Bernd Schulz hat geschrieben:
Ganz abgesehen vom Gewürztraminer verhält es sich ja so, dass Elsässer Weine in unserem Forum so gut wie gar keine Rolle spielen. Und das finde ich bei rechtem Licht betrachtet nicht nur schade, sondern auch eigenartig. Das Elsass ist als großartige Kulturlandschaft mit wunderbaren Städten (Straßburg, Colmar) und Städtchen (Riquewihr, Ribeauville, Kaysersberg, Turckheim etc. usf.) ein erstklassiges Reiseziel; ich erinnere mich unglaublich gerne an eine mehrtägige Wanderung, die ich noch während meines Studiums zusammen mit Freunden vom Odilienberg bis Turckheim unternommen habe. Warum wird diese traditionsreiche Weinregion hier so vernachlässigt?
In diesem Fall liegt das tatsächlich mal nicht am begrenzten Spektrum, das dieses Forum nur abbilden kann, sondern lässt sich auch in Zahlen belegen. Ich habe jetzt nicht nach den allerneuesten Zahlen gegoogelt, hatte aber mal vor zwei oder drei Jahren recherchiert: der Export Elsässer Weine nach Deutschland, der in den 80er Jahren bedeutend war und den größten Teil des Exports von dort ausmachte, ist auf einen kleinen Bruchteil zusammengebrochen, und das meiste, was von dort seinen Weg heute noch nach Deutschland findet, ist Crémant. Die Stillweine, die exportiert werden, gehen heute vorwiegend in die USA. Insgesamt hat man aber nie mehr an die Exportquote von früher anknüpfen können, und es herrscht wie in vielen französischen Anbaugebieten Krise.
Dafür lassen sich viele Gründe finden. In den 80ern fand in Deutschland der Umbruch von vorwiegend restsüß auf trocken statt, und der Bedarf an qualitativ ansprechenden trockenen Weinen konnte zunächst nicht aus Deutschland gedeckt werden, da ist man dann auf das Elsass ausgewichen, das einerseits Frankreich ist (das war damals total angesagt), andereseits aber dem deutschen Publikum bekannte Rebsorten in einer nicht ganz unvertrauten Stilistik anbot. Je mehr sich die Produktion trockener Weine in Deutschland etablierte, desto weniger brauchte es das Elsass.
Paradoxerweise gab es dann auch noch eine Gegenbewegung: in dem Maße, in dem deutsche Weine trockener wurden, wurden die Weine im Elsass süßer. Ich erinnere mich an eine Tour im Elsass vor ein paar Jahren, als ich durchaus kaufwillig auf der Suche nach wirklich trockenem Riesling schier verzweifelt bin. Ja, es gibt den da auch heute noch, aber man kann nicht mehr wie vor vierzig Jahren zum Winzer an der nächsten Ecke gehen, sondern muss gezielt suchen und sich vorab informieren.
Dass der Weinbau im Elsass in einer tiefen Krise steckt, sieht man übrigens auch, wenn man kurz vor der Erntezeit durch die Weinberge geht. Ich erinnere mich an eine Wanderung im Herbst 2019 von Riquewihr nach Ribeauvillé - was man da an völlig verwahrlostem Gammel zu sehen bekam, war schon erschreckend, und kenne ich in der Form von anderswo nicht. Aber natürlich ist das auch nicht überall so: im
Clos Windsbuhl von Zind-Humbrecht sah es so aus, als wenn da jeden morgen einer mit der Nagelschere durchgeht und alles, was nicht 100% in Ordnung ist, wegschneidet. Aber das zahlt man dann auch, und damit sind wir bei einem weiteren Punkt: qualitativ hochwertige Elsässer sind teuer. Sehr teuer.
Gruß
Ulli