Für den gestrigen Abend, den ich mit zwei sehr herzlichen und warmen Menschen verbracht habe, kam als Abendbegleitung schnell deutscher Spätburgunder in Frage: Knipser, Mergelweg, 2004, Pfalz, Auslese trocken, Grosses Gewächs, zudem Schumacher, Pinot Noir, Garten, 2007, Himmelreich Spätlese trocken, Pfalz sowie Keller, Spätburgunder Bürgel, 2007, Rheinhessen, grosses Gewächs.
Das wird jetzt alles etwas ausschweifend, aber so war der Abend (es gab ja auch noch Riesling). Mit der Bitte um Nachsicht.
Oft wird ja die Frage gestellt, nicht zuletzt hier im Forum, ob denn die deutschen Spätburgunder (AUCH Pinot Noir) nicht genauso gut sind, wie die sündhaft teuren Burgunder (DER Pinot Noir)? Bereits bei der Frage bin ich mir nicht ganz sicher, ob sie überhaupt richtig gestellt ist. Zum einen haben einige deutsche Elite-Winzer mit – das meine ich durchaus auch anerkennend – grossem Geschick, nicht ohne Erfolg und mitunter auch dreist die Preise angezogen, zum anderen Kosten Burgunder in Frankreich beim Winzer oft gar nicht so viel, wie es die hiesigen Händlerpreise vermuten lassen.
Ich für meinen Teil möchte die Frage dennoch beantworten (auf die Gefahr hin, den Zorn auf mich zu ziehen, auch die berechtigte Kritik, die Pauschalisierung sei nicht zulässig): Niemals! Die deutschen Spätburgunder haben selten die Finesse, das Spiel, die selbstverständliche Noblesse, die aristokratische Strenge wie ein Burgunder. Einen perfekten Burgunder stelle ich mir als gebildeten Stadtadel vor, diskret, nie zu laut, auch etwas streng, aber wenn er seinen Charme spielen lässt, dann ist es die grosse und subtile Kunst der Verführung. Ein reiches Leben, von dem man nur nach und nach erfährt. Das er mit dem gemeinen Volk nicht immer etwas zu tun haben möchte, ist zwar nachvollziehbar, aber immer wieder ein herbe Enttäuschung. Missachtung, eine geradezu arrogante Zurückweisung, das alles muss man zu oft in Kauf nehmen, auch zu Unrecht (Konto in der Schweiz!).
Der dt. Spätburgunder ist für mich dagegen der Grossgrundbesitzer vom Land, lauter, nie so rein und sauber, derber, seine ländliche Herkunft kann er nie ganz verbergen. Da fasst der Patron der drallen Magd schon einmal an den Hintern, was allerdings nicht als sexuelle Belästigung wahrgenommen wird, und die Landfrau kommt mit einem angeberischen Pelz aus der Stadt nachhause. Sie haben also durchaus etwas zu zeigen, und wollen das auch: Besitz! Aber sie teilen ihn auch, mit einer unvergleichlich gastfreundlichen Art, sie sind einladend und ausladend zu gleich (im Bukett wenigstens viel Holz), grosszügig und verschwenderisch (der Alkohol!), sie leben. Was an Kultur fehlt, das machen sie mit Menschlichkeit wieder wett. Glühende Wangen, üppige Formen, Lebenslust und auch Geborgenheit. Und ist das nicht das Richtige für einen draussen so kalten und regnerischen, und drinnen doch warmen, herzhaften und geselligen Abend?
Knipser, Mergelweg 2004 präsentiert sich jetzt sehr schön, mit deutlicher Winzerhandschrift, etwas hemdsärmelig, aber menschlich. Samt und Fülle am Gaumen, doch auch etwas spröde (Tannine), schöner Trinkfluss (Säure). Hier wird aufgetischt: Mokka, Caramel und auch dunkle Schokolade finden sich zwischen all dem Holz, man darf also zugreifen, nach Herzenslust, genötigt wird man nicht. Bei all der Fülle geht das einzelne freilich etwas unter, es geht auch etwas durcheinander, man nimmt es und sich nicht so genau. Hier darf man sein, Krawatte lockern, Jackett ablegen, man spricht frei. Der Wein ist nicht aufdringlich. Ein sehr guter Gesprächsbegleiter, den wir mit viel Genuss trinken.
