Liebes Forum,
wir hatten ja schon alles hier: ein Kreuzworträtsel, ein Google-Rätsel und ein Zahlenrätsel. Was wir bisher noch nicht hatten, war ein Texträtsel. Leider - das gehört zum Wesen dieses Rätsels - ist es etwas länger und hat einige versteckte Bezüge, die es zu finden gilt.
Ihr kennt alle diesen Kinderwitz, der damit beginnt, dass man träumen soll, man wäre Busfahrer und bei der ersten Station steigen 5 Leute ein. Bei der nächsten steigen 2 Leute aus und 6 neue ein. Und so geht es in einem fort, und wer vergessen hat, dass das alles nur ein Traum ist, wird dann am Ende überrascht sein, wenn er gefragt wird, welche Haarfarbe oder welches Alter der Busfahrer hat. So oder so ähnlich soll auch dieses Rätsel funktionieren. Wer jetzt aber meint, er könne einfach die Frage zuerst lesen, hat sich leider getäuscht. Denn die Frage zu diesem Rätsel gibt es erst am Montag um 16 Uhr. So leid es mir tut (wobei das hier nicht der Wahrheit entspricht). So haben alle - die arbeitende Bevölkerung wie auch die Sachsen-Anhalter (Anhaltiner?) - die Chance mitzumachen und einen Gutschein über EUR 100,-- bei http://www.weinspecials.de zu gewinnen.
Also, jetzt stellt Euch einfach mal vor, Ihr wäret ein enthusiastischer Weinliebhaber oder eine Weinliebhaberin im besten Alter. Wer sich partout unter "bestem Alter" nichts vorstellen kann, sollte dann einfach annehmen, in der Mitte der 60er Jahre des letzten Jahrhunderts geboren zu sein. Er (oder sie) war beim Jahrtausendwechsel genau in dem Alter, statt mit Sekt oder Prosecco mit Champagner anstossen zu können, einfach weil die Kenntnis und die Liebe zu Hochwertigem bereits ausgeprägt war und vor allem auch, weil sich der berufliche Werdegang schon so weit entwickelt hatte, dass Champagner im Bereich des Möglichen lag. Wobei man hier vielleicht den Einschub bringen sollte: im Bereich des Möglichen qua eigenem Geld. Sicher gibt es auch einige unter uns, denen das monetäre Wohl familienseits bereits in die Wiege gelegt wurde und die schon alle Jahre vorher ausschliesslich mit Champagner den Jahreswechsel anzustossen pflegten. Das soll hier nicht zählen.
Es geht um folgendes Szenario: eine festliche Einladung eines Freundes, den man nur selten, wenn überhaupt einmal im Jahr sieht. Er wohnt nicht in Deutschland, ist noch nicht einmal Deutscher, man hat sich auf einer Tauchreise kennen gelernt und auch die Abende miteinander verbracht, an denen man feststellte, dass Wein eine gemeinsame Passion ist. Ob es dieser Umstand war oder die Güte des Tauchgebiets, lässt sich nicht mehr eindeutig festmachen, führte jedoch dazu, dass dem einen Urlaub noch weitere folgen sollten, immer gemeinsam mit einer kleinen wenn auch wechselnden Gruppe Gleichgesinnter. So hatte man sich nicht nur schätzen gelernt, sondern auch lieb gewonnen. Dass dieser Freund nun Herrn und Frau Forum zu einer Silvesterfeier einlüde, kam überraschend, sind es doch einige Tausend Kilometer, die zurückzulegen wären. Als man sich aber im Kreise der Freunde umhörte und feststellte, dass nicht nur man selbst, sondern eben auch andere aus dem Freundeskreis eingeladen waren, fiel der Entschluss der weiten Reise nicht schwer.
Weiter im Szenario: dem Anlass und dem Ort entsprechend war für die Herren der Schöpfung ein black tie obligatorisch sowie - das jedoch freiwillig - eine gut gerollte dicke Zigarre aus Kuba in der Innentasche, und für die Damen des Forums das kleine Schwarze und ein üppig roter Lippenstift als Zigarrenersatz (soviel Gerechtigkeit muss sein). Es ist also der letzte Tag des Jahres 2011, mehr sogar: es sind die letzten Stunden und die Uhr zeigt bereits nach 11 post meridiem, niemand weiss, was mit dem Voranschreiten des Zeigers und dem schliesslichen Überschreiten der Mitternachtsmarke im neuen Jahr alles passieren wird. Apokalyptische Voraussagen gibt es zuhauf, neue Kriege, das Zusammenbrechen des Euros, die Gier der Finanzmärkte, eine Wirtschaftskrise ungeheuren Ausmasses ist prophezeit, von irgendwelchen Antichristen, die sich mit Bärten und Turban zeigen würden, ganz zu schweigen.
