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Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Mi 8. Jun 2011, 20:42
von UlliB
harti hat geschrieben: Und - sind viele Zweitweine heute nicht inzwischen genauso gut wie die Erstweine vor vielleicht 15-20 Jahren? Noch geht die Diskussion an den Zweitweinen vorbei, meines Erachtens aber zu Unrecht. Und manchmal habe ich das Gefühl, dass ein Zweitwein (von den Journalisten) nur deswegen eine schlechte Note bekommt, weil er das falsche Etikett trägt.
Hallo Hartmut,
da bringst Du einen für mich wirklich interessanten Aspekt in die Diskussion ein.
Als ich angefangen habe, mich für Bordeaux zu interessieren, kamen mir noch ziemlich viele Zweitweine ins Glas. Ich habe damals (d.h. vor rund 25 Jahren) allerdings ziemlich schnell gemerkt, dass Zweitweine mit ganz wenigen Ausnahmen wirklich zweitklassiges Zeug waren - eine Art teure Abfallverwertung der Güter - und man in aller Regel mit einem soliden
cru bourgeois ganz erheblich besser fuhr als mit den Zweitweinen durchaus renommierter Erzeuger (rühmliche Ausnahme waren eigentlich nur Forts de Latour und Clos du Marquis). Seit gut 20 Jahren ist mir deshalb praktisch kein Zweitwein mehr ins Glas gekommen, was aber natürlich auch heißt, dass eine mögliche positive Entwicklung dieses Segments völlig an mir vorbeigelaufen ist.
In diesem Zusammenhang gibt es übrigens im aktuellen Vinum eine einigermaßen aufschlussreiche Randbemerkung zum "Les Pagodes" 2010:
"...bietet er [J.G. Prats] als klassische Alternative [zum Cos d'Estournel] den Zweitwein Les Pagodes an und antizipiert damit ganz offen die Entwicklung, an der viele Chateaux klammheimlich und im Hintergrund stricken: die Chateau-Cuvée wird zur überkandidelten, exklusiven Jagdtrophäe für neureiche chinesische Großweinjäger und der Zweitwein zur zivilisierten, klassischen Variante für die tradtionellen Märkte, qualitativ und preislich auf ähnlicher Höhe wie vor zehn Jahren der Erstwein."
Ist was dran an der Sache? Und subskribiert hier jemand Zweitweine?
Gruß
Ulli
Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Mi 8. Jun 2011, 20:58
von Weinpapst
Hallo zusammen,
ich verfolge dieses Forum jetzt bereits seit mehreren Wochen und danke euch allen für die lesenswerten Beiträge und alle aktuelle Infos. Allerdings muss ich gestehen, dass mir heute der Kragen geplatzt ist und ich nun mal meinen Senf zu der en-primeur Kampagne und vor allen Dingen zu vielen hysterischen Beiträgen hier im Forum geben muss. Alle wissen, dass Bordeaux noch nie billig war, nie billig ist und nie billig sein wird. Das ganze gejammere hier nervt mich mittlerweile ein wenig. Wir haben das Glück zwei herausragende Jahrgänge nacheinander zu erleben. Alle Weinkritiker sind sich einig und sehen sowohl in 09 als auch in 10 die "Jahrhunderjahrgänge. Was kosten den mittlerweile die legendären Jahrgänge 1928, 1929, 1961 oder 1982 und was haben sie damlas gekostet?
Solche Jahrgänge waren schon immer extrem teuer (auch zu der damaligen Zeit). Ich verweise in diesem Zusammenhang auf einen Beitrag im aktuellen Decanter Magazine. Im Übrigen ist da eine hervorragende Extrabeilage Bordeaux 2010 in der aktuellen Ausgabe. Da werden die Weinpreise seit 1982 aufgezeigt. Langfristig gesehen wird sich das Investement immer lohnen. Ich behaupte sogar, dass wir alle in 2020 froh wären, wenn wir noch einmal so billig wie jetzt diese Weine bekommen könnten. Wer weiss, ob überhaupt in den nächsten 10 Jahren solche Qualitäten erreicht werden? Ich denke, dass sich einige Leute hier nur selbst vergaukeln indem sie den Jahrgang preislich diskreditieren. Ich bin wie viele hier nur Kosument und habe keine geschäftlichen Vorteile durch mein Statement und ja auch mich ärgern die hohen Preise. Diese hohen Preise werden sich jedoch wie bereits erwähnt mit der Zeit verklären....Ich habe mit einem guten Gefühl heute jede Menge Pontet Canet 2010 geordert und werde auch Baron Pichon, Calon Segur, Les Ormes de Pez, Lynch Bages und Grand Puy Lacoste kaufen. Die Qualitäten sind sensationell, glaubt mir!!!!
