Interessante Reportage über den - im Vergleich zu anderen Weinbauregionen - noch relativ unkritischen Einsatz von Pestiziden im Médoc - mit "Kollateralschäden" nicht nur für die Umwelt, sondern auch die Menschen
http://derstandard.at/2000006854274/Wei ... -Pestizide
Sicherlich ein bisschen reißerisch geschrieben, aber vermutlich nicht völlig aus der Luft gegriffen. Zumindest hat man Ähnliches immer wieder an anderer Stelle gehört ...
Grüße,
Gerald
Pestizideinsatz im Médoc
- Gerald
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Re: Pestizideinsatz im Médoc
Wobei bei genauerer Betrachtung schon der Eindruck entsteht, dass hier schon ein bisschen sehr salopp mit Fakten umgegangen wird, z.B.
Die gefäßerweiternde Wirkung organischer Nitrate wurde seinerzeit in Fabriken für Glycerintrinitrat ("Nitroglyzerin") entdeckt. Trinitrotoluol klingt ähnlich, die Nitrogruppe ist chemisch aber völlig anders gebunden und die Substanz hat keine derartige Wirkung (dafür genügend andere gesundheitsgefährdende).
http://www.atsdr.cdc.gov/toxprofiles/tp81.pdf
Vielleicht nur ein Randthema, aber schon ein Hinweis, dass die Recherche für den Artikel vielleicht nicht mit maximaler Sorgfalt vorgenommen wurde ...
Grüße,
Gerald
Damals wurde dort Trinitrotoluol (TNT) hergestellt: "Am Wochenende litten die Techniker stets unter Krämpfen im Brustkorb, Angina Pectoris, die während der Arbeitswoche verschwanden. Wir haben lange gesucht. Klar, sie vergifteten sich fünf Tage lang, und am Sonntag hatten sie Entzugserscheinungen. Trinitrin wirkt gefäßerweiternd, ein Bestandteil des Sprengstoffs."
Die gefäßerweiternde Wirkung organischer Nitrate wurde seinerzeit in Fabriken für Glycerintrinitrat ("Nitroglyzerin") entdeckt. Trinitrotoluol klingt ähnlich, die Nitrogruppe ist chemisch aber völlig anders gebunden und die Substanz hat keine derartige Wirkung (dafür genügend andere gesundheitsgefährdende).
http://www.atsdr.cdc.gov/toxprofiles/tp81.pdf
Vielleicht nur ein Randthema, aber schon ein Hinweis, dass die Recherche für den Artikel vielleicht nicht mit maximaler Sorgfalt vorgenommen wurde ...
Grüße,
Gerald
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Re: Pestizideinsatz im Médoc
Hallo!
Das Thema gab es in dieser Richtung hier schon vor einiger Zeit:
viewtopic.php?f=7&t=1975&start=200&hilit=Muhammad+Ali
Gruß
Alas
Das Thema gab es in dieser Richtung hier schon vor einiger Zeit:
viewtopic.php?f=7&t=1975&start=200&hilit=Muhammad+Ali
Gruß
Alas
wat den een sien uhl is den annern sien nachtigall
- Gerald
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Re: Pestizideinsatz im Médoc
Wobei mir die Aussage (bzw. die Anklage) im Artikel nicht ganz klar ist.
Dass der massive Pestizideinsatz in Bordeaux (aber bestimmt auch vielen anderen Weinbaugebieten) aus Sicht des Umweltschutzes eine Katastrophe ist, kann man schwer abstreiten. Aber bei der im Artikel angedeuteten Gesundheitsgefährdung für Menschen ist die Sache sicherlich nicht so einfach:
- sind die genannten Erkrankungen tragische Einzelfälle oder besteht tatsächlich ein Zusammenhang mit dem Pestizideinsatz?
- falls letzteres: liegt es am Mittel selbst oder nur an der Vernachlässigung bekannter Sicherheitsvorschriften (z.B. Atemschutz)? Davon hängt ja ab, ob die Zulassung generell in Frage gestellt werden muss oder aber die Arbeitgeber wegen mangelndem Arbeitnehmerschutz belangt werden müssen.
Wenn man es mit dem Umweltschutz ernst meint, müssten eigentlich alle Weingärten mit "klassischen" Rebsorten wie Riesling, Pinot noir und Cabernet gerodet und durch PiWi-Sorten ersetzen werden. Denn hinsichtlich Pestizideinsatz ist "bio" oder "biodyn" derzeit auch nur eine halbherzige Lösung (Stichwort Kupfer).
