Neue Regelung für die Mosel gefordert

BuschWein
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von BuschWein »

In manchen Antworten empfinde ich die Diskussion als typisch deutsch, alles was es gibt muss gesetzlich definiert werden. Aber was soll das bringen? Warum braucht es für jeden Weintyp eine gesetzliche Definition? Wenn es genug Menschen gibt die einen bestimmten Weintyp goutieren, dann werden sich Winzer finden die den Weintyp produzieren und sie werden das dann auch gegenüber diesen Weinfreunden kommunizieren.

Gibt es kein Interesse nützt die tollste Definition und der beste gesetzliche Schutz nichts, dann wird es den Wein einfach nicht mehr geben.

Aber um national oder gar international auf sich aufmerksam zu machen, ist eine Begrenzung, eine Spezialisierung einfach notwendig und sinnvoll. Übrigens auch die Ausnahmen und besonderen Weine von kleinen Winzer fallen leichter auf, wenn es eine klar kommunizierte Typizität gibt. Man kann nur rebellieren, wenn es einen Mainstream gibt.

Und leichte trockene Weine (Typ Kabinett trocken) sind leicht zu erkennen, ein Blick auf die Alkoholgradation genügt. Ist sicherer als der Blick auf das Etikett, Kabinett trocken mit 13%vol sind so selten nicht und ganz sicher keine Leichtweine.
Armin
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AH.
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von AH. »

Aber um national oder gar international auf sich aufmerksam zu machen, ist eine Begrenzung, eine Spezialisierung einfach notwendig und sinnvoll.

Hallo Armin,

wie kommt es dann, daß eine derartig anarchistische Appelation wie Châteauneuf du Pape, deren Weine aus vielen und charakterlich extrem unterschiedlichen Rebsorten bestehen, deren Zusammensetzung allein dem Winzer überlassen ist, die von Maischeerhitzung (Beaucastel) über offene Maischegärung bis zur Maceration Carbonique (Mont Redon) vinifiziert werden und von Stahl- oder Betontank über Fuderfässer bis hin zu gebrauchten und neuen Barrique und Mischungen aus all dem ausgebaut werden, international so erfolgreich ist? Man weiß ja wirklich nicht, was einen erwartet. Eine Flasche Ch9 ist ja nun weit spannender, als ein Überraschungsei :D

Und das vergleichsweise einheitliche Beaujolais, Gamay & Maceration Carbonique ist international lange nicht so erfolgreich :?

In manchen Antworten empfinde ich die Diskussion als typisch deutsch, alles was es gibt muss gesetzlich definiert werden. Aber was soll das bringen?

Man sollte der Tatsache ins Auge sehen, daß viele Winzer "optimieren/panschen", wenn man es ihnen nicht gesetzlich verbietet.

Gruß

Andreas
Zuletzt geändert von AH. am Fr 11. Feb 2011, 15:42, insgesamt 1-mal geändert.
BuschWein
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von BuschWein »

Hier wurde bisher nur die "Schärfung des Profils" genannt, aber dann müßte das Beaujolais mit der Beschränkung auf den Gamay doch sehr erfolgreich sein und das anarchistische Châteauneuf du Pape recht erfolglos. Bei letzteren weiß man ja wirklich nicht im geringsten, was einen in der Flasche erwartet. Und es ist nichts deklariert.
Bei einem Ch9dP kann man aus der Definition der Appellation sicher nicht die Rebsorte erkenne, trotzdem ist die Typizität der Weine durchaus vorhanden und den Winzern bleibt auch über das Etikett hinaus die Möglichkeit zu kommunizieren, welche Rebsorten enthalten sind.

Das Problem des Beaujolais ist sicher nicht, dass man sich auf eine Rebsorte beschränkt hat, das Problem war zuerst der Erfolg und dann die immer schlechtere Qualität des Beaujolais Nouveau, der die ganze Region nach unten gezogen hat. Übrigens international gilt Beaujolais als "the next big thing" beim Wein.
Armin
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AH.
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von AH. »

Hallo Armin,

eine wie auch immer geartete Typizität von Ch9 gibt es nicht und kann es aufgrund der enormen Unterschiede bei der Rebsortenzusammensetzung, der Vinifikation und dem Ausbau auch nicht geben. Deklariert ist im Regelfall auch nichts, aber die Überraschungsflaschen verkaufen sich trotzdem gut.

Ob der Beaujolais nun der nächste Modewein wird, oder nicht, will ich dahingestellt sein lassen. Aber man sieht sehr deutlich, daß Einheitlichkeit von Moden abhängig macht. Und das halte ich für gefährlich.

Gruß

Andreas
BuschWein
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von BuschWein »

Andreas

Für den Erfolg eines Weins ist natürlich nicht nur das Profil des selben verantwortlich, auch aktuelle Trends spielen eine Rolle, da hatte Ch9dP natürlich mit tendenziell kräftigen, konzentrierten Rotweinen es leichter als Beaujolais. Dazu kommt dass der internationale Kritikerguru RP jun. Ch9dP liebt und immer wieder hoch bepunktet. Da ist wirtschaftlicher Erfolg fast zwangsläufig.

