Medaille gegen Geld?

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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TLW
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Medaille gegen Geld?

Beitrag von TLW »

Habe heute die Pressemitteilung zum "Internationalen Bioweinpreis" gesichtet und musste lachen: da haben von den 923 eingereichten Bioweinen 815 eine Medaille bekommen und weitere 62 eine Empfehlung - d.h. nur 46 Weine haben eine Niete gezogen... Ebenfalls witzig ist die dreistufige Preisgestaltung: Großes Gold, Gold und Silber...Bronze gibts gar nicht.
Nun ist es ja bekannt, dass die Teilnahme an solchen Wettbewerben i.d.R.Geld kostet und es daher womöglich ein "Entgegenkommen" seitens der Veranstalter*innen gibt. Aber irgendwie wird das Ganze dadurch doch zu einer Quatschnummer, oder?
“Im Wein, da liegt Wahrheit, hat a Dichter mal g’sagt. Seitdem ist bei mir drum die Wahrheit stets g’fragt.” (Hermann Lahm)
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thvins
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Re: Medaille gegen Geld?

Beitrag von thvins »

Das könnte man sicher vermuten, aber wichtig wäre auch zu wissen, um was für Weine es da so ging. Es gibt durchaus inzwischen viele Weine auf sehr hohem Niveau, wo man nicht einfach abwerten kann. Dann ist es so, wie es ist. Es wird an vielen Stellen inzwischen viel auf Qualität geschaut und wenig wirklicher Mist verzapft.

Bewegen wir uns bei den angestellten Weinen aber auf unterstem Supermarkt- / Discounterniveau, wo es reicht, dass die Weine inzwischen sensorisch fehlerfrei sind, dann wäre das natürlich Nonsens....

Wir dürfen nicht vergessen, dass wir hier Lesenden und Schreibenden oft ganz weit oben anfangen. Wir haben keine 50 Punkte Spanne mehr für uns, wir bewegen uns tatsächlich in engen Grenzen, weil wir ohnehin für unsere Nase und unseren Gaumen eine ganz hohe Schwelle gebaut haben. Und das ist auch nicht elitär oder snobistisch, dass sind Lebensqualitätsanforderungen an ein viel zu kurzes und oft auch hartes Leben - wir wollen uns was Gutes gönnen, so lang wir können, eben auch in diesem Bereich des Genusses, wo so hart gewettbewerbt wird wie nirgends anders im Genusssektor.

Der normale Weintrinker (und das ist der weitaus größere Teil, ich vermute weit über 90%), der weder in Foren liest noch in FB-Gruppen unterwegs ist, für den aber solche Medaillen gemacht sind, der ist auch oft ein viel niedrigeren Niveau gewöhnt. Ich merke das immer wieder, wenn ein solcher "Weinlaie" einen der untersten Weine meines Segments trinkt und dann meint, er hätte noch nie oder ganz selten so was Gutes getrunken. Und ich dann innerlich grinsen muss, weil ich weiß, das ist in minem Angebot die unterste Schiene. Aber die fängt eben auch schon höher an als etliche Weine mit "Berliner Weintrophy - Gold"...

Wer wissen will, wie Weine sind, die unter 80 Punkten landen, der wird sich zwangläufig mal wieder auf unterem Preisniveau der Discounter durchtesten müssen. Und auch die Discounter reizen heutzutage nicht mehr das Spektrum zwischen 50 und 80 Punkten voll aus. Ich vermute mal, da gibt es öfter Ausreißer, die über 80 Punkten liegen als welche zwischen 50 und 70 Punkten... Testen möcht ichs nicht... Aber nur, weil ich einfach keine Zeit und Leberkapazitäten mehr für so was habe. Dazu gibt es viel zu viel wirklich guten Wein inzwischen.
Beste Grüße

Torsten

http://www.torsten-hammer-priorat-guide.com
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TLW
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Re: Medaille gegen Geld?

Beitrag von TLW »

Klar, hast Du sicher Recht. Wollte auch nicht in Abrede stellen, dass es sich bei den prämierten Weinen nicht durchaus um trinkbare Exemplare handelt. Ein vielfach prämiertes Weingut kenne ich auch und weiß, dass die sich Mühe geben. Wenn ich Winzer wäre und teilnehmen wollte, würde ich natürlich auch die Weine einsenden, von denen ich überzeugt bin.
Aber trotzdem: So, wie das offensichtlich abläuft, handelt es sich m. E. um eine simple Dienstleistung. Und ich glaube, vielen sog. "Endverbraucher*innen" ist nicht so ganz klar, wie das abläuft...

Im Übrigen trinke ich sehr gerne "feine Tropfen", beschränke mich aber nicht darauf. Ich finde (da gehöre ich in diesem Forum wahrscheinlich zu einer Minderheit), es gibt durchaus für einige Gelegenheiten sehr angenehme Trinkweine für rund 5 Euro, manchmal auch aus dem Supermarkt....
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MichaelWagner
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Re: Medaille gegen Geld?

Beitrag von MichaelWagner »

Moin,

man kann über den Sinn & Unsinn von Weinbewertungen/Wettbewerben sicherlich streiten.

Man muss auch innerhalb der mittlerweile unüberschaubaren Anzahl an Weinwettbewerben differenzieren. Es gibt durchaus auch Wettbewerbe in denen bevor es an die Verteilung der Medaillen geht erstmal die oberen 15% aller Anstellungen selektiert werden und dann nur noch unter diesen Weinen eine zweite Einteilung nach Großes Gold, Gold etcpp statt findet.

Dann gibt es Wettbewerbe/Weinführer bei denen blind verkostet wird und bei anderen eben nicht...und die Ergebnisse der nicht-blinden Verkostungen sind fast jedes Jahr identisch ;)

Bezahlt werden muss überall. Es entstehen ja nunmal auch Kosten für die Ausrichter. Die Frage ist dann noch wie hoch sind die Kosten pro Anstellung. Wenn man nur 1000 Flaschen oder weniger von einem Wein macht sind 200-300 Euro pro Wein an Gebühren etwas happig und man sucht sich vielleicht einen anderen Wettbewerb, denn wie Torsten schon richtig sagte: 90% reicht irgendein "Medaillen-Bapperl" als Kaufreiz aus.

Ja und dann gibts noch die Bapperl die selbst kreiiert werden oder Empfehlungen von Weinexperten, die es garnicht gibt :D

Und last but not least gibts in Berlin noch so nen Wettbewerb in denen Supermarktweine völlig überbewertet werden :lol:

Und im Supermarkt verschwendest Du 30% Spanne für den Supermarkt, die beim Winzer/Fachhändler echt besser investiert sind (Plus da kannst Du probieren und brauchst kein Bapperl für die Kaufentscheidung).

Bei 5,- Euro Supermarkt abzgl MWst & abzgl Spanne muss der Winzer für ca 2,50 liefern. Macht kein Spass und daher kommt qualitativ meist nix bei rum. Warum auch...daher gibts größtenteils in diesem Segment Genossen und Kellereiware. Ist nicht abwertend gemeint, aber eben nicht vergleichbar.

Gruß, Michael
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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