Bernd, ich kann deine Gedanken nachvollziehen. Mir gehen diese Gedanken auch durch den Kopf. Aber schließlich bildet diese Außendarstellung der Weingüter ja auch ein Selbstverständnis wieder. Und dies begründet sich ja auch mit dem dramatischen Wandel in der Weinwelt der letzten 20 bis 25 Jahre. Während es vor der Jahrtausendwende noch kleinteilig und persönlich zuging, wird jetzt richtig rangeklotzt und das Weinbusiness professionalisiert. Das geht dann von der Architektur bis zur Vermarktung. Wenn man die Weinwelt vor der Jahrtausendwende noch kennengelernt hat, steht man heute manchmal mit offenem Mund da wenn man diese ganzen Neubauten sieht. Dagegen sehen ja selbst renommierte Chateau in Bordeaux alt aus. Schwierig finde ich, wenn die Architektur zu "laut" wird und auf reine Selbstdarstellung hinausläuft und nicht mehr in Einklang mit der umgebenden Natur steht. Diese neuen Bauten zeigen aber auch, dass man in den vergangenen Jahren wohl gut am Weinboom verdient hat. Der Wein ist heute Popkultur geworden und ist in der Mitte der Gesellschaft angekommen bzw. zum Lifestyleprodukt geworden. Somit sind viele Winzer ja auch fast zu Popstars geworden die um die Welt jetten und hofiert werden. Man darf aber auch nicht verkennen, dass es in den vergangenen zwei Dekaden global einen dramatischen Qualitätsschub beim Wein gegeben hat. So gesehen ist der Erfolg auch verdient.
Und wenn guter Wein auf gute Architektur trifft ist das ja auch ein Genuss. Ich denke, du wirst ja beim Instrumentenbau auch Wert auf eine gewisse Optik und Wertigkeit legen. Aber klar: Am Ende ist und bleibt alleinig der Wein wichtig!
Im Weingut Gantenbein in Fläsch, Rheintal, Graubünden ist durch den Neubau nach meinem Empfinden eine gelungene Symbiose zwischen Produkt und Umgebung gelungen:
… mich beschäftigt schon auch, ob eine selbstgewählte Architektur Rückschlüsse auf die bereiteten Weine zulässt - bei mächtigen Konstruktionen sicher auf den Preis einer Flasche. Darüberhinaus spüre ich angesichts mancher Imponier-Ungetüme kaum Lust, die dort produzierten Weine zu probieren und unterstelle, dass sie einen ähnlichen Geist repräsentieren. Das ist dann ein Vorurteil, zeigt aber, dass Architektur wirkt.
Nun, ich bin der Meinung, daß Wein - zumindest der, den ich typischerweise konsumiere - von Menschen gemacht wird. Meistens einem ganz bestimmten, nennen wir ihn mal den "Weinmacher". Und dieser Weinmacher drückt sich nicht so sehr aus durch das Gebäude, in dem er arbeitet, oder das Auto, das er fährt (daran erkennt man bestenfalls, daß er gar nicht der Weinmacher ist, sondern nur der Besitzer), sondern - durch seinen Hund. Der Hund ist so wie sein Mensch und sagt deshalb viel mehr über den Wein aus als die Architektur des Weinguts. Denn letztere wirkt immer über Jahrzehnte, Jahrhunderte gar, und ist in diesem Sinne immer in die Zukunft gerichtet. Der Hund aber, der Hund ist im Jetzt. Im selben Jetzt wie der Wein, im selben Jetzt wie ich. Und nur das zählt.
Cherchez le dog!
Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
Bei "kein Hund" hat er ein Stein im Brett, bei "Katze" bin ich neugierig, probiere unschlüssig, beiße den Weinmacher und kaufe dann doch nichts.
Ich glaube aber wirklich nicht, daß man vom Bau auf den Wein rückschließen sollte. Das Gaffel ist schließlich auch schon lange schal, bevor der Dom fertig ist.
Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
Ollie hat geschrieben: ↑Mi 1. Okt 2025, 16:15
Bei "kein Hund" hat er ein Stein im Brett, bei "Katze" bin ich neugierig, probiere unschlüssig, beiße den Weinmacher und kaufe dann doch nichts.
Ich glaube aber wirklich nicht, daß man vom Bau auf den Wein rückschließen sollte. Das Gaffel ist schließlich auch schon lange schal, bevor der Dom fertig ist.
Cheers,
Ollie
Schade, ich dachte, Weintastings künftig im Vorbeifahren machen zu können. Ganz habe ich meine Hypothese jedoch noch nicht aufgegeben, da der Wein ja nicht aus des Winzers Handschrift fließt, sondern langfristige Konzepte, Markteinschätzungen, Zielgruppen etc. eine Rolle spielen mögen. Warum sollte ein Neubau nicht etwas davon repräsentieren? Bei einem Betonmonster tippe ich natürlich auf kräftig Eichenholz, enorme Konzentration, aber auch Fruchtbombe. Vielleicht totaler Quatsch und die Lust an undurchdringlicher Mineralität inspirierte oder eben etwas ganz anderes... Den Heymann-Löwenstein-Neubau fand ich beziehungsreich, als ob er etwas über die Winzer und auch ihre Weine offenbart, aber das sind vielleicht nur nachträgliche Autosuggestionen , da ich Weine von ihnen kenne. Umgekehrt wäre es interessant.
Kle hat geschrieben: ↑Mi 1. Okt 2025, 19:01
Bei einem Betonmonster tippe ich natürlich auf kräftig Eichenholz, enorme Konzentration, aber auch Fruchtbombe.
Natürlich deutet ein Betonbau auf Betonausbau, eine Blockhütte auf massiv Holz, ein Wellblechschuppen auf Stahlausbau, und ein in den Weinberg vergrabener Bau auf Qvevri. Seit neuestem findet man auch immer mehr Vollglasbauten in Weinbergen, sagt die Gerüchteküche. Erstaunlicherweise hat sich Tonarchitektur noch nicht so recht etablieren können.
Erstaunlicherweise hat sich Tonarchitektur noch nicht so recht etablieren können.
Immerhin hat Chateau Cantenac Brown seinen neuen Weinkeller vornehmlich mit natürlichen Materialien gebaut. Unter anderem mit Wänden aus gestampftem Lehmboden. Das ist natürlich eine tolle Verbindung, wenn man den Lehm oder die Erde aus den Weinbergen dort verarbeiten würde.
Ollie hat geschrieben: ↑Mi 1. Okt 2025, 16:15
Bei "kein Hund" hat er ein Stein im Brett, bei "Katze" bin ich neugierig, probiere unschlüssig, beiße den Weinmacher und kaufe dann doch nichts.
Ich glaube aber wirklich nicht, daß man vom Bau auf den Wein rückschließen sollte. Das Gaffel ist schließlich auch schon lange schal, bevor der Dom fertig ist.
la-vita hat geschrieben: ↑Mi 1. Okt 2025, 21:47
Immerhin hat Chateau Cantenac Brown seinen neuen Weinkeller vornehmlich mit natürlichen Materialien gebaut. Unter anderem mit Wänden aus gestampftem Lehmboden.
Ah! Dann dürfen wir also demnächst Cantenac-Brown-Amphorenwein erwarten.