Bordeaux 2015

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Benutzeravatar
harti
Beiträge: 2593
Registriert: Mo 9. Aug 2010, 15:49
Wohnort: Deutschland

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von harti »

octopussy hat geschrieben:
Trinkfreude hat geschrieben:
octopussy hat geschrieben:Jancis Robinson jetzt mit Graves und Pessac-Léognan.
Hi Stephan,
vielen Dank! Wie findet sie denn Carmes Haut Brion?
Übrigens ist auch Leve mit den gleichen Appellationen gerade live gegangen: https://t.co/V94R9GpB3P
VG Jürgen
Fand sie eher mäßig, die 16 Punkte kommen mir bei der Textbeschreibung noch gnädig vor: "A Stéphane Derenoncourt wine. Dark crimson. Sweet and thick. Not really enough lift and drive. Not obviously a Graves. Too heavy."
Hallo Jürgen,

Les Carmes habe ich zweimal probiert und bin wie jedes Jahr zu dem Ergebnis gekommen, dass das Château nicht zu meinen Favoriten gehört, aber nachvollziehen kann, dass die Amis auf diese Stilistik abfahren:

wie immer Likör, kräftige Extraktion, interessanter Wein, gute Länge, spürbarer Alkohol (Verkostung beim Negociant)

Maulbeere, leicht süß(e Nase), stark holzgeprägt, kräftig extrahiert, gute Struktur, schwierig zu beurteilen (UGC)

Grüße

Hartmut
Ollie
Beiträge: 2233
Registriert: Mo 6. Jun 2011, 12:54

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Ollie »

Witzig, uebrigens, dass ausgerechnet Derenoncourt diesen Wein macht - wo doch er als der beratende Oenologe gesehen wird, der a) Bordeaux verstanden und b) vor Parker gerettet hat.

So kann man Rollands Ausbruch neulich vielleicht besser nachvollziehen.

:mrgreen:

Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.

Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.

"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von octopussy »

Ollie hat geschrieben:Witzig, uebrigens, dass ausgerechnet Derenoncourt diesen Wein macht - wo doch er als der beratende Oenologe gesehen wird, der a) Bordeaux verstanden und b) vor Parker gerettet hat.

So kann man Rollands Ausbruch neulich vielleicht besser nachvollziehen.

:mrgreen:
Huch? Wurde Derenoncourt wirklich als beratender Önologe mit so einem Ruf angesehen? Ich habe Derenoncourt immer mit (Achtung: Übertreibung) glossy Langeweiler-Weinen à la von Neipperg assoziiert. Nach meinem Verständnis war der "Bordeaux-Versteher" beratende Önologe immer Boissenot?

Harti bin ich extrem dankbar für seine Einschübe. Auf mich wirken die teils erheblichen Disparitäten zwischen z.B. Jeff Leve und James Suckling auf der einen Seite (die US-Seite repräsentierend) und Jancis Robinson/Farr Vintners/harti auf der anderen Seite (den britischen bzw. deutschen Geschmack repräsentierend) schon so, dass jetzt, wo Parker nicht mehr verkostet, echte Stilfragen wieder deutlich mehr Gewicht erlangen. Ich finde das großartig und bin ganz klar auf der britisch-deutschen Seite.
Beste Grüße, Stephan
Trinkfreude
Beiträge: 349
Registriert: Mi 19. Jan 2011, 21:49
Wohnort: München

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Trinkfreude »

Also was bei mir von den bisher getrunkenen Derenoncourt-Weinen hängen geblieben ist, war in etwa:
  • - Man hat schon immer erkannt, dass da gewissenhaft gearbeitet wird und das Traubenmaterial makellos war
    - Allerdings ist die Vinifikation immer sehr ambitioniert, oft auch zu sehr
    - Für meinen Geschmack ist dadurch in der Regel die Struktur überbetont im Vergleich zur Frucht - das betrifft eigentlich immer die Gerbstoffstruktur und bei vielen Weinen (Pavie Macquin) auch die Säurestruktur
    - Dadurch vermisse ich an den Weinen meist den Charme und den guten Trinkfluss - das geht mir nicht nur bei seinen Bordeaux-Weinen so, sondern auch z. B. bei Alonso del Yerro (Ribera del Duero), wo er mitmischt
Stephan, da Du gerade Neipperg angesprochen hast - ich glaube, diese Parallele passt nicht so ganz: Ich habe da zwei Weine aus 1998 in lebhafter Erinnerung, die das schön illustrieren. Ich habe über lange Jahre mit großem Genuß den Clos de l'Oratoire von Neipperg getrunken. Der war früh offen, hatte aber ein sehr langes Trinkfenster, in dem er sein Niveau absolut gehalten hat. (Ähnlich übrigens wie Rollands Bon Pasteur.) Pavie Mac dagegen war sehr lange ziemlich sperrig, inzwischen hat sich die feste Struktur etwas gelöst, aber in der Mitte fehlt mir da inzwischen etwas Fleisch.
Benutzeravatar
UlliB
Beiträge: 4959
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:27

