Grundsätzlich einverstanden, ich bin auch für stilistische Vielfalt zu haben, aber in Maßen. Wenn ich wüsste oder jedenfalls ganz optimistisch wäre, dass Clinet 2015 in 25 Jahren so schmeckt wie Clinet 1989 jetzt, dann würde ich den auch kaufen. Allein, mir fehlt der Glaube daran. Angesichts der allgemeinen Modernisierungstendenzen im Bordelais, bin ich bei denen mit viel Alkohol und einer als modern beschriebenen Machart etwas vorsichtig und setze entweder auf sehr günstige Weine vom rechten Ufer oder Blue Chips vom linken Ufer.Trinkfreude hat geschrieben:Ich weiß ja nicht, wie andere da unterwegs sind - ich für meinen Teil möchte mich eigentlich nicht auf nur eine bestimmte Stilistik beschränken. Um mal beispielhaft in Pomerol zu bleiben - es gibt eben mal Clinet-Tage und mal Gazin-Tage, mal habe ich Lust auf die eine Stilistik, mal auf die andere. Mir ist wichtig, dass ein Wein innerhalb seiner Stilrichtung gut gemacht ist, mit seiner (stilspezifischen) Balance, ohne Exzesse. Und dafür wiederum können bei Weinen, mit denen man selbst noch nicht viel Erfahrung hat, die Punkte eines Verkosters, der die Stilistik klar verbal beschreibt, ein guter Anhaltspunkt sein.
Auch wenn ich nicht täglich Lust drauf hätte - Clinet würde ich nach meinen wenigen bisherigen Erfahrungen (89, 08, 12) attestieren, dass er innerhalb seiner reifeorientierten, hedonistischen Machart sehr gut gemacht ist.
Bordeaux 2015
- octopussy
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Re: Bordeaux 2015
Beste Grüße, Stephan
Re: Bordeaux 2015
Hallo Stephan
Gruss Thomas
In dieser Zeit hat sich der Stil bedingt durch die Machart sicher geändert, aber ist das nicht bei fast allen Gütern der Fall? Ich wage mal zu behaupten, dass ich selbst bei nicht gefallen in 20 Jahren, einen Clinet 2015 mal gut verkaufen kann und mich durchaus über den bezahlten Preis von CHF 80.- nicht ärgern werde...und ich finde die Beschriebe der Kritiker klingen zwar nach moderner Art, es wird aber immer wieder darauf hingewiesen dass es keinesfalls "over done" ist...dann hätte ich nämlich auch Mühe. Da ich den 15er ja selber schon probiert habe und er mir gefallen hat bereue ich den Kauf auch nicht.octopussy hat geschrieben:Wenn ich wüsste oder jedenfalls ganz optimistisch wäre, dass Clinet 2015 in 25 Jahren so schmeckt wie Clinet 1989 jetzt, dann würde ich den auch kaufen. Allein, mir fehlt der Glaube daran. Angesichts der allgemeinen Modernisierungstendenzen im Bordelais, bin ich bei denen mit viel Alkohol und einer als modern beschriebenen Machart etwas vorsichtig und setze entweder auf sehr günstige Weine vom rechten Ufer oder Blue Chips vom linken Ufer.

Gruss Thomas
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Re: Bordeaux 2015
Genau, das ist die entscheidende Aussage, die sich eben so oder sinngemäß auch bei Verkostern findet, die den Stil von Clinet nicht so sehr schätzen. In 09 und 10 klang das noch etwas anders, da habe ich die Finger weg gelassen, weil ich den Eindruck hatte, das könnte too much sein.Tomschki hat geschrieben:es wird aber immer wieder darauf hingewiesen dass es keinesfalls "over done" ist...
