Hallo miteinander,
ich habe vor kurzem mit der Inhaberin eines Weinladens gesprochen, welchen ich regelmäßig konsultiere. Sie betreibt den Laden schon seit mehreren Jahrzehnten und beliefert seit jeher auch die Topgastronomie in Deutschland. Wir haben allgemein über die Veränderungen im Weinhandel gesprochen und ich habe ihr dann die Frage gestellt, ob es ihrer Meinung nach heute noch rentabel wäre, einen klassischen Weinladen zu eröffnen (v.a. wenn die Absicht darin besteht, davon Leben zu können). Sie hat die Frage mit einem ziemlich eindeutigen Nein beantwortet.
Das ist jetzt natürlich eine Einzelmeinung und deshalb würde mich die breite Meinung des Forums interessieren. Vor allem die Sicht von Händlern zu diesem Thema wäre natürlich interessant.
Ich selbst sehe die klassischen Läden eher schwinden, und wenn doch irgendwo ein neuer Laden öffnet, gehört dieser nicht selten einer Kette an (z.B. Mövenpick, Garibaldi, Jacques Weindepot, der Gallier usw.).
Wie sieht ihr es, haben traditionelle Ladengeschäfte ohne angehängten (Online-)Versandhandel überhaupt noch Zukunft?
Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
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Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
Grüße
Robert
Robert
Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
Nein!Weinbertl hat geschrieben: Wie sieht ihr es, haben traditionelle Ladengeschäfte ohne angehängten (Online-)Versandhandel überhaupt noch Zukunft?
Grüsse
Ralf
Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
Ralf
Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
klares Nein.olifant hat geschrieben:Nein!Weinbertl hat geschrieben: Wie sieht ihr es, haben traditionelle Ladengeschäfte ohne angehängten (Online-)Versandhandel überhaupt noch Zukunft?
Warum?
Für den täglichen Bedarf, auch den gehobenen, führen der Italiener bei mir an der Ecke, das französische Restaurant, der Pastenteverkäufer, der Friseur, das Cafe etc. ausreichend Wein.
Für Entdeckungen gibts www.dasweinforum.de außerdem Facebook und Blogs.
Für den exklusiven Bedarf gibt es die Online-Weinhändler.
Deshalb bieten bis auf die Ketten fast alle Weinhändler bei mir in der Gegend zusätzlich Gastronomie an.
Eine Marktlücke sehe ich hier (Großstadt) nicht. Außerdem fehlt dem Weinhandel eine entscheidende Voraussetzung für den ökonomischen Erfolg: Die Marge. Man verdient an der Flasche Wein fast nix, weil man im Preiswettbewerb mit Discountern und vor allem dem Onlinehandel steht. Es gibt auch keine gescheiten Exklusivitäten, mit denen sich dieses Defizit bemänteln ließe. Wenn ich einen tollen neuen Winzer an der Angel habe und die Flasche für sagen wie 3 Euro ein- und für 7.50 Euro verkaufe, dann hat den einen Jahrgang später irgendwer im Onlinehandel auch im Angebot und zwar für 6.49 Euro. In Deutschland kommt das spezielle Problem hinzu, dass quasi jeder über den Versandhandel Zugang zu den ab Hof Preisen hat.
Der einzige erfolgreiche Versuch einen Weinhandel aufzubauen, den ich von A - Z beobachtet habe, ist einem Freund gelungen, der sich auf Burgunder spezialisiert hat. Dafür fährt er 3-4 mal im Jahr runter, kauft der Marge wegen immer bei neuen Erzeugern ein und macht noch viel in der Gastronomie. Dafür hat das Wochenende bei ihm meist nur einen Tag und der Arbeitstag endet garantiert nicht für 24 Uhr und wie gut er davon lebt? Die Frage muss er selbst beantworten.