Grüße,
Gerald
Dass der massive Pestizideinsatz in Bordeaux (aber bestimmt auch vielen anderen Weinbaugebieten) aus Sicht des Umweltschutzes eine Katastrophe ist, kann man schwer abstreiten. Aber bei der im Artikel angedeuteten Gesundheitsgefährdung für Menschen ist die Sache sicherlich nicht so einfach:
- sind die genannten Erkrankungen tragische Einzelfälle oder besteht tatsächlich ein Zusammenhang mit dem Pestizideinsatz?
- falls letzteres: liegt es am Mittel selbst oder nur an der Vernachlässigung bekannter Sicherheitsvorschriften (z.B. Atemschutz)? Davon hängt ja ab, ob die Zulassung generell in Frage gestellt werden muss oder aber die Arbeitgeber wegen mangelndem Arbeitnehmerschutz belangt werden müssen.
Wenn man es mit dem Umweltschutz ernst meint, müssten eigentlich alle Weingärten mit "klassischen" Rebsorten wie Riesling, Pinot noir und Cabernet gerodet und durch PiWi-Sorten ersetzen werden. Denn hinsichtlich Pestizideinsatz ist "bio" oder "biodyn" derzeit auch nur eine halbherzige Lösung (Stichwort Kupfer).
Grüße,
Gerald
Re: Pestizideinsatz im Médoc
Gerald hat geschrieben:Wenn man es mit dem Umweltschutz ernst meint, müssten eigentlich alle Weingärten mit "klassischen" Rebsorten wie Riesling, Pinot noir und Cabernet gerodet und durch PiWi-Sorten ersetzen werden. Denn hinsichtlich Pestizideinsatz ist "bio" oder "biodyn" derzeit auch nur eine halbherzige Lösung (Stichwort Kupfer).
Hallo Gerald,
so kann man das natürlich auch sehen.
Fakt ist nun mal, dass der Weinbau den höchsten Verbrauch an Spritzmitteln pro ha Fläche aufweist. Ich habe nur Daten aus 2003 gefunden, wonach im deutschen Weinbau 14,9 kg Wirkstoff je ha ausgebracht wurden, auf den ackerbaulich genutzten Flächen waren es hingegen "nur" 1,9 kg.
Die im Weinbau eingestzten Fungizid-Wirkstoffe Mancozeb und Metiram stehen im Verdacht, endokrine Wirksamkeit aufzuweisen, also Erbgutschädigungen hervorzurufen. Von Kupfer sind solche Wirkungen nicht bekannt.
Diese Studie beschäftigt sich eingehend mit dem Thema endokriner Wirkungen von Pflanzenschutzmitteln:
http://www.pan-germany.org/download/pan ... e_1303.pdf
Grüße
Hartmut
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Re: Pestizideinsatz im Médoc
Hallo Harti,
endokrine Wirksamkeit bedeutet meines Wissens, dass das Hormonsystem gestört wird. Das ist aber etwas Anderes als Erbgutschädigungen (mutagene Wirkung).
Klar, Kupfer ist für Menschen wie auch Pflanzen relativ harmlos (in kleinen Mengen sogar lebenswichtig). Da es aber auf viele Mikroorganismen - gewünschterweise ja auch bei den Schadpilzen im Weinbau - stark toxisch wirkt, kann es die Mikrobiologie im Boden massiv stören, was dann Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette im Ökosystem hat. Und noch dazu ist es - anders als organisch-chemische Fungizide - ja als Element nicht biologisch abbaubar und reichert sich daher im Boden an.
Grüße,
Gerald
stehen im Verdacht, endokrine Wirksamkeit aufzuweisen, also Erbgutschädigungen hervorzurufen
endokrine Wirksamkeit bedeutet meines Wissens, dass das Hormonsystem gestört wird. Das ist aber etwas Anderes als Erbgutschädigungen (mutagene Wirkung).
Klar, Kupfer ist für Menschen wie auch Pflanzen relativ harmlos (in kleinen Mengen sogar lebenswichtig). Da es aber auf viele Mikroorganismen - gewünschterweise ja auch bei den Schadpilzen im Weinbau - stark toxisch wirkt, kann es die Mikrobiologie im Boden massiv stören, was dann Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette im Ökosystem hat. Und noch dazu ist es - anders als organisch-chemische Fungizide - ja als Element nicht biologisch abbaubar und reichert sich daher im Boden an.