Übrigens eine Definition bedeutet nicht, dass alle Weine die aus der gleichen Appellation kommen gleich schmecken, aber der Kunde weiß was ihn dort erwartet. Beim Thema Appellation geht es aber auch darum das neue EU-Weingesetz um zu setzen. Wenn dieses kommt, kann das deutsche Weingesetz sowieso nicht bleiben wie es ist, außer man verzichtet komplett auf finanzielle Unterstützung aus Brüssel, die wird es nämlich nur noch für regionale Appellationen geben.
Armin
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Charlie
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von Charlie »

AH. hat geschrieben: wo ist denn nun der Vorteil der Beschränkung des QmP auf den Riesling? Für Winzer, Konsumenten oder die EU...
Platt gesagt: weil nur Riesling nach Mosel schmeckt. Beispiele, wirkliche oder fiktive, gibt es sicher sehr gute für alle Positionen. Etwa als ich mich über einen (wirklichen) fränkischen Bacchus Kabinett restsüß im Boxbeutel mit Angabe der Einzellage geärgert habe. Alles legal hier.
Oder man stelle sich einen Dornfelder Kabinett restsüß mit der Aufschrift "Paulliac 2eme Grand Cru Classé 1855" vor. Nun, bei den Stilwechseln, die alle Weinregionen dieser Welt durchgemacht haben, wäre das im Glas weniger absurd als es klingt. Aber das ist eine andere Geschichte.
AH.
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von AH. »

Hallo Charlie,

Dein bordelaiser Beispiel ist wirklich nicht so absurd, denn noch vor 200 Jahren spielte der Cabernet Sauvignon im Bordelais m.W. keine Rolle. Das ist ja eine relativ junge Rebsorte. Und Deine Verärgerung über den fränkischen Bacchus Kabinett restsüß mit Lagenagabe kann ich - ehrlich - nicht nachvollziehen. Was hat Dich daran gestört? Entsprach das Getränk nicht den Erwartungen, die das Etikett weckte?

Nur, wenn man keine zu strengen Vorschriften macht, finden sich Lage und Rebsorte im Laufe der Jahrhunderte zusammen. Natürlich entstehen dabei durch Moden auch Fehlentwicklungen, aber Freiheit ist die Voraussetzung zur Entwicklung. Die Freiheit braucht nur Deklaration, um eine endverbraucherfreundliche Transparenz zu erreichen. Natürlich wäre ich persönlich trotzdem dagegen, wurzelechte Rieslinganlagen an der Mittelmosel auszureißen und durch Dornfelder zu ersetzen ;) Das dürfte auch nicht oft geschehen sein.

Pluralismus bei den Rebsorten und Stilen hilft zudem, sich von Trends und Moden unabhängiger zu machen.

Platt gesagt: weil nur Riesling nach Mosel schmeckt.

Ausgerechnet viele Lagen an der Mosel besitzen in meinen Augen einen starken Eigencharakter und sind nicht austauschbar - unabhängig von der Rebsorte. Da war z.B. mal ein feiner Müller-Thurgau :oops:

Andersherum eignen sich m.E. auch nicht alle Lagen gleichermaßen optimal für den Riesling. Das betrifft das Schwemmland an der Untermosel wohl ebenso, wie etwa Kalklagen an der Obermosel.

@ Armin

Übrigens eine Definition bedeutet nicht, dass alle Weine die aus der gleichen Appellation kommen gleich schmecken, aber der Kunde weiß was ihn dort erwartet.

Das widerspricht sich, denn der Kunde weiß nur, was ihn in einer Appellation erwartet, wenn sich die Weine irgendwie ähneln. Die Châteauneuf-Überraschungsflaschen ähneln sich ja überhaupt nicht. Ich mag diesen Pluralismus durchaus (weil ich wählen kann, was mir am meisten zusagt), noch schöner wäre er nur mit Deklaration. Wie würde sich das EU-Recht auf diese anarchistische Appellation auswirken? Parker hin oder her, man hat dort Erfolg mit großer Vielfalt an Stilen und Rebsorten.

Gruß

Andreas
BuschWein
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von BuschWein »

Hallo Andreas

Wir reden ein wenig aneinander vorbei. Ich bin ganz und gar nicht gegen Vielfalt und Innovation, aber warum müssen all diese Weine unter dem Label Qualitätswein laufen? Meinetwegen soll jeder Winzer alle Rebsorten der Welt anbauen dürfen, ich weiß nicht warum man das beschränken sollte. Er ist der Erzeuger, er trägt das Risiko, dann soll er machen.

Ich denke aber umgekehrt, dass man gebietstypische, Regionalweine schützen sollte und die Typizität auch dem Verbraucher kommunizieren sollte. Und weil die Mittel beschränkt sind sollte man sich eben auf wenige Weintypen konzentrieren, die man gemeinsam vermarktet, nur so kann man in der heutigen globalisierten Weinwelt ein Profil gewinnen.