Re: Bordeaux 2015
Die eine Frage ist, was ich stilistisch toleriere. Um es mal so zu sagen: wenn mir einer ein Glas Clinet hinstellt, wird man mich nicht dazu zwingen müssen, das auch auszutrinken - und mit einer durchaus hohen Wahrscheinlichkeit würde ich das auch mit einigem Genuss tun. Es gibt wenige Bordeaux, die ich wirklich überhaupt nicht mag (aber ein paar sind es schon).Trinkfreude hat geschrieben:Ich weiß ja nicht, wie andere da unterwegs sind - ich für meinen Teil möchte mich eigentlich nicht auf nur eine bestimmte Stilistik beschränken.UlliB hat geschrieben:es ist verblüffend, wie wenig Stilfragen beim Kaufverhalten eine Rolle zu spielen scheinen, und wie sehr die Bepunktungen dieses dominieren
Eine ganz andere Frage ist es aber, für was ich mein Geld ausgebe - und im Fall von Clinet wäre es dann auch noch ein Schweinegeld, denn wir sollten hier nicht die Maßstäbe verlieren: über 80 Euro für eine Flasche Wein ist ein Schweinegeld. In meinem Kommentar oben ging es um das Kaufverhalten, und hier müssen bei begrenzten Mitteln Prioritäten gesetzt werden. Für mich bedeutet das: ich fahre mit ziemlicher Sicherheit mit Rauzan Segla besser als mit Clinet, ganz egal, ob der Clinet nun im Durchschnitt und unter Berücksichtigung der Inter-Verkoster-Variabilität statistisch signifikant mit p=0,05

Ja, ganz sicher, irgendwie muss man ja anfangen, und ganz genau so habe ich auch angefangen und bin damit insgesamt gut gefahren. Ich denke nur, dass man sich irgendwann einmal davon emanzipieren sollte, weil man dann weiß, was einem liegt und was nicht - völlig unabhängig von Punkten.[...] bei Weinen, mit denen man selbst noch nicht viel Erfahrung hat, [können] die Punkte eines Verkosters, der die Stilistik klar verbal beschreibt, ein guter Anhaltspunkt sein.
Gruß
Ulli
Re: Bordeaux 2015
Haut-Bailly ist sicher einer der Winner der Kampagne, bei meinem Querschnitt durch alle Verkoster die ich finden konnte kam ich auf 96.5 P. Das ist genauso gut im Schnitt wie Canon mit ebenfalls 96.5 P, aber der Preis ist schon höher ausgefallen als erwartet, vor allem wenn man es mit den frühen Releases wie Pape Clement, Rauzan Segla und SHL vergleicht. Trotzdem scheint der Wein bei einigen Händlern schon vergriffen zu sein.
Hier noch ein Vergleich mit den aktuellen Preisen früherer Jahrgänge:
2005 Chateau Haut-Bailly, Pessac-Leognan, France = 110 Eur -> 96 Parker / 94 WS
2008 Chateau Haut-Bailly, Pessac-Leognan, France = 67 Eur -> 96 Parker / 92 WS
2015 Chateau Haut-Bailly, Pessac-Leognan, France = 92 Eur -> 95-97 Neil Martin / 96.5P Ø
Hier noch ein Vergleich mit den aktuellen Preisen früherer Jahrgänge:
2005 Chateau Haut-Bailly, Pessac-Leognan, France = 110 Eur -> 96 Parker / 94 WS
2008 Chateau Haut-Bailly, Pessac-Leognan, France = 67 Eur -> 96 Parker / 92 WS
2015 Chateau Haut-Bailly, Pessac-Leognan, France = 92 Eur -> 95-97 Neil Martin / 96.5P Ø
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Re: Bordeaux 2015
Absolut! Ich denke, die meisten haben nach ein paar Jahren ihr "Standardprogramm" von Chateaux, die ihnen liegen, und kaufen diese unabhängig von irgendwelchen Bewertungen regelmäßig wieder. Nur ist es eben auch spannend, was sich bei anderen Erzeugern so tut, die man nicht eh schon kauft, und die kann man beim besten Willen nicht alle selbst trinkenderweise kennenlernen. Da hilft's schon, wenn man mal nachlesen kann. (Wobei Text über Zahlen geht.)UlliB hat geschrieben:Ich denke nur, dass man sich irgendwann einmal davon emanzipieren sollte, weil man dann weiß, was einem liegt und was nicht - völlig unabhängig von Punkten.