Schumachers Im Garten 2007 ist dem zwar nicht unähnlich, es könnte sogar die gleiche Person sein, doch dann zu später Stunde. Überschwänglicher (14% Alkohol sind präsent, Kirsch, HOLZ, in sich stimmig), etwas schwammig, gross und fleischig, artikuliert sich nicht mehr klar, kommt dabei ganz nahe, etwas nach vorne gebeugt und schwankend, und spricht doch lauter als notwendig. Umarmung, bald Verbrüderung, drinnen rauchen. Ganz bei sich. Jetzt kommt es nicht mehr darauf an. Ein rechtes Gespräch kommt zwar nicht mehr zu Stande, dafür darf alles gesagt werden. Man kann sich ja auch mal etwas gehen lassen. Oft muss das allerdings nicht sein.
Jetzt kommt noch Kellers Bürgel 2007 dazu (etwas zu spät). Der Nachwuchs, wird mal die Firma übernehmen, aber das dauert noch. Hat bereits viel Charme, geistreicher, feinsinniger, vielseitig, sehr freundlich und höflich, bekommt bereits von verschiedenen Seiten viel Zuspruch (den er auch braucht), aber den Sohn, den wird er nicht los. Im Anzug sieht er zwar gut aus, schmaler Schnitt, schmale Krawatte, sehr adrett, aber ganz wohl fühlt er sich darin noch nicht, nicht hier, zwischen all den breiten Schultern und üppigen Herren. Zumal all die anderen bereits die Ärmel hochgekrempelt haben. Gegen den übermächtigen Pfälzer Vater kommt er nicht an, nein, im Mittelpunkt stehen oder sich gar auflehnen, das möchte er nicht, überhaupt ist er etwas vorsichtig, anecken oder die kleine Provokation, das ist nicht seins. Das ist einer, dem es noch an Selbstbewusstsein fehlt und der es den anderen gerne Recht macht. Es geht im heute etwas zu derb zu und her, Statusbewusstsein und Macht, und diese männliche Kraftmeierei, die sind ihm fremd. Muss noch erwachsen werden.
Den beiden Mittrinkern aus der Bündner Herrschaft haben die Weine übrigens sehr gut gefallen und ihr Interesse am Deutschen Rotwein geweckt.
Das Lesen des Beitrags hat mir richtig Spaß bereitet. Die Bilder, mit denen die Unterschiede zwischen Burgundern und Spätburgundern beschrieben werden, sind herrlich.
Die Bilder, mit denen die Unterschiede zwischen Burgundern und Spätburgundern beschrieben werden, sind herrlich.
Das sind sie in rein sprachlicher Hinsicht fraglos. Nur sind sie nach meinen Erfahrungen im Rahmen vergleichbarer Preiskategorien überhaupt nicht zutreffend . Ich sehe es genau umgekehrt: Die deutschen Spätburgunder wirken feiner, die französischen Pinots saurer, tanninruppiger und rustikaler.
Bernd Schulz hat geschrieben: Die deutschen Spätburgunder wirken feiner, die französischen Pinots saurer, tanninruppiger und rustikaler.
Beste Grüße
Bernd
Hallo Bernd, wie schade, dass Du wohl bisher sowas von daneben gelangt hast.
Mir ist das viel zu plakativ und generell. Das mag Deine Erfahrungen widerspiegeln - akzeptiert. Deine absolute Formulierung kann ich jedoch nicht nachempfinden.
Sauer? Ich empfinde häufig tolle Säure mit klasse Struktur. Tanninruppig? Ich erfahre oft samtige Gerbstoffe. Rustikal? Bei den Basisweinen gelegentlich ja, aber nicht bei (meinen) 1er Cru / Grand Cru.