Grüße,
wolf
„Es war viel mehr.“
Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
In dem Sprichwort "das Geld liegt auf der Strasse, man muss es nur aufheben" steht nichts davon, dass man ständig Schaufel und Schubkarre mitführen soll...Wenn ich einen tollen neuen Winzer an der Angel habe und die Flasche für sagen wie 3 Euro ein- und für 7.50 Euro verkaufe,

wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
Du brauchst aber Schaufel und Kehrbesen im stationären Handel, wo den ganzen Tag nix los ist und Abends ein paar Leutchen auftauchen und eine Flasche für´s Abendessen suchen. Mit Miete, Personal, Steuerberater etc. hast Du einen viel größeren Overhead als der Versandhändler ohne Kundenbetrieb auf dem zweiten Hinterhof unter der gleichen Adresse. Wenn nur 5-8 % Marge bleiben, wie vielerorts im Onlinehandel, dann musst Du eine große Zahl Flaschen schnell durchdrehen. Genau das kann der stationäre Händler aber nicht mehr, wie zu den alten schlechten Zeiten (aus Konsumentensicht).
Grüße,
wolf
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wolf
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Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
Hallo Wolf,
Zwischen 5-8% und 150% ist noch eine Menge Spielraum.
Wenn tagsüber keiner kommt, nur abends öffnen, Veranstaltungen etcpp.
Bin mir bewusst, dass es kein Patentrezept gibt, es weissgott nicht einfach ist, aber was ist schon einfach?
Gruß, Michael
Zwischen 5-8% und 150% ist noch eine Menge Spielraum.
Wenn tagsüber keiner kommt, nur abends öffnen, Veranstaltungen etcpp.
Bin mir bewusst, dass es kein Patentrezept gibt, es weissgott nicht einfach ist, aber was ist schon einfach?
Gruß, Michael
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
Für mich persönlich (als Kunde) hat der traditionelle Weinhandel Zukunft, wenn er keine Angebote von der Stange präsentiert und inspirierende Erfahrungen ermöglicht.
Es gibt Geschäfte, wo dies bei fast jedem Besucht der Fall ist. Und dafür bezahle ich auch zusätzliches Geld. Sie besitzen eine Aura, die auf Weine neugierig macht, die später sogar schmecken. Gängige Sachen lassen sich ja auch überall bestellen. Werde ich aber mit mir unbekannten Winzern vertraut gemacht, deren Flaschen ich sofort in der Hand halten und mitnehmen kann, ist das ein schönes Erlebnis. Umso besser, wenn der Inhaber gereifte Weine vorhält. Leider tun diese viele Händler aus nachvollziehbaren Gründen nicht.
Für mich – also nicht aus betriebswirtschaftlicher Sicht des Händlers– stellt sich die Situation genauso wie beim stationären Buchhandel dar. Spaß macht es, in Antiquariate und in Läden mit ausgesuchtem, vom guten Geschmack des Verkäufers dominiertem Programm zu gehen. In dem Zusammenhang interessant: In Hamburg musste gerade ein riesiges Buchkaufhaus dicht machen. Vor diesem Riesen zitterten einst die kleinen Einzelhändler mit ausgebildeten Fachleuten, doch nun haben sie ihn gerade wegen des Internet-Booms überlebt.
Gruß, Kle
Es gibt Geschäfte, wo dies bei fast jedem Besucht der Fall ist. Und dafür bezahle ich auch zusätzliches Geld. Sie besitzen eine Aura, die auf Weine neugierig macht, die später sogar schmecken. Gängige Sachen lassen sich ja auch überall bestellen. Werde ich aber mit mir unbekannten Winzern vertraut gemacht, deren Flaschen ich sofort in der Hand halten und mitnehmen kann, ist das ein schönes Erlebnis. Umso besser, wenn der Inhaber gereifte Weine vorhält. Leider tun diese viele Händler aus nachvollziehbaren Gründen nicht.
Für mich – also nicht aus betriebswirtschaftlicher Sicht des Händlers– stellt sich die Situation genauso wie beim stationären Buchhandel dar. Spaß macht es, in Antiquariate und in Läden mit ausgesuchtem, vom guten Geschmack des Verkäufers dominiertem Programm zu gehen. In dem Zusammenhang interessant: In Hamburg musste gerade ein riesiges Buchkaufhaus dicht machen. Vor diesem Riesen zitterten einst die kleinen Einzelhändler mit ausgebildeten Fachleuten, doch nun haben sie ihn gerade wegen des Internet-Booms überlebt.
