Im 2017 Faden hat Olaf diese Diskussion angestoßen, ich antworte mal in diesem Faden.
Olaf Nikolai hat geschrieben:Aus der aktuellen Lage ergibt sich keine einfache Situation für Weinproduzenten und - handel.
Der Gastrobereich als Absatzmarkt ist praktisch tot, ohne realistisch absehbare Perspektive, politisch keine erkennbare konzeptionelle mittel- oder langfristige Planung. Stilles, geradezu gottergebenes, vielerort ratloses Verharren.
Es ist wenig wahrscheinlich das der private Sektor die strukturellen Defizite der Absatzmärkte wird kompensieren können.
Die verfügbare Menge an Wein am Markt ist hoch. Ob Allokationen aufgrund der eingeschränkten Liquidität abgerufen und bezahlt werden ist mehr als fraglich. Viele Unternehmen sind auf cashflow angewiesen. Wie wird sich dies auf die Weinwirtschaft, gerade auch im Hinblick auf die Vermarktung der 17er, 18er und ggf. 19er Bordeauxjahrgänge, mglw. ohne das qualitative Maßstäbe eine relevante Rolle spielen werden, auswirken?
Wie ist Eure Meinung. In Blick in die Glaskugel bitte!
Hallo Olaf,
ich finde deine Frage sehr interessant, und hatte gehofft, dass sich eine Diskussion entwickelt. Ich habe leider bei ökonomischen Abläufen kaum Ahnung und eine naive Perspektive obendrein, so dass ich kaum inhaltlich beitragen kann. Ich spekulier trotzdem mal (
Glaskugel), deshalb bitte nicht zu ernst nehmen.
Neben der Corona-Krise hat ja Bordeaux auch noch mit Überproduktion, Exportsteuern in die USA, der unklaren Entwicklung der Marktes in GB, sinkender Nachfrage in Asien, ... zu kämpfen.
Es geistert ja immer wieder so eine Zahl von 30€ maximale Gestellungskosten durchs Forum. Ein Bordeaux-Wein, der z.B. 50€ EVP hat, führt ja aber nicht dazu, dass sich das Chateau eine goldene Nase verdient, sondern es gibt noch weitere Kostenfaktoren ausgehend vom Wein bis zum Verbraucher. Mir fällt da z.B. folgendes ein:
- Marketing
- Vertriebskanäle
- Kredite
- Rendite-Erwartungen von Stakeholdern
- Transformationsprozess innerhalb des Chateaus/Betriebs
- Önologische Berater
- Lagerkosten/Kapitalbindung
Diese Kostenfaktoren müssen sich ja in Folge verändern, wenn das System erhalten werden will. Unklar ist mir, ob die sich in Richtung erhaltung des Cashflows, also zur Realwirtschaft hin, oder ob sich durch Kredit- bzw. Renditeanpassung der kapitalwirtschaftliche Bereich ändert. Wahrscheinlich wird das von Chateau zu Chateau anders sein. Für uns als Verbraucher wird man wohl nur die realwirtschaftlichen Maßnahmen merken. Die Kapitalwirtschaftlichen wohl erst, falls eine Blase entsteht bzw. wächst, bzw. platzt.
Was schätze ich daraus für mich und uns aus den realwirtschaftlichen Anpassungen ab?
- Es wird bei der Produktion gespart: weniger Selektion, eingeschränkte Handlese, Berater bzw. Analysen eingespart, Korkenqualität, weniger Neuholz (mehr Micro-Oxygenation), Tanninzugabe, etc. Die Qualität wird etwas runter gehen.
- Transformationen im Chateau zu Bio und neuem Equipment werden verschoben. Bordeaux wird noch weniger
progressiv sein, die Stilistik konservativ.
- Der Vertrieb wird sich konsolidieren, die Margen kleiner werden. Es wird weniger Anbieter und Händler geben.
- Die Verkosterpunkte werden weiter anwachsen, wer am lautesten schreit, wird weiterhin gefragt sein.
Die kapitalwirtschaftlichen Änderungen finde ich noch schwerer. Wie wird sich die Nachfrage nach Luxusgütern verändern, inwieweit sind Bordeaux-Weine und auch Chateaus in Zukunft als Investitionsobjekt interessant? Faktoren wie die Inflation in Zukunft sind dafür wohl maßgeblich. Als Effekt kann ich mir vorstellen:
- Es wird in naher Zukunft keine Rising-Stars (wie z.B. Les Carmes Haut Brion) geben, weil die Investition zu riskant ist.
- Es werden Parzellen bzw. Flächen vermehrt gehandelt. Wahrscheinlich sich der Markt hin zu größeren Playern konsolidieren.
Ich habe jetzt einfach mal rumgesponnen, vielleicht mag mich ja jemand korrigieren. Gerne auch direkt drauf hinweisen, dass ich bestimmt einige Begriffe, Terminologien komplett falsch verstehe, aber einfach trotzdem verwende.
Grüße, Josef