am letzten Freitag gab es in Würzburg wieder einmal eine kleine Blindprobe; diesmal drehte sich alles um die beiden etwas unterschätzten Rebsorten Silvaner und Grüner Veltliner. Ziel dieser Probe war es, die beiden Rebsorten auseinanderzuhalten (was überwiegend gelang, doch häufig nicht so einfach ist) und die ganze Bandbreite dieser "Underdogs" aufzuzeigen.
Die Silvaner stammten ausschließlich aus der weltbesten Silvanerregion

Folgende 14 Weine waren dann im Angebot:
2012er Sylvaner trocken Landwein Main (Stefan Vetter, Iphofen)
Stefan Vetter bewirtschaftet gerade einmal 1,5 ha und ist der "Raw wine-Fraktion" zuzurechnen. Sein Credo: möglichst kontrolliertes Nichtstun im Keller, was aber natürlich entsprechende Pflege im Weinberg erfordert. Spontangärung, geringe Schwefelung,keine Enzymzugabe,keine Schönung und Filtrierung, Ausbau im großen Holzfass. Im Weinberg ein möglichst naturnahes Vorgehen, viel Handarbeit und eine rechtzeitige Lese. Alkoholbomben will er nicht, sondern trinkige, absolut trockene Weine.
So wie dieser: animierende Kernobstnase (Lageräpfel, Quitte), leicht (11 Vol% !) und trotzdem nicht dünn, erfrischende Säure, mittlerer Abgang. Ein schnörkelloser Silvaner, von dem man immer eine Reserveflasche parat haben sollte. 84 P. (wurde von einigen als Leicht-Veltliner eingestuft).
2013er Grüner Veltliner Atschbach QW trocken (Studeny, Obermarkersdorf/Weinviertel)
seh typische,leicht pfeffrige Nase mit knapp reifer Ananas,geradliniger Verlauf auf der Zunge, modern vinifiziert mit etwas CO2, angenehmer Sommerwein im DAC-Stil (obwohl nicht als solcher ausgezeichnet). 83 P. (wurde von allen als GV eingeschätzt).
2007er Homburger Kallmuth "Asphodill" Silvaner GG (Fürst Löwenstein, Kleinheubach)
hier gab es schon allein wegen der Flaschenform (einer von insgesamt 2 Bocksbeuteln) keine 2 Meinungen:
angenehm gereifte Nase, etwas Honigmelone, eine Spur Karamell, die typisch kräutrigen (Dill) Kallmuth-Noten, angenehm zurückhaltende Säure, trotzdem kein Dickschiff (12,5 Vol%), dichte Textur mit schmelzigen Abgang. Der Wein ist absolut trinkreif und sollte jetzt getrunken werden. 88 P.
2007er Grüner Veltliner "der Wein vom Stein" QW tr. (Ludwig Neumayer, Inzersdorf/ Traisental)
hier kam echte Freude auf: identischer Jahrgang wie der Vorgänger-Silvaner, aber viel mehr Frische und Jugendlichkeit. Die Mehrheit war hier auch beim GV, schätzte den Wein aber viel jünger ein.
Sehr intensive, archetypische Veltlinernase nach etwas Belüftung (leichte Spontinase), erinnert ein wenig in der Stilistik an die alten Müller-Catoir-Weine unter Kellermeister Schwarz, elegante Ananas/Pfirsichfrucht mit weissem Pfeffer, auf der Zunge sehr fruchtdicht, tolle, strukturiende Säure, trotz einiger Power (13,5 VOL%) ein eleganter und feiner Sortenvertreter, langer feinwürziger Abgang. Diesen Wein habe ich in seiner Anfangszeit getrunken, da fand ich ihn nicht so spektakulär. Anscheinend benötigen die Neumayer-Weine einige Zeit zur Reife, um ihre wahre Grösse zu zeigen. Absolut auf Augenhöhe mit den besten Smaragd-Weinen der Wachau. Chapeau ! 93 P.
Grüner Veltliner QW trocken (Landart, Olaf Stintzing, Mainstockheim)
Da war er nun: Der GV-Pirat aus Franken. Absolut sortentypisch in der Nase (Ananas, Marille und Pfeffer),mit einem Hauch altem Holz,bestens eingebundener Alkohol, sehr klar und elegant, mittlerer Abgang. Der Wein wurde allgemein als GV angesehen; er hatte nur das Pech, direkt nach dem großartigen Veltliner von Neumayer zu kommen. Der Tiefgang des Österreichers konnte naturgemäß von den jungen fränkischen GV-Reben nicht erreicht werden. Trotzdem ein vielversprechender Anfang im mit 2,5 ha bestockter GV-Rebfläche größtem "Veltliner-Weingut" Deutschlands. 86 P.
2011er Silvaner Landwein Main tr. "Quevri" (Technikerklasse LWG Veitshöchheim)
im Rahmen der Ausbildung zum Weinbautechniker erarbeiteten die Schüler unterschiedliche Weine mit ebenso unterschiedlichen Methoden: dieser Silvaner wurde in der eingegrabenen Tonamphore im georgischen Stil ausgebaut (angepresst, mit Stumpf und Stil in der Amphore spontan maischevergoren, BSA), ein kraftvoller, aber strukturierter Silvaner mit angenehmer Gerbstoffnote,absolut trocken, gelungener, nicht merklicher Säureabbau, Quitte und Lagerapfel, sehr direkter Wein mit Kraft (13,5 Vol%) und mineralischer Länge. Der Wein polarisierte natürlich, von totaler Begeisterung bis hin zu offener Ablehnung war alles geboten. Aufgrund der Stilistik und des Ausbaus war eine Rebsortenzuordnung äusserst schwer, es wurde daher mit gemischten Erfolg "geraten"


