Weinbegleitungen in Restaurants

[vonKorf]

Hallo in die Runde,

ich hätte gerne gewusst, wie eure Erfahrungen und eure Haltung zu Weinbegleitungen (manchmal "Weinreise" genannt) in Restaurants sind. Ich nehme diese Angebote oft gerne an, schon aus Bequemlichkeit, aber in erster Linie, weil es spannend sein kann, auf diese Weise neue Weine kennenzulernen und weil es wirklich beglückend sein kann, wenn Wein und Gericht perfekt harmonieren.

Seit einem Weinerlebnis vor einigen Tagen in einem exzellenten Restaurant (2 Michelin-Sterne, vorzügliches Essen) beschleichen mich allerdings einige Zweifel: Da serviert zu Beginn der Sommelier als ersten Wein einen Chenin blanc aus Südafrika mit der Bemerkung "Chenin blanc ist ja für Südafrika eine sehr untypische Rebsorte", was mich einigermaßen verwunderte (aber man will ja einem "Fachmann" nicht gleich nach dem ersten Satz widersprechen),vor allem aber ziemlich enttäuschte, denn der Wein war recht flach und konnte nur mäßig begeistern. Die restlichen Weine dieser "Weinreise" kamen fast alle aus unmittelbarer Umgebung (Baden), einer (der beste) immerhin aus Rheinhessen (Wittmann, Riesling Aulerde, mit Jg.2014 nicht mehr der jüngste...); die anderen waren mehr oder weniger biederer Durchschnitt, nicht mehr (Google offenbarte Flaschenpreise um 15-25 €), zum süßen Dessert gab's übrigens einen knochentrockenen Rotwein (der Sinn dieser Wahl wurde zwar kurz erläutert, ich hab's aber nicht verstanden, nach dem Trinken auch nicht). Die sieben Gläser à 0,1 wurden dann mit 179 € berechnet.

Seither habe ich den Verdacht, solche Weinreisen könnten auch dazu dienen, a) "Kasse" zu machen und b) im Weinkeller aufzuräumen (reife Jahrgänge müssen ja irgendwann mal weg)...

Was meint ihr zu dem Thema?

Sommerliche Grüße
Wolfgang

[EThC]

ich hätte gerne gewusst, wie eure Erfahrungen und eure Haltung zu Weinbegleitungen (manchmal "Weinreise" genannt) in Restaurants sind

...relativ durchwachsen, insgesamt abnehmende Attraktivität; bei Restaurants, die ich noch nicht kenne, mach ich's gar nicht mehr. Zum einen kann ich die beschriebene / vermutete "Resteverwertung" in manchen Fällen auch bestätigen, zum anderen sind die Begleitungen oft auch recht mainstreamig / belanglos und werden der Qualität der Gänge oft nicht gerecht; irgendwie auch verständlich, man geht da halt den Weg des geringsten Widerstands.
Ich bin natürlich auch jemand, der gerne Weine "neben der Spur" trinkt, das ist grundsätzlich schon mal schwierig, es gab aber Restaurants, wo das tatsächlich gut funktioniert hat, z.B. im Münchener Mural. Im Miil in Tscherms habe ich auch jahrelang die Weinbegleitung gewählt, weil da ein recht gelungener Mix aus Klassik und Moderne präsentiert wurde, leider bei unserem letzten Besuch nicht mehr. Der Sommelier meinte dann, sie wären von dem Einstreuen der Weine "neben der Spur" abgekommen, weil zuviel "negatives Feedback" von den Gästen kam, deshalb auch hier nun eher Mainstream. Nächstes mal auf jeden Fall à la carte...

[amateur des vins]

Ich nehme beim Erstbesuch ganz gerne die Weinbegleitung, weil es mir bei der Einschätzung des Restaurants hilft. Aber auch nicht immer; hängt von den Umständen und meiner Tagesform ab. Und wenn klar ist, daß ich dort ziemlich sicher nie wieder hinkomme, nützt mir die Einschätzung danach wenig.

Aber ja: Ganz überwiegend ist die Begleitung ernüchternd. Selbst wenn ich vorher durchblicken lasse, daß es gerne etwas ambitionierter sein darf, stößt das selten auf eine adäquate Reaktion. Wenn doch, gibt's satte Pluspunkte.

Eher selten versuche ich vorher die zusammengestellten Weine zu erfragen, um danach zu entscheiden. Bei hochdekorierten "Nie-wieder-Restaurants" aber schon, denn da möchte ich den einen Besuch maximal genießen.

Eines ist aber auch klar: Die allermeisten Gäste sind keine Weinfreaks wie wir und nehmen entsprechend weniger Geld dafür in die Hand. Das bedeutet im Umkehrschluß, daß die meisten Restaurants garkeine Wahl haben und einfachere Weine anbieten müssen, weil sie teure womöglich nicht verkauft bekommen. Im Zwei-Sterne-Haus sollte das aber machbar sein.

[Udo2009]

Bisher durchweg gute bis sehr gute Erfahrungen gemacht.

Im Jean in Eltville hat die Someliere Weine zu den Gängen ausgesucht, die perfekt gepasst haben.

Im Balthasar in Paderborn war die Auswahl ebenfalls hervorragend...