In anderen Worten: Du fährst am besten, wenn Du Dein Budget komplett auf den Rauzan setzt, weil Du den Clinet nur, wie Du so schön sagst, "tolerierst". Und ich fahre am besten, wenn ich 2/3 für Rauzan ausgebe und 1/3 für Clinet, weil ich tatsächlich beide gleichermaßen genieße, auch wenn es stilistisch zwei völlig verschiedene Paar Schuhe sind. Soll's tatsächlich geben, sowas!UlliB hat geschrieben:In meinem Kommentar oben ging es um das Kaufverhalten, und hier müssen bei begrenzten Mitteln Prioritäten gesetzt werden. Für mich bedeutet das: ich fahre mit ziemlicher Sicherheit mit Rauzan Segla besser als mit Clinet

- octopussy
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Re: Bordeaux 2015
Interessant, ich lese die Notizen vom Clinet 2015 ganz anders. Was bei mir hängen bleibt (die No-Go Wörter in fett markiert), ist:Trinkfreude hat geschrieben:Genau, das ist die entscheidende Aussage, die sich eben so oder sinngemäß auch bei Verkostern findet, die den Stil von Clinet nicht so sehr schätzen. In 09 und 10 klang das noch etwas anders, da habe ich die Finger weg gelassen, weil ich den Eindruck hatte, das könnte too much sein.Tomschki hat geschrieben:es wird aber immer wieder darauf hingewiesen dass es keinesfalls "over done" ist...
Suckling: "really dense and rich"
Galloni: "Powerful, unctuous and inky to the core, the 2015 exudes richness. There is nothing subtle at all in this full-throttle, towering Pomerol."
Martin mit einer ganz und gar anderen Notiz als alle anderen, aber will ich mich auf eine Einzelmeinung verlassen?
Gabriel: "Extrakt hat leicht mehlige Konturen"
Molesworth: "A hedonistic wine in the making."
Robinson: "Not my style but a very good example of the super-concentrated style."
Level: "Voluptuous in texture, this is hedonism at its best."
Anhand dieser Notizen weiß ich, dass ich von dem Wein sicher gerne mal ein Glas trinke (so wie Ulli), ihn aber keinesfalls kaufen werde. Für mich ist Bordeaux (wie die meisten anderen Weine auch) ein Wein, den ich zum Essen trinke. Diesbezüglich klingt der Wein für mich zu üppig. Aber zum Glück unterscheiden sich Geschmäcker und wer den Stil mag, kriegt hier sicher was sehr Gutes zum fairen Preis.
Beste Grüße, Stephan
- octopussy
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Re: Bordeaux 2015
Nochmal was anderes: @harti. Hast du Latour Martillac probiert und wie fandst du den?
Beste Grüße, Stephan
Re: Bordeaux 2015
Tja, manch einer ist promiskuitiv unterwegs und andere nicht...Trinkfreude hat geschrieben: Soll's tatsächlich geben, sowas!

Ne, im Ernst, Geschmäcker sind verschieden, und auch ich freue mich, wenn ich mal etwas anderes ins Glas bekomme als meine "Normalpräferenzen". Und manchmal gibt es ja auch tatsächlich stilistische Veränderungen in einer Richtung, die mir gefällt. Ich bin z.B. ernsthaft versucht, versuchsweise mal ein paar Flaschen Pape Clement zu ordern - der steht eigentlich ziemlich weit oben auf meiner persönlichen shit list, weshalb ich in den letzten Jahren einen Riesenbogen darum gemacht habe, aber die Notizen der Profis in diesem Jahr deuten ziemlich einhellig auf eine Stilveränderung in einer Richtung, die mir sehr gut gefallen sollte. Mal schauen, erst einmal warte ich noch ab, ob Ducru und Montrose tatsächlich so schrecklich teuer werden, wie ich es jetzt erwarte. Das Kampagnenfinale ist nah...
Gruß
Ulli
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Re: Bordeaux 2015
@octopussy: Gebe Dir recht, deine hervorgehobenen Passagen deuten klar in eine Richtung. Andererseits schreibt dann wieder einer wie Tim Atkin, der nun wirklich nicht im Verdacht steht, fetten extrahierten Kram zu mögen: "Picked comparatively early, this is correspondingly fresh and well balanced with floral, violet-scented aromas, lots of plush bramble, plum and blackberry fruit, nuanced tannins and a fresh, minerally finish. " Und Matthew Jukes - auch Brite, schreibt: "it never oversteps the mark, wisely deciding to remain perfectly balanced. The finish is very long and fine"Also mich hat's jedenfalls neugierig gemacht, und wenn es sowas wie eine dichtere Version des 12ers ist, dann wird es für die paar Flaschen irgendwann in den nächsten 20 Jahren schon den passenden Kaminabend geben
Als Wein zum Essen sehe ich ihn auch nicht, insofern stimme ich Dir schon zu. Für den Zweck gibt's auch bei mir andere Weine in größerer Stückzahl.
