octopussy hat geschrieben:
Das ist mir zu unkonkret. Was ich ja nachvollziehen kann, ist, dass man z.B. Parker oder Galloni oder Suckling vorwirft, sie würden über 100 Punkte Weine Medienbuzz generieren. Aber bei Jancis Robinson ist mir der Vorwurf der Selbstvermarktung nicht ersichtlich. Will sie aus Ihrer Sicht sich als "besonders streng" vermarkten?
Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass ich mich nicht berufen fühle, meine bewusst dezent nebulös formulierte Meinung - schließlich steht es mir überhaupt nicht zu, mich aus den Niederungen meiner eigenen Beobachterperspektive zu erheben - solcherart zu konkretisieren, dass sie ggf. mit ihrer persönlichen Sympathie für die einzelnen Verkoster harmoniert.
Parker war derjenige der avant la lettre überhaupt erst einmal die Bedingungen zur Identifikation von Perfektion (besser ausformuliert ist das hier:
http://www.aux-fins-gourmets.de/blog/20 ... verkoster/) schuf. Er hat immerhin mit grosser Verkosterseele Perfektion regelmäßig dort erkannt, wo es sie auch tatsächlich gibt - und sie in einem Akt des Zurückruderns besonders manchem Premier Cru verweigert, um die Büchse der Pandora wieder zu verschließen. Mit Dürrenmatt wissen wir aber, dass bereits ein solches Ansinnen tragisch ist.
Sucklings USP ist "to be the premier in the premiers business". Seine Bewertungen huldigen dem Exzess, aber er ist ja durchaus nicht der Einzige, bei dem man eigentlich eine Art logarithimische Skala annehmen muss

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Bei Jancis Robinson lassen die Texte nicht selten darauf schließen, dass die Muster in einem nicht "TÜV-gerechten" Zustand waren. Als Verkoster habe ich die Möglichkeit, dort die Koinzidenz zur Substanz zu erheben, wo es mir die Mühe nicht wert ist, den Wein noch einmal anderswo zu probieren. Wenn im Troß verkostet wird, potenziert sich der Eindruck, wenn z.B. drei Leute ein nicht optimales Muster haben.
Generell geht es aber doch auch um die Frage, ob das, was ich jetzt im Detail schmecke, überhaupt eine Relevanz dafür hat, wie der Wein in der Zeit seiner Genußreife sich präsentieren wird. Wenn Sie so wollen, halte ich den Stil von Jancis Robinson, der bei einer Veranstaltung, deren Wirkung normale Zeithorizonte transzendiert, für zu sehr gefangen im Moment möglicher subjektiver Insuffizienz (suboptimales Muster, Tiefdruckgebiet, Zeitpunkt des Verkostens, Lärm, Parfümierung, Temperatur etc).
Wer je einen Bandol alter Schule jung probiert hat, kann vielleicht ermessen, dass eine Beschreibung seines jugendlichen Gaumenauftritts nicht dazu taugen wird, den Kreis seiner Symphatisanten zu erhöhen. Man will doch aber auch garnicht wissen, wie etwas jetzt schmeckt, was man 20 Jahre später trinkt.
Herzliche Grüße,
Matthias Hilse