Der Pontet Canet ist mittlerweile auch schon 10 € teurer als heute morgen. Und noch was: Pontet Canet wird sicherlich demnächst zur 1. Grand Cru aufsteigen. Wer über so viele Jahre so gute Qualitäten erzeugt, der wird über kurz oder lang nicht missachtet werden können. Die Weinwelt hat alle Anstrengungen von Monsieur Tesseron bereits gewürdigt und ich habe mich persönlich in Bordeaux sowohl von dem Weingut, der Weinberge und der Weine überzeugt. Also hört auf zu jammern und kauft diesen Jahrgang und 09 wo es noch geht, denn die Qualitäten sind Wahnsinn! Die gesamte publizierende Weinwelt kann nicht irren, denn sonst wäre die Glaubwürdigkeit dahin...
Amen
Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Mi 8. Jun 2011, 21:17
von Jochen R.
Ich sehe das wie Hartmut! Einige (sicher nicht alle!) Zweitweine bieten doch ein
richtig gutes Niveau - von Zweitklassigkeit oder Abfallverwertung kann wirklich
keine Rede sein. Besonders gefällt mir nebem dem Clos du Marquis die Reserve de
la Comtesse, von denen ich inzwischen einige Jahrgänge verkosten konnte. 2009 habe
ich mal ein paar Fläschen von der Reserve gesubst und freue mich auch schon darauf!
Natürlich kriegt man für knapp unter 40 EUR locker einer schönen Erstwein, aber halt
nicht in der P. Comtesse-typischen Stilistik, die ich einfach nicht Missen möchte und
der Reserve sicher nicht abgesprochen werden kann.
Die oftmals schlechte Benotung von Zweitweinen und vielen kleineren Gütern sehe
ich absolut positiv (wenn auch nicht immer nachvollziehbar) - so bleibt der Preis moderat
Viele Grüße,
Jochen
Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Mi 8. Jun 2011, 22:08
von octopussy
harti hat geschrieben:...sondern ich möchte die Diskussion nur ein wenig öffnen.
Finde ich gut

. Ich hör jetzt auch auf, mit Pseudo-Missionars-Eifer gegen die Subskription generell zu wettern

.
harti hat geschrieben:Ich bin nämlich immer noch der Meinung und davon wird man mich wohl auch nicht mehr abbringen können

, dass Bordeaux in der Breite nach wie vor preiswert sind.
Da bin ich übrigens vollkommen deiner Meinung. Ich persönlich bin kein so großer Bdx-Fan, dass ich im Preisbereich von 8 - 20 Euro besser gelungene Bdx generell
über die besser gelungenen Cabernet Francs von der Loire, Beaujolais Crus, Weine aus dem Midi, Süd-Rhône-Weine oder rote Burgunder zum gleichen Preis stellen würde. Alle haben ihre Vorzüge. Ein gut gelungener Cru Bourgeois aus einem guten Jahr für 13 Euro kann schon sehr sehr elegant sein, so elegant wie beispielsweise ein Côtes du Rhône Villages Cairanne im Zweifel weder jung noch mit ein paar Jahren Flaschenreife jemals sein wird. Auf der anderen Seite kann der CdR Cairanne zum gleichen Preis Qualitäten haben, die ich sehr schätze und die ich im Bordeaux nicht finde (z.B. eine kräutrige Garrigue-Note, die ich sehr gerne mag). Im Preisbereich zwischen 8 und 20 Euro finde ich es aber durchaus schwierig, woanders eine ähnliche Eleganz zu finden.
