,

ich will hier keine Diskussion pro oder contra EU (wir sind ja prinzpiell eh keine Gegner) anzetteln. Die Gurkenkrümmung war vielleicht kein so gutes Beispiel (klar lassen sich gerade Gurken leichter und platzschonender schlichten). Ich könnte Dir aber aus dem sozialversicherungsrechtlichen Bereich unzählige Bestimmungen nennen, die das nationale Recht brutalst aushebeln. Und glaube mir, es gibt genug Bürger anderer Staaten (ohne dass ich mir jetzt Fremdenfeindlikchkeit nachsagen lassen möchte), die diese Möglichkeiten (legal, weil EU-rechtlich gedeckt), schamlos ausnützen, wir das wissen, dem "Treiben" aber trotzdem einfach nur zusehen können.
Liebe Grüße
weingeist
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Gerald
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Re: Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von Gerald »

Jetzt gibt es eine neue Initiative (zumal die Obstwein-Variante vermutlich rechtlich nicht haltbar ist), indem einige Sorten direkt in die burgenländische Weinbauverordnung aufgenommen werden sollen:

http://derstandard.at/2000029477008/Anb ... gal-werden

Merkwürdigerweise fehlen in der Liste aber Isabella, Noah und Ripatella, die - wenn ich mich richtig erinnere - zu den meist angebauten Rebsorten für Uhudler gehören. Überhaupt enthält die Liste nur Rebsorten mit den Anfangsbuchstaben A bis E - ob da einfach die ersten 10 der alphabetischen Liste ausgewählt wurden? :?

Grüße,
Gerald
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weingeist
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Re: Uhudler zukünftig als Obstwein deklariert?

Beitrag von weingeist »

Vielleicht "lernt" der Ersteller der Auflistung erst das Alphabet..... :lol:

oder das sind die im Artikel angesprochenen, tatsächlich laut EU verbotenen Sorten, wobei mir da dann wieder die Logik dahinter fehlt. Entweder verbiete ich Direktträger oder nicht.

Ich selbst hab's nicht gesehen, aber meine Frau hat im ORF darüber in einer Sendung (vor kurzem) etwas mitbekommen. Da wurde schon auch noch die Obstweinvariante angedacht, die nach Deinem verlinkten Artikel eigentlich wieder "gestorben" ist. "Schön" finde ich in diesem Zusammenhang, dass ein (österreichisches) Landesverwaltungsgericht aber bereits im vorauseilenden Gehorsam, selbständig erklärt, dass die angedachte Lösung eine Umgehungslösung ist.

Andereseits kann man die Aussage der Landespolitikerin, sie werde dafür sorgen, dass Uhudler legal ausgebaut werden darf, ebenso gefährliche sehen. Solche "Sprüche" sind leider schon zu oft in die Hose gegangen.
Liebe Grüße
weingeist
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