Deutsche Spätburgunder? Recht und schön - wer das will. Die wirklich guten (wie Huber) sind im Preis auf etwa vergleichbarem Burgund-Niveau (Gegenvorschläge sind gerne willkommen (Ziereisen ist mir bereits ein kleiner Begriff)). Ich trinke gerne mal einen deutschen SB aber viel öfter greife ich zum Pinot Noir aus Burgund. Vielleicht ändert sich das in Zukunft. Deshalb schaue ich hier immer wieder rein.
selbstverständlich möchte ich keine "absoluten" Aussagen machen, sondern ich gehe von meinen subjektiven Erfahrungen aus, wovon sonst? Ich gebe auch gerne zu, dass meine Basis beim Pinot deutlich schmaler ist als beim Riesling. Trotzdem waren die Eindrücke in den Preisregionen, in denen ich mich bewege, immer ähnlich. Mag sein, dass es in der Klasse ab 50 Euronen und, was die burgundischen Burgunder angeht, noch weit darüber anders ausschaut....
Die wirklich guten (wie Huber) sind im Preis auf etwa vergleichbarem Burgund-Niveau (Gegenvorschläge sind gerne willkommen (Ziereisen ist mir bereits ein kleiner Begriff)).
Huber ist für mich ziemlich uninteressant. Genauso wie beim Riesling muss man sich schon auch ein wenig abseits der ganz großen Namen umschauen, wenn man richtig gute Weine zu einem vernünftigen Preis finden will. Michel in Achkarren z.B. wäre ein Weingut, das ich dir ziemlich dringend empfehlen kann.
Michel in Achkarren z.B. wäre ein Weingut, das ich dir ziemlich dringend empfehlen kann.
Es ist schon etwas länger her, dass ich bei Michel war und einiges von Michel zu Hause hatte. Ich erinnere mich an ordentliche Qualitäten. Allerdings passen diese Weine für mich so dermaßen ins bäuerliche Bild, was Klaus beschreibt, dass die "dralle Magd" fast schon neben mir am PC sitzt. Wenn Du Wolfgang rätst, diese Weine gegen einen Burgunder ins Rennen zu schicken, schießt Du Dir nach meinem Ermessen selber ins Knie.
ich habe Klaus' Probenbericht und Einschätzung deutscher Spätburgunder mit allergrößtem Vergnügen gelesen und kann mich damit absolut identifizieren. Deutsche Spätburgunder haben in ganz, ganz vielen Fällen für mich eine eigene "deutsche" oder wenn man weiter unterscheiden will "Pfälzer", "Badener", "Württemberger" oder "Ahrtäler" Aromatik - und die mag ich überhaupt nicht. Bei einem Portugieser, einer Scheurebe, einem Silvaner, einem Grau- und Weißburgunder, ja sogar einem Riesling kann ich eine gewisse Bäuerlichkeit und fehlende Finesse durchaus haben, sie macht für mich teilweise sogar die besondere Qualität aus. Bei Pinot Noir bzw. Spätburgunder fällt ein unsensibler Holzeinsatz, eine eher derbe Frucht, ein Räucherspeckaroma m.E. sofort auf - für mich eher negativ.
Birte, die Assoziationen können mitunter schon sehr unterschiedlich sein. Michels Spätburgunder sind vielleicht nicht subtilsten in ganz Deutschland, aber das Bild von der drallen Bauernmagd ist mir bei ihnen noch nie in den Sinn gekommen.
Und ich denke, dass ich ein Vergleich eines Michel-Burgunders in der Preisklasse zwischen 10 und 20 Euro mit einem ähnlich teuren burgundischen Pinot schon ziemlich erhellend sein könnte....
Wir können ja gelegentlich auch mal zusammen Spätburgunder verkosten!
Bernd Schulz hat geschrieben:
Wir können ja gelegentlich auch mal zusammen Spätburgunder verkosten!
Beste Grüße
Bernd
Das ist eine gute Idee! Zum einen muss ich mal wieder ins Spätburgundertraining zurückfinden und zum anderen wird mein sportlicher Ergeiz einen günstigen guten Burgunder aufzutreiben zur Hochform auflaufen. Dazu werde ich dann bei entsprechender Gelegenheit noch einen Hilfeaufruf starten.