Gelungener Versuchswein, der auch in kleinen Mengen in den Verkauf kam. 87 P.
2010er Grüner Veltliner "Renner" DAC Reserve Erste Lage (Schloss Gobelsburg, Kamptal)
Angenehm gereifte Nase, Steinobst,grüner Pfeffer, etwas Williams-Birne, kraftvoll, aber nicht fett am Gaumen, gut strukturierende Säure, die die 13,5 Vol% gut austariert, ordentliche Länge. 90 P. (wurde als GV erkannt).
2010er Escherndorfer Lump Silvaner "L" Spätlese tr. (Rainer Sauer, Escherndorf
sehr feine Silvanernase (kräutrig, Honigmelone, reifer Apfel mit Birne),sehr frischer und extrem reintöniger Auftritt (was mit viel Selektionsarbeit in diesem Jahrgang verbunden war), ganz trockener Eindruck (trotz 4,1 gr. RZ) dank für Silvaner-Verhältnisse ungewöhnlich kräftiger Säure (6,7 Promill), daher prächtige Mischung aus Reife und Fülle mit erfrischender Säure, die 13,5 Vol% sind in keiner Phase spürbar, ein eleganter Silvaner mit nachhaltigem Abgang. In jedem Falle einer der besten "L"-Silvaner von "Mister Silvaner", hart erarbeitet in einem durchaus problematischem Jahr. 92 P. (keine Frage, typisch Silvaner).
2009er Senftenberger Pellingen Grüner Veltliner "Privat" DAC Reserve (Nigl, Senftenberg/Kremstal)
kraftvolle, aber nicht schwülstige Nase, reife Kernfrüchte, insbesondere Marille, dezent pfeffrig, relativ niedrige, aber passende Säure, cremig, aber nicht langweilig auf der Zunge, absolut trocken, sehr fruchtdicht, extraktreich, ein gelungener Jahrgangsvertreter. 90 P.
2012er Sulzfelder Sylvaner "Creutz" -Ursilvaner- QW tr. (Luckert, Sulzfeld)
hier waren sich alle einig: das war eindeutig der Wein des Abends und einige, die diesen Wein noch nicht kannten, waren absolut geplättet von den Qualitätshöhen, die ein Silvaner im Ausnahmefall erreichen kann. Von einem Kultwein kann man noch nicht sprechen, da es der erste Jahrgang dieses Ausnahmeweines ist. Wenn es aber jemals einen Kultwein in Franken geben sollte, kann es eigentlich nur dieser "Creutz" werden. Ich hatte das Glück, diesen Wein schon ein paar Mal im Glas zu haben und konnte in einem Falle die Entwicklung im Glas über mehrere Stunden verfolgen. Meine Erfahrungen sind daher nicht einmalig auf diese Probe bezogen und daher für mich schon einigermaßen abgesichert. Dabei wäre es beinahe gar nicht zur Entstehung dieses Weines gekommen. Der Weinberg, der mit wurzelechten, über 140 Jahre alten Silvaner-Stöcken (viel heute nicht mehr angebauter gelber Silvaner) in der damals gängigen Kopferziehung bepflanzt ist, sollte gerodet werden, da hier neues Bauland entstehen sollte. Gott sei Dank scheiterte aber die Bebauung aus baurechtlichen Gründen, so dass es zu keiner Rodung kam. Da der Inhaber den Weinberg altersbedingt nicht mehr bearbeiten konnte, schlugen die Luckert-Brüder zu. Nach aufwendiger Restaurierung der alten "Burschen" konnte 2012 die erste Ernte dieses "Ursilvaners" eingebracht werden. Ganze 10 hl/ha ! Leider gibt es nur 350 Flaschen (plus ein paar Magnums), die bis auf wenige Magnums im Weingut bereits ausverkauft sind.
Doch nun zum Wein: spinnwebenzarte Nase mit tiefer Würze und zartem Kernobst, sehr kühler und tiefgründiger Wein, der nur einen Teil preisgibt, alles andere als ein Hammerteil, fast tänzerische Anmutung, absolut trocken (2,2 gr. RZ), fein ziselierte Säure (6,0 Promill), extrem seltene Eleganz bei einem Silvaner, komplex, frisch, ungeheuer dicht und tiefgründig, ein völlig in sich ruhender, selbstverständlicher Silvaner, der Kraft und Feinheit mit ungeheurem Trinkfluss verbindet. Ganz langer, noch etwas kantiger Abgang.
Wer erleben will, was mit einem Silvaner qualitativ alles möglich ist, wird an diesem Benchmark-Silvaner nicht vorbeikommen. Der Wein ist zweifelsfrei noch zu jung und es besteht die Gefahr, dass der flüchtige Verkoster diesen Wein gnadenlos unterschätzt. Bei diesem Wein lohnt es sich aber, mit einer Flasche in "Klausur" zu gehen und alle Facetten in aller Ruhe zu erforschen.
Im direktem Vergleich beispielsweise mit dem ausgezeichnetem "L" von Rainer Sauer zeigt sich, dass dieser "Creutz" noch eine Extra-Dimension Tiefe, Komplexität und Finesse besitzt, die nur die ganz großen trockenen Weißweine der Welt besitzen. Und genau dort sehe ich den "Creutz", auch wenn es "nur" ein Silvaner ist.
Der weltbeste trockene Silvaner ist er aber mit Sicherheit