Ich war letztes Wochenende in London und habe da einige unabhängige, kleinere Weinhändler besucht, aus Deutschland gab es ein paar Loosenweine, Wegeler und einen Scharzhofberger. Und das in London, England, dem wichtigsten europäischen Weinmarkt für deutsche Weine. Aus Frankreich eine Topauswahl an Burgundern, Bordeaux, auch unbekanntere Erzeuger, recht viel Elsaß, Österreich war mit der Wachau aber auch Kamptal vertreten, hauptsächlich Grüner Veltliner, wenige Rieslinge. Aus Deutschland so gut wie nichts. Woran mag das liegen?

In Restaurants ein ähnliches Bild, ich habe in den etwas hipperen Lokationen einiges an Riesling aus Australien gesehen, aus Deutschland so gut wie nichts, Frankreich Sauvignon Blanc von der Loire, egal ob Touraine oder Sancerre/Pouilly Fume, dazu fast überall auch einen Muscadet sur lie, den es bei uns fast nicht mehr gibt.

Ich denke das hat auch damit zu tun, dass englische Weinfreunde überhaupt keine Vorstellung von deutschen Weinen haben, wenn ich aber gar nicht weiß was mich erwartet, dann werde ich diese Weine nicht mal so auf Verdacht mitnehmen und in einer Weinhandlung kann man halt nicht immer probieren.

Dazu kommt nun das neue EU-Weingesetz, das bedingt durch die südlichen EU-Länder eben recht stark an der Appellationsidee orientiert ist. Gestzlich geschützt dürfen nur noch Weine werden, die einen regionsbezug haben. Das kann man ignorieren, aber man verzichtet damit auch darauf, dass man wahrgenommen wird.
Armin
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AH.
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von AH. »

Wir reden ein wenig aneinander vorbei. Ich bin ganz und gar nicht gegen Vielfalt und Innovation, aber warum müssen all diese Weine unter dem Label Qualitätswein laufen?

Hallo Armin,

ich meine sogar, sie müssen als Prädikatswein laufen können. Weil ich als Konsument die Sicherheit haben will, keinen naßverbesserten, angereicherten oder gechipsten (nur bei Prädikatswein verboten) "optimierten = gepanschten" Wein zu bekommen. Vor Süßreserve, 15% Verschnitt, Gummi Arabicum und önologischem Tannin schützt leider auch der Prädikatswein nicht. Aber besser als die gesetzliche Freiheit zum Panschen (QbA, Landwein, Tafelwein) ist es allemal.

Weiterhin meine ich, daß sich Regeionalstile von selbst herausbilden (Mosel ist ein gutes Beispiel, wie auch die Ahr), ohen daß man sie aufzwingen muß. Oft ist ein Regionalstil auch nicht sinnvoll, auf welche Rebsorte sollte man sich denn z.B. in Baden oder an der Pfalz "konzentrieren"?

Ich halte das deutsche System auch für im Ausland kommunizierbar - das Marketingproblem sollte man anders lösen. Sicher ist es eine bemerkenswerte Leistung des Marketings, daß Konsumenten für angereicherte, konzentrierte, mikrooxigenierte, aromatisierte, aufgesäuerte Pansche (Burgunder, Bordeaux), die oft auch noch alles andere als knapp ist (Bordeaux, "Pseudoverknappung" im Burgund) drei- oder inzwischen gar vierstellige Beträge auszugeben bereit sind. Aber das ist m.E. ein Mißstand und kein Vorbild.

Gruß

Andreas
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Charlie
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Re: Neue Regelung für die Mosel gefordert

Beitrag von Charlie »

AH. hat geschrieben: Und Deine Verärgerung über den fränkischen Bacchus Kabinett restsüß mit Lagenagabe kann ich - ehrlich - nicht nachvollziehen. Was hat Dich daran gestört? Entsprach das Getränk nicht den Erwartungen, die das Etikett weckte?
Der Wein hat einerseits dem Etikett entsprochen, es gäbe weder fomal noch geschnacklich etwas zu meckern. Aber wenn man Wein verkauft, verkauft man auch immer eine Landschaft, ein Bild, eine Vorstellung etc. Aber ein fränkischer Boxbeutel hat trocken und vom Silvaner oder Riesling zu sein und nicht wie stiller Asti Spumante zu schmecken.
Mir ist schon bewusst, wie sehr ein solcher Satz gegen Freiheit und Pluralismus verstößt und mir wäre auch ein sich "natürlich" entwickelter Stil lieber als ein gesetzlich vorgeschriebener. Denn der gesetzlich vorgeschriebene würde genau so lange eingehalten werden als er erfolgreich ist. Danach wirds illegal oder man ändert das Gesetzt. Siehe Brunello, Chianti Classico.

Jedenfalls wird man in D seit vielen Jahren das Gefühl nicht los neue Regelungen müssten her. Classic, Charta, Hochgewächs, GGs, EGs, Erste Lagen, "fränkisch trocken" etc. sind doch alles Versuche in diese Richtung. Wenn jetzt noch die EU kommt scheint es die Option "es bleibt wie es ist" nicht mehr zu geben. Wie das alles 8inklusive der aktuellen Vorschläge) dem Winzer, dem Händler, dem Konsumenten und der EU nützten wird, kann ich auch nicht sagen. Soll es aber.
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