Aber daran glaubt natürlich kein vernünftiger Mensch, denn es ist das übliche Mediengeschrei, dass mit jedem Jahreswechsel lauter zu werden scheint, auch wenn es die Lautstärke des Milleniumwechsels noch nicht erreicht hat, weswegen Herr und Frau Forum in ihrer eleganten Abendgarderobe den Jahreswechsel hemmungslos zu geniessen wissen. Wir befinden uns im Kreise guter Freunde (so würde man es wohl selbst sagen), aber da gute Freunde sehr rar sind, befinden wir uns eher im Kreise guter Bekannter, und zu dem guten Bekanntsein gesellt sich noch das gemeinsame Bekenntnis zum grossen Wein. Und - so hatte es der Gastgeber in seiner Einladung angedeutet - es gab nicht nur etwas zu feiern (den Jahreswechsel natürlich), sondern vor allem auch etwas sehr Rares zu trinken. So rar, dass die Einladung gar nicht abzuschlagen war.
Nein, die Feier ist zu gross, um wirklich alle zu kennen. Aber das Dutzend Menschen, das einem bekannt ist, hat man ins Herz geschlossen. Und einige der anderen zwei Dutzend lernt man den Abend über kennen, denn schliesslich hat der Gastgeber dafür gesorgt, dass Herr Forum als Tischherr neben einer ihm gänzlich unbekannten Dame den Abend verbringt, während Frau Forum ihm schräg gegenüber - zwar nah genug, um Augenkontakt halten zu können, aber doch auch so weit weg, dass kein nahes Gespräch möglich ist - Platz genommen hat und nun ganz vertieft in ein Gespräch mit ihrem Tischherrn zu sein scheint, während die Tischdame von Herrn Forum doch eher zu der spassbefreiten Art Mensch gehört. Fast mutet es an, als würde sie vor jedem Anflug von Humor erst zu ihrem ebenfalls etwas entfernt sitzenden Gatten hinüberschauen müssen, um sich von ihm die Erlaubnis zum Lachen zu holen. So geht es nun schon seit einigen Stunden und Herr Forum bemerkt nicht ohne einen gewissen Neid, dass seine ihm anvertraute Frau mehr Glück mit ihrem Tischnachbarn zu haben schien als er selbst.
Dann wurde das Dessert gereicht, der passende Süsswein (d'Yquem 1986) kredenzt und die Tischordnung löst sich langsam zugunsten eines Bäumchen-Wechsel-Dich auf, was bedeutet, dass Männlein und Weiblein aufgestanden sind, um an denjenigen Freunden und Bekannten das nachzuholen, was aus zeitlichen Gründen bisher noch nicht möglich war: Begrüssung mit Küsschen-Küsschen, Smalltalk, Lachen, Nachfragen zum beruflichen Erfolg, zur Gesundheit oder dem Gedeih der Nachkommen. Und weil die Gespräche meist nur kurz und aus Höflichkeitsgründen auf der internationalsten aller Sprachen, nämlich dem Englischen, das meist nicht ganz akzentfrei gesprochen dennoch einen grossen Charme beim Smalltalk zu entfalten vermag, geführt werden, bleibt Zeit genug, die Bekannten dem Tischnachbar oder der Tischnachbarin vorzustellen, so dass kurz vor Mitternacht das Gewebe an Sprechen und Worten auch diejenigen miteinander verbunden hat, die sich zum Beginn der Feier noch nicht kannten, sei es dass sie sich noch nie gesehen oder sei es, dass sie sich zwar schon gesehen aber noch nie die Möglichkeit zu einem Wortwechsel gehabt hatten. Als also der Gastgeber nun einige Minuten vor dem magischen Wechsel von einem Jahr ins nächste sein Glas erhebt und es mit dem Dessertlöffel derart zum Klingen bringt, dass jedem der Anwesenden klar werden muss, dass damit um Ruhe gebeten wird, dauert es doch noch eine ganze Weile, bis auch die letzten Gespräche verstummt und das frohe Gefühl, endlich seinen Kreis an Bekannten auch um die noch vor wenigen Minuten Unbekannten, mit denen man zwar den ganzen Abend bereits verbracht aber sich dennoch nicht verwoben hatte, erweitert zu haben, der Spannung weicht, was denn der Gastgeber seinen sich um ihn versammelten Gästen nun mitzuteilen hätte.
