Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
Moulis
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von Moulis »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Ihr beschreibt aber urbane Phänomene, die es in Berlin, Hamburg, München geben kann. In einer "normalen" Kleinstadt hätte IMHO weder ein "echter" Plattenladen noch ein "innovativer" Weinhandel eine Chance.
Stimmt!
Hier in der Diaspora gibt es nur einen, aber gut sortierten weinladen, der ist leider total überteuert.
Ein weiter hat schnell wieder zu gemacht, obwohl das Angebot interessant war. Wahrscheinlich war ich der einzige Kunde.
Ich denke eine Kombination aus Ladengeschäft und Internetshop funktioniert.
Bei den größeren Ketten kaufe ich extrem selten, ab und zu mal bei der Möwe. Bei JWD und Co. nie.
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innauen
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von innauen »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Ihr beschreibt aber urbane Phänomene, die es in Berlin, Hamburg, München geben kann. In einer "normalen" Kleinstadt hätte IMHO weder ein "echter" Plattenladen noch ein "innovativer" Weinhandel eine Chance.
In der Fläche gehen individuelle Geschäftskonzepte generell schlecht. Jenseits der urbanen Wachstumszentren wachsen eigentlich nur noch Ketten, Discounter und regionale Angebote. Selbst die Zentren von mittelgroßen Städten bekommen da so ihre Probleme. Deutschland teilt sich immer mehr in (meist urbane) Wachstumszentren und Peripherie auf. Diese Entwicklung zeigt sich nicht nur im Weinhandel. Nimm die Wohnungsnot. Frankfurt, München, Berlin-Mitte. Die Mieten kennen nur eine Richtung: Nach oben. In der Fläche lautet das Problem dagegen: Leerstand, Rückbau, demografischer Wandel. In so einem Konsumumfeld muss man keinen Laden aufmachen.

Grüße,

Wolf
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Jürgen
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von Jürgen »

Moulis hat geschrieben:Ich denke eine Kombination aus Ladengeschäft und Internetshop funktioniert.
Sehe ich genau so. Wenn dann noch regelmäßige Weinproben angeboten werden und vielleicht sogar eine Weinbar angeschlossen ist, müsste es funktionieren. Wenn ein Präsenzverkauf mit integrierter Weinbar gut aufgezogen ist, klappt es sogar ohne Internetverkauf. Die Regel dürfte heutzutage aber die Kombination sein.
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VillaGemma
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von VillaGemma »

Moulis hat geschrieben: Ich denke eine Kombination aus Ladengeschäft und Internetshop funktioniert.
Als Ergänzung nach dazu: In einer (Groß-)Stadt ja. Ein Weinhändler hat ja idR die Weine ab 8 Euro, Grenze oben offen. Und dafür braucht man Kundschaft. Hier in Berlin gibt es als Beispiel ja noch eine ganze Anzahl von Ladengeschäften! Aber auch in kleineren Städten wie KS oder PB gibt es sowas noch jenseits der Kette. Aber einfach isses sicher nicht. Wenn ich auf mich persönlich schaue, dann können solche Läden nicht leben. Das fing dann zB damit an, das ich vor ca. 10 Jahren gern C9dP probieren wollte. Der einzige Weinhändler in PB, der sowas hatte (und den es heute nicht mehr gibt), konnte mir 3 C9dP anbieten, einer davon unter 40 Euro. :roll: ...den ich auch probiert habe. Aber nun ja...war ja durchaus auch schon ein fortgeschrittener Preis.

Tja...ich habe dann bei Lobenberg mein erstes Paket bestellt...mit 15 verschiedenen C9dP...eben um reinzuschnuppern. Aber wenn es einen Süd-Rhone Laden in PB gegeben hätte, nun ja, dann hätte der gut Umsatz mit mir gemacht. So habe ich meine festen Adressen, die ich in den letzten 10 Jahren gefunden habe...Torsten mit seinen Prioratos ist immerhin ein neuer Händler im Bunde ;) ...was mich auch zu der Idee bringt, ob man nicht einen Priorat-Laden in Berlin aufmachen könnte ;)
"wine is sunlight held together by water" (Galileo Galilei)

Auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts. (Max Planck)
MichaelWagner
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von MichaelWagner »

Ok, ich bin bei meinen Kommentaren davon ausgegangen, dass die Standortwahl selbstverständlich abgestimmt ist. Wenn die Frage war, ob man in einem 800-Seelen-Dorf, dessen verbliebene Bevölkerung zu 90% aus Biertrinkern besteht einen Weinladen profitabel betreiben kann, dann lautet meine Antwort auch klar: nein!

Ansonsten kenne ich reichlich erfolgreiche Konzepte.

Steigende Mieten sind natürlich ein Thema - von daher wäre Eigentum auch ein gangbarer Weg. Muss ja nicht der Bugatti-Showroom Unter den Linden sein.

