Birte, natürlich möchte ich dich nicht nach einem (vielleicht harten) Arbeitstag noch quälen
Auf der Liste sind aber auch Dinge dabei, die beim Menschen unerwünschte Problemchen hervorrufen.
so etwas kann aber leider auch ohne Zusatzstoffe entstehen, rein aus den Traubeninhaltsstoffen zusammen mit einigen natürlich auf den Trauben vorkommenden Mikroorganismen, z.B. Histamin. Da könnten Zusatzstoffe wiederum helfen (wird auch so gemacht), diese unerwünschten Substanzen wieder loszuwerden, wobei die Zusatzstoffe gar nicht im Wein verbleiben.
So einfach ist der Zusammenhang zwischen Zusatzstoffen und unerwünschten Problemchen also leider nicht ...
So einfach ist der Zusammenhang zwischen Zusatzstoffen und unerwünschten Problemchen also leider nicht ...
Das ist mir klar. Ich reagiere zum Beispiel auf keine einzige künstliche Substanz allergisch, aber es gibt natürliche, mit welchen Du mich vergiften kannst, sag ich Dir aber nicht. Jedoch kann ich die natürliche Substanz erkennen, die andere muss deklariert sein. Du kommst mir vor wie ein Naturwissenschaftler, der mir Kernenergie verkaufen will. Ich bin in der besseren Position, ich hatte heute frei.
octopussy hat geschrieben: Nur eins vielleicht: die Grenzen zwischen "handwerklich" und "industriell" sind bei Wein oftmals tatsächlich sehr schwer zu ziehen.
Eigentlich versuche ich die ganze Zeit nichts anderes als das zu sagen. Natürlich gibt es extreme Ausprägungen auf beiden Seiten, die oben erwähnte Großkellerei mit 50 Millionen Flaschen Ausstoß pro Jahr auf der einen Seite und den als Einzelperson mit altem Equipment vor sich hinwerkelnden Handwerker-Winzer mit 2ha Rebfläche auf der anderen. Aber dazwischen gibt es alle möglichen Übergangsformen, Kombinationen, gewissermaßen Graustufen - mittelgroße Produzenten mit industriellen Herstellverfahren, größere Produzenten mit Einsatz von viel Handarbeit etc. Eine Abgrenzung muss da zwangsläufig willkürlich sein; insbesondere in der sehr breit besetzten Mitte.
Unabhängig von diesem Abgrenzungsproblem gehen folgende häufig erstellte Gleichungen für mich aber überhaupt nicht auf:
- große Produzenten produzieren standardisierten Massenwein, kleine Produzenten individuelle und damit höherwertige Produkte;
- der Einsatz industrieller Produktionsverfahren führt zwangsläufig zu gesichtsloser Massenware;
- Produzenten von billiger Massenware arbeiten im Gegensatz zu Produzenten hochwertiger, individueller Weine mit einem höheren Ressourcenverbrauch und verhalten sich grundsätzlich umweltschädlicher als diese; außerdem sind ihre Produkte auch noch häufiger gesundheitsschädlich.
Alle diese Annahmen gehören für mich in den Bereich der romantisierenden Wahrnehmung von Wein und haben mit der Realität nicht viel zu tun.
Ich glaube, Ulli, das versuchen hier einige Leute die ganze Zeit zu sagen bzw. sich mit der romantisierenden Vorstellung des "ehrlichen Landweins"als ökologisch einwandfreie Alternative kritisch auseinander zu setzen.
Irgendwie hab ich den Eindruck, wir rennen hier überwiegend offene Türen ein
lieben Gruß
susa
Red wine with fish. Well, that should have told me something. James Bond in From Russia with Love
susa hat geschrieben:
Irgendwie hab ich den Eindruck, wir rennen hier überwiegend offene Türen ein
Vielleicht - vielleicht aber auch nicht. Zitat aus einem Posting weiter oben:
Ein Acker, ein Weinberg ist kein geschlossenes System, die Form der Produktion auf diesem hat Auswirkungen auf die Umwelt und dass diese vielfach schlecht sind, wissen wir heute. Ich nenne mal als Beispiele Eintrag von Herbizide und Pestizide in das Wasser, Verlust von Humus und Fruchtbarkeit des Bodens im allgemeinen,
Ich bestreite überhaupt nicht, dass es diese Problematik gibt; die Frontlinie verläuft aber nicht zwischen kleinen und großen Produzenten, oder - um die Begriffe noch einmal zu benutzen - zwischen industriellem Weinerzeuger und handwerklichem Winzer, sondern gewissermaßen vertikal zu dieser Einteilung. Ressourcenverbrauch und Umweltschädigung ist nicht fix mit Größe oder grundsätzlicher Produktionsweise korreliert. Da dieser Zusammenhang hier aber schon mehrfach explizit oder implizit aufgebracht wurde, ist mir nicht ganz klar, wie offen die Türen denn tatsächlich sind, die wir einrennen...