Dieses Gefühl der Spannung ist ja ein zwiespältiges. Denn zum einen erwartet man nun ganz und gar nicht, dass weltbewegende Neuigkeiten verkündet würden, weswegen der Begriff Spannung durchaus etwas übertrieben scheint, und dennoch lauscht man nur zu gerne mit erwartungsvollem oder eben: gespanntem Gesichtsausdruck den Worten, vielleicht weil man der Stimme des Gastgebers gerne lauscht, vielleicht weil man hofft, dass doch irgendeine erinnerbare Neuigkeit mitgeteilt würde, vielleicht auch einfach nur, weil man weiss, dass man sich am Ende der Rede endlich wieder zu seinem oder seiner Liebsten gesellen darf, um endlich das anbrechende Jahr mit einem Kuss, einer Umarmung oder einfach dem Anstossen der Gläser zu begrüssen, bevor dieser kleine Moment des Innehaltens dem Lärm der Raketen und Kracher und den oftmals gespielten, oftmals auch wahrhaftigen Herzlichkeiten an Umarmungen und Glückwünschen dann wieder weichen muss.
Während also die agilen jungen Damen und Herren, die den ganzen Abend über schon dafür Sorge trugen, dass die Gläser voll, die Teller gedeckt und auch wieder abgedeckt und vor allem die Köstlichkeiten aufgetragen wurden und dass überhaupt alles völlig entspannt und fast wie ohne Mühe erschien, nun jedem der Gäste auf silbernen Tabletts ein Glas, das nicht die übliche Flötenform besitzt, sondern eher wie ein kleines bauchiges Weinglas aussschaut, in dem sich eine dunkel schimmernde, ins bräunliche gehende Flüssigkeit befindet, anbieten, setzt der Gastgeber an (natürlich in einem nicht ganz akzentfreien Englisch, das der Autor dieser Zeilen sich erlaubt zu übersetzen).
"Liebe Freunde!
Ich erspare mir die üblichen Worte zum Jahreswechsel, die jeder von Euch sicher zur Genüge kennt und denen ich, auch wenn ich mich noch so anstrengen würde, ganz sicher nichts Neues hinzuzufügen imstande wäre. Worauf ich Euch aber aufmerksam machen möchte, ist folgendes" - damit schaut er in die Runde der erwartungsvoll blickenden Gäste und überprüft, ob auch jedem das nun von ihm Anzusprechende bereits überreicht worden ist, und als er feststellt, dass auch das letzte der silbernen Tabletts leer hinausgetragen wurde und er sich derart gewiss sein kann, dass die genau abgezählten Gläser jeden ihrer Adressaten erreicht haben, fährt er fort - "ist also folgendes: Ihr alle habt jetzt ein Glas in der Hand, dass nicht die übliche und bekannte Form eines Champagnerglases besitzt, sondern eher einem Weinglas ähnelt. Aber bitte denkt nicht, mein Geiz würde Euch jetzt den Champagner vorenthalten und Ihr müsstet mit einem gewöhnlichen Weisswein auf das Neue Jahr anstossen. Denn dieser Wein ist ganz und gar nicht gewöhnlich. Nur hat er eine Eigenart, die ich Euch in diesem Jahr nun nicht mehr mitteilen möchte, dafür müssen wir das neue Jahr nutzen und den Moment, an dem Ihr von dem Inhalt der Gläser gekostet haben werdet, was, und nur darum möchte ich bitten, frühestens mit dem ersten Schlag der Glocke geschehen möge. Nicht aus Aberglaube, sondern einfach nur weil das magische Voranschreiten der Uhr damit dem Wein, oder besser: dem Champagner ein weiteres Jahr hinzufügt. Nur soviel: ich habe diese Flaschen selbst aufgetrieben - aber was heisst schon aufgetrieben? Ich habe sie gefunden und darüber bin ich mehr als glücklich. Ich habe sie dort gefunden, wo sie jahrelang lagerten, natürlich wie so viele andere alte Weine, was ja sehr wichtig ist, unter besten Bedingungen und vergessen von den anderen Menschen. Niemand, so wage ich zu behaupten, hat vor mir überhaupt von der Existenz der Flaschen auch nur gewusst. Auch bei mir war es kein Wissen, sondern reiner Zufall, dass ich diese Flaschen auftrieb. Wie gesagt: reiner Zufall, der mich und sieben Bekannte, mit denen