Und vor allem sollte man vorm Start einen sauberen Plan haben und alle Beteiligten (Lieferanten inkl) mit ins Boot holen.
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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UlliB
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von UlliB »

innauen hat geschrieben:Jenseits der urbanen Wachstumszentren wachsen eigentlich nur noch Ketten, Discounter und regionale Angebote. Selbst die Zentren von mittelgroßen Städten bekommen da so ihre Probleme. Deutschland teilt sich immer mehr in (meist urbane) Wachstumszentren und Peripherie auf.
Das ist eine ziemlich norddeutsche Betrachtungsweise ;)

Ich lebe derzeit in einer eindeutig "peripheren" Region in Süddeutschland in einem Städtchen mit 30.000 Einwohnern, aber mit diversen Hightec-Betrieben in der Gegend, etliche davon sind Weltmarktführer. Die Arbeitslosigkeit hier im Kreis liegt um die 2% (!), was in der Praxis einen extremen Arbeitskräftemangel bedeutet, eines der höchsten Durchschnittseinkommen Deutschlands, schuldenfreie Gemeinden... in diesem Umfeld funktioniert auch der Präsenzhandel mit Weinen noch ganz ausgezeichnet, wie ich hier vor Ort bei gleich zwei engagierten und gut sortierten Präsenzhändlern regelmäßig feststellen kann.

Das Thema scheint sich eher an Hand ökonomischer Rahmenbedingungen festmachen zu lassen als an der Diskussion "urban vs. peripher" - diese Abgrenzung gilt wohl nur für die nord-ost-deutsche Notstandspampa :D

Gruß
Ulli
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robertz
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von robertz »

Hallo

In Wien findet man immer öfter die Kombination Weinbar = Weinhändler.

Unsere große Weinhandelskette (Wein & Co; http://www.weinco.at/ ) bietet schon seit langem die Möglichkeit, den Wein im Shop zu bestellen und gleich mit einem geringen Aufschlag (Stoppelgeld 7,90 EUR beinhaltet auch eine große Flasche Mineralwasser) im oft angeschlossenen Lokalbereich (eigentlich Bar) zu trinken.

Eine der bekannteren kleinen Weinbars (Pub Klemo; http://www.pubklemo.at/ ) hat den umgekehrten Weg beschritten, zuerst Weinbar, dann angeschlossener Shop und nun zuletzt auch Online-Shop.

Liebe Grüße, Robert
Vergeblich klopft, wer ohne Wein ist, an der Musen Pforte. ;)
olifant
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von olifant »

UlliB hat geschrieben:... Ich lebe derzeit in einer eindeutig "peripheren" Region in Süddeutschland in einem Städtchen mit 30.000 Einwohnern, aber mit diversen Hightec-Betrieben in der Gegend, etliche davon sind Weltmarktführer. Die Arbeitslosigkeit hier im Kreis liegt um die 2% (!), was in der Praxis einen extremen Arbeitskräftemangel bedeutet, eines der höchsten Durchschnittseinkommen Deutschlands, schuldenfreie Gemeinden... in diesem Umfeld funktioniert auch der Präsenzhandel mit Weinen noch ganz ausgezeichnet, wie ich hier vor Ort bei gleich zwei engagierten und gut sortierten Präsenzhändlern regelmäßig feststellen kann. ...
Hallo Ulli,

ich lebe auch in einer vergleichbaren Region, jedoch in einem Städtchen mit deutlich mehr Einwohnern, so ca. 145.000, möchte aber deine Aussagen relativieren.

Hier ist mir adhoc kein Händler bekannt, der ausschliesslich von seinem Ladengeschäft allein existiert, bzw. existieren kann.
Ein paar Händler (im Vollerwerb) setzen auf eine Sortiments-/Handelserweiterung über Grosshandels-, Gastronomievertrieb und Catering-Schiene, oder die Kombination mit Feinkost / Catering, usw.
Andere (Nebenerwerb) haben ihren anderweitig gearteten Hauptberuf und betreiben ihr Ladenlokal an 2 - 3 Tagen pro Woche, meist noch in Verbindung mit Internethandel - aber keiner lebt ausschliesslich vom Wein-Einzel-Handel, dieses Modell funktioniert (auch) hier nicht mehr, trotz allg. vorhandener rel. guter Bildung und entsprechenden finanziellen Mitteln der Einwohnerschaft.
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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UlliB
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von UlliB »

Hallo Ralf,

bei dir ist es, wenn ich richtig sehe, Bayern - bei mir Baden-Württemberg. Auch wenn ich nicht in einer der Weinbaugegenden lebe, gibt es hier doch eine recht stabile und lang etablierte Kultur, Wein zu trinken, was im ländlichen Bayern außerhalb Unterfrankens wohl eher selten der Fall sein dürfte. Vielleicht spielt das neben den rein ökonomischen Rahmenbedingungen auch eine Rolle. Der lokale Präsenzhandel lebt hier jedenfalls wirklich ganz gut.

Gruß
Ulli
olifant
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?

Beitrag von olifant »

Hallo Ulli,

das Bier statt Wein in der kulturellen Sozialisation mag durchaus seine negative Effekte auf den Weinhandel hierzulande haben.
Obwohl gerade hier, der Oberpfälzer Weinbauenklave, gehörig zum Weinbaugebiet Franken, traditionell gesehen einst Wein(bau)kultur herrschte.
Dass sich diese nicht erhalten hat war zum einen dem im (historischen) Vergleich ungleich billigeren Bier, zum anderen aber auch der wohl eher minderen Weinqualität der Region geschuldet gewesen sein.

Frei nach dem überlieferten Spruch:
Wieviel Männer braucht es um einen Krug Baierwein zu trinken? - Drei: Einen zum trinken und zwei zum Festhalten des Ersteren.
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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