UlliB hat geschrieben:
Unabhängig von diesem Abgrenzungsproblem gehen folgende häufig erstellte Gleichungen für mich aber überhaupt nicht auf:
- große Produzenten produzieren standardisierten Massenwein, kleine Produzenten individuelle und damit höherwertige Produkte;
- der Einsatz industrieller Produktionsverfahren führt zwangsläufig zu gesichtsloser Massenware;
- Produzenten von billiger Massenware arbeiten im Gegensatz zu Produzenten hochwertiger, individueller Weine mit einem höheren Ressourcenverbrauch und verhalten sich grundsätzlich umweltschädlicher als diese; außerdem sind ihre Produkte auch noch häufiger gesundheitsschädlich.
Alle diese Annahmen gehören für mich in den Bereich der romantisierenden Wahrnehmung von Wein und haben mit der Realität nicht viel zu tun.
Gruß
Ulli
uneingeschränkte zustimmung.
aus meiner sicht ist die klassifizierung allein in "massenproduzenten" vs. "kleinproduzent" ebenfalls ungeeignet und eben nicht einmal geeignet im hinblick auf die zurecht eingeführte diskussion bzgl. ressourcenschonung und umweltverträglichkeit. noch viel komplizierter wird es allerdings wenn man dann auch noch als weitere definition den qualitätsbegriff mit ins spiel bringt. mal ganz davon abgesehen, dass dieser bei wein doch auch eine extrem subjektive komponente hat, so ist aus meiner sicht die romantische grundannahme, dass sich qualität nur bei den kleinproduzenten, die schlussfolgerung, dass ein kleiner produzent mit hohem anteil "handwerklicher" produktion auch mit hoher ressourcenschonung korreliert ist und das ganze dann auch noch (fast zwangsläufig) zu einer hohen qualität führt, das halte ich für absolut unzulässig und ist tatsächlich eine zutiefst romantisierende vorstellung.
letztendlich bezieht jeder konsument in seine kaufentscheidung sehr verschiedene faktoren mit ein und bewertet selbst, was ihm wie wichtig ist (geschmack, subjektive qualität, manchmal auch nur etikett, preis, (parker)punkte, jahrgang, rebsorte, bio, biodynamisch, kleiner oder großer produzent, passender essensbegleiter, region, ....), es gibt extrem viele.....und es wird dadurch nicht einfacher, dass viele der genannten faktoren durchaus mit einander korreliert sein können, aber eben nicht alle. vermutlich hilft da am besten die mengenleere weiter, in der man sich über teilmengen mit den jeweiligen gewünschten eigenschaften immer mehr nähert.
für mich ist zunächst die subjektiv von mir empfundene qualität und der geschmack bzw. das antizipierte qualitäts- und geschmacksniveau (z.b. über empfehlungen, verkostungsnotizen) entscheidend und das ganze innerhalb der von mir präferierten rebsorten und regionen. als nächstes kriterium kommt der preis ins spiel. und dann gibt es innerhalb dieser teilmenge oft noch immer eine erstaunlich große teilmenge von überwiegend biologisch arbeitenden eher kleinen winzern, die dann meine besondere aufmerksamkeit bekommen. aber auf den kopf stellen würde ich diese entscheidungspyramide nicht....
nach Deiner Definition wäre z.B. die Franz Wilhelm Langguth Erben in Traben Trarbach mit ihrem Ausstoß von 50 Mio. Fl. pro Jahr, die sich auf etwa 10 Marken verteilen, kein Industrieunternehmen und der Wein kein Industrieprodukt. Auch die Rotkäppchen-Kellerei mit über 110 Mio. Fl. Sekt gehörte nicht in diese Kategorie. Was ist es aber dann?
Grüße
Hartmut
Langguth ist eine Kellerei, die hauptsächlich Weine kauft, füllt und vertreibt. Wie Mertes, Reh-Kendermann und all die anderen.