ich unterwegs war, zu glücklichen Menschen gemacht hat. Nein, ich bin darauf nicht stolz, aber allein um so ein Fest wie heute ausrichten zu können, habe ich 90% der Flaschen nicht selbst behalten können, sondern zur Versteigerung gebracht. Nur drei Flaschen habe ich mir für den Eigengebrauch gesichert und es sind diese Flaschen, die ich für diesen Moment mit Euch, meinen lieben Freunden, fast mehr als 18 Monate aufbewahrt habe. Ich möchte, bevor nun die Glocken der Welt zu läuten beginnen, mit Euch und auf Euch das Glas heben. Und auch wenn einige von Euch wissen, dass eine dieser raren und sicher teuren Flaschen bei unserem staatlichen Glücksspielunternehmen verlost wurde - was ich ganz und gar nicht zu schätzen wusste -, so hoffe ich doch, dass Euch der Inhalt der Gläser schmecken möge. Meine Freundin Ella..." und damit deutet der Gastgeber auf eine hübsche rothaarige Dame, die dem Forumsherrn bereits aufgefallen und in ein kleines Gespräch verwickelt worden war, in dessen Verlauf er ihre klangvolle Stimme lobte, was wiederum sie dazu brachte, ihm mitzuteilen, dass sie sogar schon einmal auf einer Plattenaufnahme - oder wie soll man discrecording sonst übersetzen? - zu hören gewesen sei, dies aber, und dabei gehen ihre letzen Worte in einem Kichern unter, viel weniger der Musik wegen zu erwähnen sei als vielmehr der Eigenheit des Tonstudios wegen; und nun, da die Dame etwas schüchtern dem Gastgeber zulächelt und in die versammelte Runde winkt (was, aufgrund ihres Alters, ganz und gar nicht aufgesetzt oder arrogant, sogar im Gegenteil eher verhalten und sympathisch-schüchtern wirkt), erinnert sich der Forumsherr an ihre Worte und daran, dass sie als Beruf doch "somewhat with wine" angegeben habe, und während alle diese Gedanken in Millisekundenschnelle durch seinen Kopf wabern und er über so viel Lebenskomödie (Wein UND Popmusik!) leise in sich hinein lächeln muss, verlangen schon die Worte des Gastgebers wieder seine volle Aufmerksamkeit - "meine Freundin Ella hat ihn bereits getrunken und - ich darf das zitieren Ella? - als "absolut wunderbar" beschrieben. Diesem Urteil kann ich mich, nachdem Ella und ich die erste Flasche gemeinsam probierten, nur anschliessen und möchte hinzufügen, dass er mir überraschend süss vorkam mit einem Hauch Tabak und Eiche. Auf jeden Fall: ein wunderbarer Tropfen, mit dem ich das alte Jahr nun verabschieden und das neue Jahr willkommen heissen möchte."
Just in diesem Moment beginnen die Glocken der Hauptstadt zu läuten und neben unserem Gastgeber haben nun auch alle anderen das Glas erhoben, lächeln, neigen sich und ihr Glas erst dem Gastgeber, dann dem ihnen am nächsten stehenden Gegenüber zu und können gar nicht anders, als aus reiner Neugier einen kleinen Schluck aus dem Glas zu probieren, bevor in wenigen Sekunden die Welle an Neujahrswünschen vollständig alle anderen Gefühls- und Sinneseindrücke überwältigen wird.
Und hiermit verabschiedet sich auch der Autor dieses kleinen Rätsels vom geneigten Leser und wünscht allen Lesern und Schreibern und Rätselratern noch einen wunderbaren 4. Advent, eine besinnliche Weihnachtszeit, eine geruhsame Zeit zwischen den Jahren und natürlich einen beschwingten und erfüllten Übergang ins Neue Jahr verbunden mit der Hoffnung, dass uns allen irgendwann einmal ein derartiges Weinerlebnis zuteil werden möge, wie ich es soeben natürlich rein aus der Phantasie, aber eben doch mit einigen realen Anhaltspunkten, die für die Lösung des Rätsels unabdingbar sind, versucht habe zu beschreiben.
Die beiden klitzekleinen Fragen, die sicher jeder sofort zu beantworten weiss, lauten:
1. welche Haarfarbe hat der Gastgeber?
2. wie alt ist Ella?
Wie immer gilt: who ever comes first is king...