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von UlliB »

octopussy hat geschrieben: Auf mich wirken die teils erheblichen Disparitäten zwischen z.B. Jeff Leve und James Suckling auf der einen Seite (die US-Seite repräsentierend) und Jancis Robinson/Farr Vintners/harti auf der anderen Seite (den britischen bzw. deutschen Geschmack repräsentierend) schon so, dass jetzt, wo Parker nicht mehr verkostet, echte Stilfragen wieder deutlich mehr Gewicht erlangen. Ich finde das großartig und bin ganz klar auf der britisch-deutschen Seite.
Stephan,

mag sein, dass es in der britischen Weinkritik eine andere präferierte Stilistik gibt als in der amerikanischen. Ob es aber tatsächlich eine auch nur einigermaßen homogene deutsche Sichtweise gibt, wage ich doch sehr zu bezweifeln.

Professionelle deutsche Kritiker, die Bordeaux bewerten und dabei auch nur ein wenig Reichweite haben, gibt es nicht. Gabriel und Bichsel sind beide Schweizer.

Und was deutsche Rotweinkonsumenten betrifft, kenne ich genügend durchaus qualifiziert verkostende Leute, die einen wuchtigen Stil ganz eindeutig gegenüber der kühl-schlanken "klassischen" (britischen?) Bordeaux-Stilitik bevorzugen und mit dieser gar nix anfangen können. Der enorme Boom, den zumindest eine zeitlang spanische Weine auf dem deutschen Markt gehabt haben und den jetzt einige Süditaliener haben, lässt sich auch nicht anders erklären. Ich glaube nicht an eine generelle stilistische Präferenz in D, von momentanen Generaltendenzen (Stichwort: Mode) mal abgesehen.

Ach ja, noch am Rande: Stilfragen haben zumindest für die Bordeaux-Käufer, die nicht ausschließlich nach Punkten kaufen und sich deshalb dieses Jahr diese hochbewerteten Weine und nächstes Jahr ganz andere hochbewertete Weine in den Keller packen, schon immer eine Rolle gespielt, das war vor 30 Jahren auch nicht anders als heute.

Gruß
Ulli
Trinkfreude
Beiträge: 349
Registriert: Mi 19. Jan 2011, 21:49
Wohnort: München

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Trinkfreude »

harti hat geschrieben:wie immer Likör, kräftige Extraktion, interessanter Wein, gute Länge, spürbarer Alkohol (Verkostung beim Negociant)
Maulbeere, leicht süß(e Nase), stark holzgeprägt, kräftig extrahiert, gute Struktur, schwierig zu beurteilen (UGC)
Hallo Hartmut,
vielen Dank - damit hast Du genau meine implizit gestellte Frage beantwortet. Mit eher hoher Reife und einem üppigen Stil komme ich je nach Tagesform durchaus gut klar, aber die Stichworte "spürbarer Alkohol", "stark holzgeprägt" und "kräftig extrahiert" lassen mich dann doch vorsichtig werden. Dann vielleicht doch eher wieder der Chevalier...
VG Jürgen
Benutzeravatar
innauen
Beiträge: 3507
Registriert: Mi 3. Nov 2010, 11:33
Wohnort: Berlin

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von innauen »

Hallo,

irgendwie süß die Kampagne. Eigentlich ist immer alles wie immer. Vor dem 1. Mai kommen erstmal eine ganze Reihe kleiner Weine (Senejac, MHL, Paloumey, Charmail) sowie die Moueix Weine. Man denkt immer: Jeden Tag KÖNNTE es losgehen. Aber bis auf seltene Ausnahmen (2008 der Paukenschlag von Angelus) wird man nur wieder Tag für Tag vertröstet. Das macht auch Sinn. Das Nego-System kann nur eine Handvoll Weine pro Tag am Markt platzieren.

Und Freitag? Freitag kommt immer so gut wie gar nichts. Freitag ist der erste Tag vom Wochenende :mrgreen:

Grüße,

wolf
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von octopussy »

innauen hat geschrieben:Aber bis auf seltene Ausnahmen (2008 der Paukenschlag von Angelus) wird man nur wieder Tag für Tag vertröstet. Das macht auch Sinn. Das Nego-System kann nur eine Handvoll Weine pro Tag am Markt platzieren.
Ich vermute mal, dass bis übernächste Woche nicht viel passiert. Erst nächsten Freitag kommen die Neal Martin Notizen und ich vermute mal, dass die noch abgewartet werden. Übernächste Woche geht dann natürlich auch nicht wahnsinnig viel wegen Feiertag und Brückentag, aber ein paar Testballons werden vielleicht fliegen gelassen.