Gruß, Kle
Das Schema der Wirklichkeit ist das Dasein in einer bestimmten Zeit
Immanuel Kant, Elementarlehre
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
Danke Kle, endlich sagt's mal einer: nicht einfach GM, Parker und Co ins Regal stellen und dann denken dass es von alleine läuft, obwohl man preislich nicht konkurrenzfähig ist - so einfach läufts eben nicht.
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
- octopussy
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
Kle, dem kann ich voll und ganz zustimmen. Bei CD-und Schallplattenläden ist es das Gleiche. Die Inhaber haben häufig extrem viel Ahnung, stehe ich mit einer CD an der Kasse, sagen sie mir, was ich sonst noch mögen könnte, was sich häufig als guter Tipp entpuppt, den ich ganz sicher nicht im Internet durch eine "Kunden, die x gekauft haben, haben auch y gekauft" Empfehlung bekommen würde. Oder ich bekomme mitgeteilt, das Band X ja demnächst auf Tour geht und auch in Hamburg auftritt.Kle hat geschrieben:Für mich persönlich (als Kunde) hat der traditionelle Weinhandel Zukunft, wenn er keine Angebote von der Stange präsentiert und inspirierende Erfahrungen ermöglicht.
Es gibt Geschäfte, wo dies bei fast jedem Besucht der Fall ist. Und dafür bezahle ich auch zusätzliches Geld. Sie besitzen eine Aura, die auf Weine neugierig macht, die später sogar schmecken. Gängige Sachen lassen sich ja auch überall bestellen. Werde ich aber mit mir unbekannten Winzern vertraut gemacht, deren Flaschen ich sofort in der Hand halten und mitnehmen kann, ist das ein schönes Erlebnis. Umso besser, wenn der Inhaber gereifte Weine vorhält. Leider tun diese viele Händler aus nachvollziehbaren Gründen nicht.
Für mich – also nicht aus betriebswirtschaftlicher Sicht des Händlers– stellt sich die Situation genauso wie beim stationären Buchhandel dar. Spaß macht es, in Antiquariate und in Läden mit ausgesuchtem, vom guten Geschmack des Verkäufers dominiertem Programm zu gehen.
Ich bin fest überzeugt davon, dass die menschliche Interaktion und der haptische Einkauf nach allem ihre unersetzbaren Vorteile haben. Auf der anderen Seite vergeben sich Weinhändler oft nichts, wenn sie ihre Weine zusätzlich auch im Internet verkaufen. Eine angeschlossene Weinbar finde ich auch eine gute Idee. Mein gerne genommenes Beispiel: die Weinkulturbar in Dresden von Silvio Nitzsche. Unter 6 Wochen Reservierung im Voraus geht da nichts. Und wenn ich da war, hat so gut wie jeder Gast auch ein paar Flaschen mitgenommen, und zwar jeweils von den Weinen, die Silvio Nitzsche ihnen vorher eingeschenkt hat.
Das A & O ist aber, dass der Händler sich auch ein paar Gedanken macht und wie ein Trüffelschwein nach Weinen sucht, die andere nicht haben. Unter Umständen funktionieren aber auch die "Dreher", die ein Mainstream-Angebot vom Crémant über Knipser bis Markus Schneider haben und über gutes Marketing, Menge und gute Einkaufskonditionen ihre Marge machen. Letzteres kann ich nicht beurteilen.
Beste Grüße, Stephan
- Markus Vahlefeld
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Re: Traditionelle Weinhändler - haben sie noch Zukunft?
Ihr beschreibt aber urbane Phänomene, die es in Berlin, Hamburg, München geben kann. In einer "normalen" Kleinstadt hätte IMHO weder ein "echter" Plattenladen noch ein "innovativer" Weinhandel eine Chance.