Dass der Wein jedes Jahr gleich schmeckt, als Indiz für Industrieproduktion, ist in der Tat gewünscht, aus meiner Erfahrung heraus allerdings immer noch ein Wunschbild und nicht der Realität entsprechend. Das gibt es eine Art Geschmackskorridor in dem sich diese Weine bewegen, mehr aber auch nicht. Die Geschichte mit der "Chemie" im Wein ist ja zur Genüge kommentiert, "Lysozym" beispielsweise ist keine "Chemie", oder ist Eiweiß neuerdings "Chemie". Aber ich weiss natürlich was umgangssprachlich damit gemeint ist. Es geht um die vielen möglichen Additive.
Mir fällt übrigens gerade wieder ein, wie ich diese Weine früher immer verbal unterschieden habe, dass hatte ich ja ganz vergessen:
also für mich steht deine Entscheidungspyramide so auf dem Kopf.
Dass da unterm Strich oft Weine von kleineren quaitätsorientierten Winzern, seltener welche von inzwischen auch qualitätsorientierteren Genossenschaften und fast nie die Marken der großindustriellen Produktion im Einkaufskorb landen, das ist auch bei mir so.
Das liegt aber nicht daran, dass archaische Produktionsbedingungen gegen Industriehightech stehen. Beispiele , dass auch der kleine Winzer oft Hightech nutzt wurden schon zur Genüge gegeben, hier kann ich auch den Ansatz "Industriewein" nicht herausarbeiten, da bin ich durchaus schon beim Dirk, dass fast alles Industrie ist... Auch Klein gut - Groß schlecht hilft nicht weiter, denn inzwischen wurde auch bei vielen Genossenschaften umgedacht und auf Qualität gesetzt. Und sogar die ganz großen Produzenten können mit dem selben Schlüssel arbeiten wie die Kleinen, Torres z.B. macht das vor - ich würde sogar Miguel Torres als einen der Pioniere in Richtung Nachhaltigkeit bezeichnen, denn er hat sich in Spanien schon um Umweltschutz und Erhalt der Ökosysteme einen Kopf gemacht, als Spanien und Umweltbewußtsein als eher gar nicht zusammenhängend erschienen. Bereits in den frühen 90ern hat er begonnen, sich für den Vogelschutz einzusetzen und damit begonnen, in eine Richtung zu denken, die auch uns sicher bei der Unterscheidung zwischen industrieller Massenproduktion und Qualitätsorientiertheit hilft.
Eines der Schlüsselwörter für mich ist hier: Bewußtsein - ein qualitätsorientiertes und auf Nachhaltigkeit orientiertes Produkt entsteht im Kopf als ein bewußtes und durchdachtes Produkt, hier soll die Erde genutzt, aber erhalten werden, hier geht es um das Gedanken machen um den Erhalt der Ökosysteme - und das kann zwangsläufig, ja muss vielleicht sogar in eine Biologisch orientierte Schiene führen, vielleicht sogar bei vielen als Orientierung hin zur Biodynamik dienen - denn auch der esoterische Faktor des Glaubens (es richtiger zu machen als der die Böden totspritzende Nachbar z.B.) mag eine Rolle spielen, dass es wichtig ist, die Ressourcen schonend und nicht ausbeutend zu nutzen.
Hinzu kommt der Schlüssel "künstlerisches Denken", geht es dem Winzer darum, einen Wein im Sinne eines schöpferischen Prozesses zu machen, haucht er diesem Wein durch Charakter, Authentik, Unverwechselbarkeit quasi Seele ein, dann kann es sein, dass wir genau diesen Wein als groß empfinden, weil dieser Wein zu uns spricht, weil dieser Wein Facetten offenlegt, Tiefe zeigt, Emotionen in uns auslöst, die ähnlich sind wie beim Betrachten anderer Kunstwerke - sie können uns berühren, wenn wir uns auf sie einlassen. Welcher gesichtslose Massenwein könnte das schaffen? Keiner, genauso wenig wie Coca Cola oder Mc. Donalds dies schaffen kann...