Preislich bin ich übrigens mittlerweile halbwegs optimistisch. Im Mittel tippe ich auf +15% im Vergleich zu 2014. Ich vermute, dass jetzt mal ein bisschen Cash in die Kassen fließen soll und die Preise deshalb nicht überreizt werden sollen.
Beste Grüße, Stephan
Ollie
Beiträge: 2233
Registriert: Mo 6. Jun 2011, 12:54

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Ollie »

Ah, ok, vielleicht habe ich auch die Wahrnehmung von Derenoncourt falsch im Kopf. -

Noch ein Hinweis zum "britischen Stil" usw (Achtung, es folgt eine rein persoenlich Wahrnehmung): Farr schreibt ja gerne von "Englishman's clarets", also von durch Saeure und Tannin strukturierte Rotweine, deren Aromatik und Geschmack weniger auf der Frucht als auf der savoury Seite von Zedernholz, Tabak, Leder usw. ist- auf neudeutsch "oldschool" also.

Zur Illustration die Beschreibung eines 2010er Potensac:

Well structured, Englishman's claret. Classic balance and bright acidity from this Northern Medoc property owned by Leoville Lascases. This has a smoky nose with hints of candied black fruit. On the palate there is plenty of density with some firm tannins to match. Quite austere and finely tuned. This is really proper claret with balance and structure.

Das Leitmotiv des "proper claret" ist uebrigens auch 2015 vorhanden, wenn auch nicht oft mit diesen Worten. (In unreifen klassischen Jahren liest man das oefters.) Diese Jahr gibt dann eben "classic Medocain tannins" ;)

Dazu kommt, dass Englaender ihre clarets sehr gut abgehangen trinken, also mit deutlich entwickelter Aromatik als z.B. die Franzosen. Letztere neigen uebrigens zu einem deutlich parkerisierterem Geschmacksbild, und ich meine nicht nur den Konsumenten, sondern gerade auch die Kritiker. Bettane und Quarin wissen ausgereifte Trauben (und die damit einhergehende fine trame) durchaus zu schaetzen - sie haben's nur nicht so sehr mit der labbrigen Frucht. Der (angebliche!) Parker-US-Geschmack ist also mehr auf die fuer den franzoesischen Gaumen fehlende Struktur abgestellt.

Dass die Deutschen gerne Parker trinken, bedarf keiner weiteren Erlaeuterung. Einfach mal modernen Spaetburgunder verkosten. :mrgreen:

Sorry fuer das off-topic & Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.

Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.

"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
Ollie
Beiträge: 2233
Registriert: Mo 6. Jun 2011, 12:54

Re: Bordeaux 2015

Beitrag von Ollie »

octopussy hat geschrieben:Im Mittel tippe ich auf +15% im Vergleich zu 2014.
Na, bei den "gelungenen" Weinen erwarte ich eher in der Ecke 2009 minus 15% (und dieser Diskont wird nur zaehneknirschend gewaehrt.)

Alle anderen sollten :lol: sich aber tunlichst zurueckhalten. Die Waehrungen der wichtigsten Absatzlaender sind im Vergleich zu letztem Jahr etwas gesunken: USD (-5%), GBP (-8%) und CNY (-10%). OK, mit etwas Volatilitaet isses vielleicht etwas weniger, dafuer geht's den Chinesen wirtschaftlich nicht so toll - und den Amis und Briten nicht soviel besser, als dass sie das Loch stopfen koennten.

Bleiben also nur die Euroinlaender, also: wir. Hier. In diesem Forum. :lol: Uns waren die 2014er schon zu teuer, und so superviel hoehere Punkte hat's 2015 halt nicht gegeben, vom Konsumklima mal abgesehen. Andererseits: Das Geld nicht auszugeben, bringt Verluste. Ich kaufe mir doch lieber ein "neues Haus mit Weinkeller(tm)", als jetzt in Wein zu investieren, den ich in 5 Jahren genausoteuer bekomme. Oder glaubt noch wer an das en-primeur-System?

Vielleicht sollten die Chateaux mal Geld in die Hand nehmen und in das Vetriebskonzept investieren, statt die Divendenausschuettung der Versicherungsmutter zu finanzieren. Sonst ist en-primeur naemlich doad.

Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.

Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.

"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
Antworten

Zurück zu „Bordeaux und Umgebung“