Bernd Schulz hat geschrieben: ↑Mi 5. Jun 2024, 21:25
Was soll ich sagen? Die 100 Punkte stimmen...
...endlich mal eine profunde Validierung!
Viele Grüße
Erich
Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.
Im Glas befindet sich nach fast sechs Jahren erneut die süße 2017er Spätlese aus dem Hühnerberg:
Dass dieser Wein nicht ganz an die allerbesten M-S-R-Spätlesen heranreicht, liegt vielleicht an den 9,5 Volt. Jedenfalls erreichen die Spätlesen von Weingütern wie Fritz Haag, Schloss Lieser, J.J. Prüm, Dr. Hermann etc. in aller Regel diese Schlagzahl nicht. Ansonsten ist das ein schöner Riesling, der vermutlich auch noch lange ziemlich schön bleiben, aber kaum besser werden wird.
Das ist definitiv einer der schönsten halbtrockenen Weine, die ich je getrunken habe, aromatisch ungemein eindringlich, aber trotzdem alles andere als laut. Hinzu kommt die ausgesprochen feine und reife Qualität der Säure. Ziemlich große Kabinettkunst!
Nachdem sich Ralf heute mit einem Müller-Thurgau vom Zehnthof Luckert herumgeärgert hat, wollte ich wissen, was der 20er Rivaner von Martin Müllen mittlerweile kann:
Jeder, der diesen moseltypischen Weißen blind für einen Riesling hält, muss sich angesichts der schwungvollen Säure und der Feingliedrigkeit gewiss nicht schämen. Hier wirkt nichts breit oder banal, die vermutlich mehr als 4 Gramm Restzucker stechen in keinster Weise hervor und die traubige Frucht macht einen absolut unaufgesetzten Eindruck. Zudem kostet die ganze Angelegenheit keine 10 Euro, sondern 7,50. Ein sehr schöner Sommerwein mit Anspruch (der eigentlich längst ausverkauft sein sollte)!
….nach einigen für mich überteuert-nichtssagenden Bourgogne endlich wieder dieses Glücksgefühl schon beim ersten Nippen von Müllens Kröver Paradies Riesling Spätlese** trocken 2019, eine andere Seinsebene, wo das Schmecken nicht mangels Emotionen ins Grüblerische rutscht, sondern einfach genießerisch geschieht. Dabei ist es kein Riesling mit von mir bevorzugten Eigenschaften. Etwas zu süß und weich, irgendwie auch etwas laktisch verschleiert und mit einem mehligen Mundgefühl. Aber darunter blitzt markante Moselfrucht und Säure, geben steinige, schiefrige Noten Kontur… Die Begeisterung kommt aus dem Gefühl, ein so perfekt modelliertes wie natürliches Getränk im Glas zu haben. Unaufgeregt harmonisch, aber nie monoton. Ein Eindruck von Lebendigkeit durch kleine Veränderungen, Abstufungen von Säure, Süße, Bitternis und Würze, die klar konturiert sind und aufgrund des eher weichen Grundstoffs umso effektvoller.
manche Erlebnisse sind unheimlich, weil sie real erscheinen, aber nur von einem selbst wahrgenommen werden. Beim Weintrinken wird mir besonders oft unheimlich.
2023 Kröver Paradies Riesling Spätlese** "Alte Reben“ trocken und 2023 Trabacher Hühnerberg Riesling Spätlese** trocken waren für mich kürzlich Weine, die mir von allen bisher genossenen Müllens mit am schlechtesten gefallen haben. Für einen Müllen-kritischen Mitprobierer zählten sie zu den besten. Ich fand die Weine relativ leer und zum Teil aromatisch unangenehm bissig. Meine beiden Mittrinken fanden auch einiges krass, sahen sie z.T. in der Naturweinecke, hatten aber im Gegensatz zu mir spannende und inspirierende Erlebnisse.
Das hat mich dazu gebracht, Tage später eine Konterflasche 2023 Kröver Paradies Riesling Spätlese** "Alte Reben“ trocken zu öffnen. Schon vor dem ersten Schluck ahnte ich, dass ich nicht verrückt bin - nein, dass das zweite Erlebnis anders sein wird. Die abgründige Leere beim ersten Probieren - auch nicht durch fehlende Reife oder irgendeinen Fehler zu erklären - gibt es nicht mehr. Während ich Flasche 1 knapp abgeurteilt hatte, könnte ich jetzt viele Sätze schreiben. Seltsam, aber ich bin beruhigt. Obwohl das unheimliche Erlebnis bleibt.
…bei längerer Beschäftigung löst sich der Spuk allerdings und die Flaschen nähern sich mehr einander an. Zumindest die subjektive Dialektik funktioniert irgendwie.
...das ist im Jahrgangskontext schon richtig gut, ob man dafür aktuell 60 Euronen ausgeben will, ist Geschmackssache...
Viele Grüße
Erich
Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.