Eng verknüpft sehe ich die beiden vorher genannten Schlüsselwörter mit einem dritten: Ehre und Stolz. Auch hier ist der kleine Winzer im Vorteil, denn es ist oft sein bewußt gestaltetes Produkt, welches ihn stolz macht (zunächst als Schöpfer und wenn es als groß erkannt wird - sprich durch die Kritiken der Konsumenten). Der qualitätsorientierte Erzeuger wird immer die Kommunikation mit dem Konsumenten aus den Gründen des Stolzes und der Ehre suchen, es ehrt ihn, dass Trinker seiner Weine davon schwärmen - in Zeitschriften, Blogs, Foren..., ja noch mehr, dass sie eine Wallfahrt zu ihm machen, hunderte Kilometer auf sich nehmen, um seinen Weinberg, seinen Keller zu sehen, etwas über seine Philosophie zu erfahren, die Weine durch den Besuch vor Ort noch besser zu verstehen (aus genau diesem Grunde nehmen sich manche Winzer dafür auch stundenlang Zeit für ihre Besucher). Diese Ehre und der Stolz sind Ergebnis des Schaffens, aber auch Triebfeder des Weitermachens.
Welcher unterbezahlte Leiharbeiter in einer großen Industriehalle einer Großkellerei, die anonyme Trauben und oft sogar den Dreck, den keiner für sich behalten will, zum gesichtslosen Markenwein für die Discounter verarbeitet, hat auch nur den Anflug dieses Stolzes und dieser Ehre bei seiner Arbeit. Wahrscheinlich ist es ihm egal, vielleicht ist er sogar mit Wut im Bauch dabei, weil er merkt, dass er Tag für Tag ausgebeutet wird und dass seine Arbeit ihn nicht glücklich macht und ihn und seine Familie noch nicht mal richtig nährt... Selbst wenn er ken unterbezahlter Leiharbeiter ist, sondern gut entlohnt wird, der Stolz des Schöpfers wird ihn nicht ereilen. Das ist vielleicht grad noch so dem Chefönologen vorbehalten, wenn seinem Wein ein großes Berliner Gold verliehen wurde...
Ein letztes Schlüsselwort, das mir in dem Sinne wichtig erscheint, ist Transparenz. Wer nach zuvorgenannten Prinzipien handelt, kann Transparenz zeigen, denn er hat nichts zu verbergen - weder im Kopf, noch im Weinberg oder im Keller. er kann auch einen Laserscanner nutzen oder andere High Tech, die es ihm erlaubt, das Schaffensprodukt qualitativ zu optimieren. Er kann auch darüber reden, dass er noch nicht immer auf alles verzichten kann, wenn ihm zum Beispiel Rebkrankheiten drohen. Er freut sich mit dir über die Rebhühner und klagt über die Wildschweine, die die Trauben anfressen - aber er will weder auf seine Rebhühner noch auf die Wildschweine verzichten, indem er sie ausrottet. Es kann auch sein, dass er Trauben, die seinem Qualitätsideal nicht entsprechen, (weil der Jahrgang eben so war, wie er war, er aber deshalb strenger selektieren musste) an einen Agenten verkauft, der daraus einen Wein für einen Discounter macht. Er wird daraus auch keinen Hehl machen, denn auch er braucht dieses Geld - aber es ginge gegen seine Ehre, aus diesen minderwertigen Trauben einen Wein unter seinem Namen abzufüllen.
Sicher könnte ich hier einen ganzen Aufsatz oder ein halbes Buch drüber schreiben, aber es soll bei ein paar in die Diskussion eingeworfenen Gedankengängen bleiben, die verdeutlichen, was für mich einen Industriewein charakterisiert und wo für mich Schlüssel zur Qualität sind. Es sind Gedanken nach hunderten von Winzerbesuchen in den letzten 20 Jahren und den Erfahrungen daraus, aber auch aus dem Nachdenken über all die großen und auch die miesen Weine, die ich in all den Jahren im Glas hatte.
torsten, das sind durchaus sehr hohe und ernsthafte ansprüche, aber diese jedesmal an eine kaufentscheidung oder auch nur nähere beschäftigung mit dem jeweiligem wein anlegen zu wollen ist nicht mein anspruch. m.e. wird wein damit schnell überladen.
im mittelpunkt steht für mich letztendlich das produkt, das ich erwerbe.
ja, auch ich interessiere mich bei vielen weinen dann auch für den winzer, seinen hintergrund, seine methoden, seinen anspruch, sein bewußtsein, aber ich sage auch ganz klar, dass mir ein für meinen geschmack wohlschmeckender, interessanter wein, prodzuiert von einem winzer, der diese ansprüche an sich nicht anlegt und zudem vielleicht auch noch ein furchtbarer unsympath ist, dann doch lieber ist als ein wein von einem mit anspruch gesegnetem idealisten, der nix taugt.