97P.
P.S.: ich hätte nicht gedacht, dass ich mal soviel Punkte an einen trockenen Silvaner vergebe. Der Wein hat es aber verdient, trockener Silvaner geht definitif nicht mehr besser !
2009 Silvaner "Erdrauch" QW tr.
ein völlig anderer Typ als der "Creutz", aber er kann sich durchaus auf andere Weise behaupten: sehr kraftvoller Wein (14,5 Vol%), der dank harmonischen und strukturienden Holzeinsatz und ausreichend Säure nicht schwerfällig wirkt, dezente Obst-und Birnennoten, mineralisch unterlegt, dank teilweiser Maischegärung ein perfekt stützendes Tanninkorsett, tolle Struktur und mit Frucht und Holz unterlegter Abgang. Ich hatte anfangs etwas die Befürchtung, dass der Alkohol mit den Jahren etwas übermächtig werden könnte. Dies ist aber keineswegs der Fall, im Gegenteil hat sich der Alkohol sehr gut integriert. Letztendlich wirkt er wie eine Verschmelzung eines Bourgogne-Chardonnay mit einem hochklassigen Südfranzosen aus autochthonen Rebsorten. Kein typischer Silvaner nach gewohnten Massstäben, aber ein ausgezeichneter Wein, der seine Stärken in der Kombination mit einem Essen noch besser ausspielen kann. 92 P.
P.S.: Wolfgang hat ja an anderer Stelle schon an die nicht nachvollziehbare Bewertung bei Wein+ hingewiesen (ich glaube 84 P.???). Das ist aber so was von voll daneben


1998er Grüner Veltliner Smaragd "M" (F. X. Pichler, Oberloiben)
als Kontrast nach dem kraftvollen Erdrauch musste es jetzt einen ebenso kraftvollen GV geben. Angenehm gereifte, sehr konzentrierte und üppige Nase nach getrockneter Marille, Ananas, reife Honigmelone, ein Hauch karamell, sehr saubere Bortrytis, absolut trocken, cremig-schmelziger Gaumenauftritt, straffe Säure, die das Schwergewicht auf Kurs hält, kräftiger Körper (14,5 Vol%), Alkohol gut verpackt, füllt den Mundraum komplett aus, sehr extraktreich, tolle Länge. Immer wieder erstaunlich, wie F.X. es schafft, solche Bolidenweine auf des Messers Schneide zu vinifizieren und ihnen sogar noch einen Hauch von Trinkigkeit und Finesse mitzugeben. Ein beeindruckender Verkostungswein auf sehr hohem Niveau, aber natürlich schon etwas sattmachend. 93 P. für die Qualität, die Trinkspasspunkte bewegen sich deutlich darunter !
Zum Abschluss noch beide Rebsorten je als Eiswein:
2012er Grüner Veltliner Eiswein (Angerhof Tschida, Illmitz)
glasklare, sehr fruchtbetonte Nase, die die Sorte gut erkennbar macht: reife tropische Früchte, würzig, ein Hauch Pfeffer, praktisch bortrytisfrei, Honig,angenehme Süsse (208 gr.) bei passender, für deutsche Eiswein-Verhältnisse eher niedriger Säure, daher jetzt schon wunderbar zu trinken, leichtgewichtige 9,5 Vol%, deutlich Honig auf der Zunge, cremig, makellose Frucht, extrem reintönig, gute Länge, ein wahrer Fruchtnektar für Erwachsene

91 P.
1999er Röttinger Feuerstein Silvaner Eiswein (Jürgen Hofmann, Röttingen)
Jürgen Hofmann, der vor allem für trockenen Weisswein und elegante Rotweine bekannt ist, kann auch in edelsüss:
mit 185 Grad Öchsle am 23.12.99 bei -11 Grad geerntet, sehr konzentriert, wunderschön gereift, süsse Trockenpflaumen, Quitte und vollreife Birne, knackige, aber die Süsse konterkariende Säure, würzig-fruchtige Konzentration auf der Zunge, sehr ausgewogen und lang, dieser Eiswein ist jetzt optimal gereift. 93 P.
Eine sehr spannende und durchwegs hochklassige Probe mit hohem Spassfaktor, die das Potential beider Rebsorten zumindest ansatzweise aufgezeigt hat.
Grüsse
Bodo