Grüße,
Gerald
Re: Pestizideinsatz im Médoc
Gerald hat geschrieben:stehen im Verdacht, endokrine Wirksamkeit aufzuweisen, also Erbgutschädigungen hervorzurufen
endokrine Wirksamkeit bedeutet meines Wissens, dass das Hormonsystem gestört wird. Das ist aber etwas Anderes als Erbgutschädigungen (mutagene Wirkung).
Da hast Du Recht. Ich zitiere aus der oben verlinkten Artikel, welche endokrinen Wirkungen (allgemein) festgestellt wurden:
Durch zahlreiche Laborversuche und epidemiologische Studien ist mittlerweile eine große Anzahl von Effekten endokrin wirksamer Stoffe auf den Menschen nachgewiesen worden:
• Männliche Fruchtbarkeit: Verminderung der Samenqualität, genitale Missbildungen, Hoden- und Prostatakrebs
• Weibliche Fruchtbarkeit: Vorzeitiger Eintritt in die Pubertät, Auftreten von Zysten in den Eierstöcken,Veränderungen der Gebärmutter, Brustkrebs, Abnahme der Fruchtbarkeit, Schwangerschaftskomplikationen und vorzeitige -abbrüche
• Diabetes und Übergewichtigkeit
• Neurologische Störungen, insbesondere durch Störungen in der Gehirnentwicklung, und auch degenerative Veränderungen des Gehirns wie die Parkinson-Krankheit
• Störungen der Schilddrüsenfunktion, Unter- sowie Überfunktion und Schilddrüsentumoren
Grüße
Hartmut
- Gerald
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Re: Pestizideinsatz im Médoc
Wobei mich - um nicht nur die bösen Franzosen zu kritisieren - auch etwas erschreckt hat, wie z.B. in Deutschland beim Auftreten der Kirschessigfliege die meisten Winzer ganz selbstverständlich vom Einsatz entsprechender Insektizide gesprochen haben, obwohl das Problem angeblich auch mit engmaschigen Netzen zu lösen sein soll.
http://www.ages.at/ages/landwirtschaftl ... sigfliege/
War aber vermutlich zu teuer und/oder zu mühsam, daher der Griff in die Pestizidkiste.
Grüße,
Gerald
http://www.ages.at/ages/landwirtschaftl ... sigfliege/
War aber vermutlich zu teuer und/oder zu mühsam, daher der Griff in die Pestizidkiste.
Grüße,
Gerald
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Re: Pestizideinsatz im Médoc
Verknüpfe mal 2 aktuelle Themen (rot oder weiß & Pestizide im medoc);
...und komme zu dem Schluss, das dieses Gefühl wohl seinen Preis hat...
....Aber dieses Gefühl der Vollkommenheit, der durch den Wein vermittelten Verbindung zwischen Himmel, Erde und Mensch...
...und komme zu dem Schluss, das dieses Gefühl wohl seinen Preis hat...
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
- VillaGemma
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Re: Pestizideinsatz im Médoc
MichaelWagner hat geschrieben:Verknüpfe mal 2 aktuelle Themen (rot oder weiß & Pestizide im medoc);....Aber dieses Gefühl der Vollkommenheit, der durch den Wein vermittelten Verbindung zwischen Himmel, Erde und Mensch...
...und komme zu dem Schluss, das dieses Gefühl wohl seinen Preis hat...
zum. wenn man versucht, in solchen Regionen Wein anzubauen, wo die Bedingungen nicht 101% optimal sind und mit einer extremen Monokultur arbeitet.
Ich finde das insgesamt extrem schade und es stimmt mich traurig, sowas lesen zu müssen. Ist ja net nur beim Wein so, auch wenn beim Wein wohl recht viel benutzt wird, wenn man dem Glauben schenken darf.
Tja...bleibt wohl nur, die Weine weiter im Süden zu kaufen oder einfach viel mehr Geld auszugeben, Thema biodynamischer Anbau mit weniger Monokultur/Sträuchern/Nützlingen/Vielfalt/weniger Ertrag=höherer Preis. Der hat dann "nur" noch den Kupfer als Problem
"wine is sunlight held together by water" (Galileo Galilei)
Auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts. (Max Planck)
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