In Dowans Hotel, Speyside haben sowohl Weinbegleitung als auch Whiskybegleitung zu den Gängen 100 pro gepasst.

Als Lafer noch die Stromburg hatte, haben wir dort gegessen. Da ich fahren musste, fragten wir nach einem Wein, der zum ganzen Menü passte. Der empfohlene Wein vom Königswingert war wirklich ein sehr guter Kompromiss...

Im Hvelvet in Lillehammer Lachs und Entenbrust bestellt, auf die Frage nach Wein wurde ein roter und ein weißer empfohlen. In der (29-seitigen DIN A 4) Weinkarte fand sich ein Weißburgunder aus der Pfalz. Ich bin das Risiko eingegangen und habe den zu beiden Gerichten genommen (Flasche) und er stellte sich als kräftig genug heraus, um mit der Entenbrust mitzuhalten und fein genug, um dem Lachs genüge zu tun... (Man wollte sich die Wahl für die Zukunft merken...)

[vonKorf]

Vielen herzlichen Dank für eure Kommentare!
Wie gesagt sind meine Erfahrungen sehr unterschiedlich.
Praktisch ist es jedenfalls, wenn man auf der Menükarte schon sehen kann, was einen erwartet in puncto Weinbegleitung; da habe ich in der Vergangenheit auch schon mal "gemischt": zu den ersten Gängen eine Flache Weißwein vom Riesling, den ich schon immer mal probieren wollte (und den ich mir schon im Vorfeld auf der online veröffentlichen Weinkarte in Ruhe ausgesucht habe) und zum Fleischgang dann das in der Weinbegleitung vorgesehene Glas Pomerol.....

[glauer]

Ich hatte schon phänomenale Weinbegleitungen, die das Essen perfekt komplementiert haben und dabei auch noch meinen Weinhorizont durch für mich neue Weine erweitert haben. Ich erinnere besonders Alinea vor 15 Jahren oder Marco Franzelin im Vendome. Meist aber werden sehr junge und nicht besonders anspruchsvolle Weine serviert, da stimmt die Marge und es gibt genug Gäste die das mögen (und für viele Leute ohne grosses Weininteresse kann da immer noch genug neues und interessantes dabei sein). Auch solche Begleitungen können zumindest smart und vor allem passend ausgesucht sein, meist finde ich aber was ich da lese nicht attraktiv weil ich zuhause auch unter der Woche sehr leicht besser trinken kann. Mir sind auch 5 oder noch mehr verschiedene Weine (in kleinen Portionen) zu viel Mischmasch. Ich bevorzuge je einen richtigen guten Weiss- und Rotwein (plus Schampus) in die ich mich etwas vertiefen kann. Gilt übrigens auch für das Essen, bei 13 Gängen weiss ich meist schon nach dem 5. nicht mehr was ich vorher gegessen habe. Manchmal geht es mir bei den kleinen Gängen sogar so, dass ich direkt danach nichts mehr weiss ausser "war gut", weil ich mich gerade angeregt unterhalten habe.
So wechseln die Vorlieben, vor 20 Jahren konnte es auch für mich nicht genug Gänge mit dazu passenden Getränken geben.

[Nora]

Meine Erfahrung in der gehobenen bzw. Sternegastronomie:

Die Weine der Weinbegleitung sind oft belanglos, passen häufig nicht zu dem servierten Essen, insb. wenn dieses etwas moderner und experimenteller ist und sind völlig überteuert.

Für mich ist eine passende und gute Weinbegleitung an ganz wesentlicher Aspekt für einen gelungenen Abend. Leider gelingt das viel zu selten.

VG, Nora

[vonKorf]

Meine Erfahrung in der gehobenen bzw. Sternegastronomie:

Die Weine der Weinbegleitung sind oft belanglos, passen häufig nicht zu dem servierten Essen, insb. wenn dieses etwas moderner und experimenteller ist und sind völlig überteuert.

Klare Kante!
Vielen Dank!
(Bei dem oben beschriebenen Restaurantbesuch handelte es sich übrigens um das Ophelia in Konstanz)

Herzliche Grüße
Wolfgang

[Jochen R.]

In meinem näheren Umkreis (30-40 km) hat´s in den letzten Jahren das Top Air (am Stuttgarter Flughafen), Avui (Fellbach) und Goldberg (Fellbach) mit Spitzenküche + exzellenter Weinkarte und fährigem Sommelier verspult. Die gibt´s einfach nicht mehr.

Sterne-Gastronomie hätte ich sogar direkt vor der Haustüre, aber in den Pfauen (Schorndorf) zieht´s mich ob der doch lächerlichen 0815 Weinkarte überhaupt nicht (oder eher ganz selten ) hin.

Wenigstens haben z. B. in Fellbach den "Zum Hirschen" (ehemals Avui) fähige Leute übernommen. Gut bürgerlich und weniger Chichi, dafür super Weinkarte mit anständigen Preisen - da suche ich mir meine Weinbegleitung gerne selber raus.

Viele Grüße,
Jochen

[amateur des vins]

Ich tendiere inzwischen stark zum BYO. Selbst, wenn es nicht von vorneherein angeboten wird, kann eine Anfrage lohnen.