Stuart Pigott - (noch) ein wichtiger Weinkritiker?
Verfasst: Mi 7. Dez 2016, 21:23
Immer wieder tauchen in Beiträgen Auseinandersetzungen mit Weinkritikern und ihren Bewertungen auf, so zuletzt durch den eigentlich ganz harmlosen Hinweis von „BerlinKitchen“ auf eine Bewertung des Heerkretz GG von Wagner Stempel durch den Weinkritiker Stuart Pigott. Das veranlasste mich, in jenem Beitrag eine kurze Zusammenfassung von Pigotts Best-of-Liste zu verfassen, die wiederum von Ralf Gundlach und Bernd Schulz mit süffisant-kritischen Bemerkungen über Pigott versehen wurde.
Bernd Schulz bat ich, seine Kritik an Pigott zu präzisieren, wozu er sich gerne bereit erklärte, wenn ich dazu einen neuen Diskussionsbeitrag eröffnen würde. Voilá, hier ist er.
Zwei Bemerkungen vorweg:
1. Die professionelle Weinkritik hat in den letzten zwei Jahrzehnten hierzulande einen massiven Bedeutungsverlust erlitten. Weinfreundinnen und –freunde, wie sie sich auch in diesem Forum tummeln, begegnen dem Thema Wein inzwischen mit einer fast professionellen Ernsthaftigkeit. Das heißt: Sie probieren wie früher es nur Profis taten, sie besuchen Winzer, sie setzen sich mit Bedingungen der Weinproduktion auseinander und nutzen die Globalisierung des Weinmarktes, die es ihnen ermöglicht, nahezu jeden erdenklichen Tropfen zu kosten. Selbstbewusst sehen sie sich auf Augenhöhe mit professionellen Weinkritikerinnen und –kritikern, deren Urteile sie mit einiger Kennerschaft überprüfen und eigene entgegensetzen. Das bedeutet auch eine Demokratisierung der Weinkritik. Und die Frage taucht auf: Sind die Zeiten der Großkritiker( zumindest für deutschen Wein) gezählt?
2. Stuart Pigott: Er hat sicherlich zusammen mit dem Gault Millau-Weinguide viel zur Entdeckung und zum Aufstieg des deutschen Weins in den 90ern beigetragen. Seine Bücher aus dieser Zeit sind profund. Zu diesen profunden Werken zähle ich auch „Wein spricht deutsch“ (zus. mit anderen Autoren) von 2007 sowie zuletzt „Planet Riesling“ von 2014. Pigott war allerdings für mich zwischendurch regelrecht von der Bildfläche verschwunden, er hatte sich in irgendwelche exzentrische Projekte verfranzt, lebte zumindest eine ganze Weile in den USA. Er schrieb wohl auch für einige Fachblätter wie „Falstaff“ oder „Fine“, aber ich habe über die Jahre nur seine (oft sehr belanglose) Kolumne in der F.A.S. mitbekommen. Mit Punkten bewertet hat er seine Weine lange nicht mehr, hat auch deshalb eine Entwertung als Kritiker erfahren müssen. Jetzt ist er zurück, schreibt bei James Sucklíng und hat sich als erstes vor allem die 2015er GGs vorgenommen. Und dies – wie ich finde – in tadelloser Weise: Seine Bewertungen sind für mich nachvollziehbar, zumal er seine Kriterien darlegt. Ohnehin ist Pigott ein ausgezeichneter Verkoster, was auch manche Winzer eindrucksvoll bestätigen, die sonst kein gutes Haar an ihm lassen. Von der extremen Exzentrik, die sein Auftreten und auch manche publizistische Ergüsse stark eintrüben, ist hier nichts zu spüren. Für mich ein großes Comeback. Pigott ist für mich inzwischen ein Neo-Traditionalist. Aber er hat auch seit seinem Geisenheim-Kurz-Studium einen engen Draht zur jungen deutschen Weinszene. Er ist überdies der wohl größte Kenner von Rieslingweinen auf der Welt. Alles in allem eine Stimme, die auch in unserer demokratisierten, von Geschmacksvielfalt bestimmten Weinwelt und ihren Diskursen Respekt und Gehör verdient.
Bernd Schulz bat ich, seine Kritik an Pigott zu präzisieren, wozu er sich gerne bereit erklärte, wenn ich dazu einen neuen Diskussionsbeitrag eröffnen würde. Voilá, hier ist er.
Zwei Bemerkungen vorweg:
1. Die professionelle Weinkritik hat in den letzten zwei Jahrzehnten hierzulande einen massiven Bedeutungsverlust erlitten. Weinfreundinnen und –freunde, wie sie sich auch in diesem Forum tummeln, begegnen dem Thema Wein inzwischen mit einer fast professionellen Ernsthaftigkeit. Das heißt: Sie probieren wie früher es nur Profis taten, sie besuchen Winzer, sie setzen sich mit Bedingungen der Weinproduktion auseinander und nutzen die Globalisierung des Weinmarktes, die es ihnen ermöglicht, nahezu jeden erdenklichen Tropfen zu kosten. Selbstbewusst sehen sie sich auf Augenhöhe mit professionellen Weinkritikerinnen und –kritikern, deren Urteile sie mit einiger Kennerschaft überprüfen und eigene entgegensetzen. Das bedeutet auch eine Demokratisierung der Weinkritik. Und die Frage taucht auf: Sind die Zeiten der Großkritiker( zumindest für deutschen Wein) gezählt?
2. Stuart Pigott: Er hat sicherlich zusammen mit dem Gault Millau-Weinguide viel zur Entdeckung und zum Aufstieg des deutschen Weins in den 90ern beigetragen. Seine Bücher aus dieser Zeit sind profund. Zu diesen profunden Werken zähle ich auch „Wein spricht deutsch“ (zus. mit anderen Autoren) von 2007 sowie zuletzt „Planet Riesling“ von 2014. Pigott war allerdings für mich zwischendurch regelrecht von der Bildfläche verschwunden, er hatte sich in irgendwelche exzentrische Projekte verfranzt, lebte zumindest eine ganze Weile in den USA. Er schrieb wohl auch für einige Fachblätter wie „Falstaff“ oder „Fine“, aber ich habe über die Jahre nur seine (oft sehr belanglose) Kolumne in der F.A.S. mitbekommen. Mit Punkten bewertet hat er seine Weine lange nicht mehr, hat auch deshalb eine Entwertung als Kritiker erfahren müssen. Jetzt ist er zurück, schreibt bei James Sucklíng und hat sich als erstes vor allem die 2015er GGs vorgenommen. Und dies – wie ich finde – in tadelloser Weise: Seine Bewertungen sind für mich nachvollziehbar, zumal er seine Kriterien darlegt. Ohnehin ist Pigott ein ausgezeichneter Verkoster, was auch manche Winzer eindrucksvoll bestätigen, die sonst kein gutes Haar an ihm lassen. Von der extremen Exzentrik, die sein Auftreten und auch manche publizistische Ergüsse stark eintrüben, ist hier nichts zu spüren. Für mich ein großes Comeback. Pigott ist für mich inzwischen ein Neo-Traditionalist. Aber er hat auch seit seinem Geisenheim-Kurz-Studium einen engen Draht zur jungen deutschen Weinszene. Er ist überdies der wohl größte Kenner von Rieslingweinen auf der Welt. Alles in allem eine Stimme, die auch in unserer demokratisierten, von Geschmacksvielfalt bestimmten Weinwelt und ihren Diskursen Respekt und Gehör verdient.