Ich werde wohl auch durchaus ein paar Flaschen Bordeaux 2010 kaufen, aber definitiv nicht
en primeur. Ich muss erst wissen, wie viel Alkohol am Ende rausgekommen ist, wie der Wein in der Flasche rauskommt, usw. Auf die
en primeur Verkostereinschätzungen mag ich mich nicht mehr verlassen.
Ein gutes Beispiel diesbezüglich sind wieder die Denis Durantou Weine, die du angesprochen hast. In der Zeitschrift Fine 1/2011, die ich geschenkt bekommen habe, hat Stuart Pigott einen schönen Artikel über Château L'Eglise Clinet und die Durantou Weine geschrieben. Außerdem gab es eine Vertikale von L'Eglise Clinet, Petite Eglise, Les Cruzelles, La Chênade und Saintayme. Dabei kommt z.B. der Petite Eglise 2008 (91P) fast so gut weg wie der L'Eglise Clinet 2008 (92P) (ok, war wahrscheinlich der falsche Verkostungszeitpunkt). Nach dem Petite Eglise 2005 (93P) kriegt Petite Eglise 2007 (92P) die beste Bewertung. Und der 2007er ist halb so teuer wie der 2005er. Andere Weinjournalisten waren seinerzeit sicher anderer Meinung, alleine auf der Basis des Jahrgangs (ich hab das jetzt allerdings im Einzelnen nicht nachgeprüft).
Insofern ist es mir einfach zu riskant, mich auf den Geschmack der Verkosterpäpste zu verlassen. Ob ein Wein nun "klassisch", "burgundisch", "modern", "frühreif" und/oder "konzentriert" ist, darüber gehen die Verkostereinschätzungen finde ich bei vielen Weinen zu stark auseinander.
harti hat geschrieben:Wozu brauchen wir all die großen Namen, wenn die kleinen Weingüter inzwischen ebenfalls auf hohem Niveau arbeiten?
Das kann ich leider nicht beurteilen, da ich die Überjahrgänge 2009 und 2010 nicht probiert habe. Ist es denn deiner Meinung nach so, dass z.B. Sarget der Gruaud Larose 2009 oder 2010 so gut ist wie ein älterer Gruaud Larose, der seinerzeit so viel kostete wie heute der Sarget?
Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Mi 8. Jun 2011, 23:58
von innauen
Hallo Weinpapst,
erst mal willkommen im Forum

Finde gut, dass auch abweichende Meinungen vertreten werden. Und Du sprichst zu Recht für viele Käufer, die hier bisher keine Stimme haben. Ein Forum ist in gewisser Weise kontraindikativ, wie ein Händler heute wohl zur Recht zu mir sagte. 2010 bietet viel für viel Geld. Die Preissteigerung ist dabei höher als der relative Gehaltszuwachs bei den meisten von uns. Es tut einfach weh, wenn man 2008 noch Pontet Canet für 55 Euro oder Gazin für 38 Euro gekauft hat und nun wesentlich mehr Geld ausgeben muss. Abzüglich dieser emotionalen Momente ist die jetzige Kampagne aber natürlich der (fortgesetzte) Versuch, die Margen aus dem Sekundärmarkt primär am Chateau zu verdienen. Der sicherlich sehr gute Pontet Canet nimmt genau das Geld für seinen 2010er, den der 2009er heute im Handel kostet. Dennoch stelle ich die Frage, ob der Markt dauerhaft diese Mengen an Wein für diese Preise aufnehmen kann.
Die Preisentwicklung kann man seit 1983 hier ganz gut nachvollziehen
https://spreadsheets.google.com/spreads ... n_US#gid=0. Früher machte der Abstand zwischen guten Cru Bourgeois und sehr guten Cru Classe den Faktor 2 aus. Heute ist der Faktor wesentlich höher. Die Weine sind deutlich schneller als die Einkommensentwickung gestiegen - aber auch überdurchschnitlich besser geworden. Pontet Canet finde ich für einen potentiellen 100 Punkte Wein immer noch grundsätzlich akzeptabel, bei vielen anderen Weinen läuft das Punkte/Preisverhältnis aber aus dem Ruder, dh ich bekomme sonst wo auf der Welt mehr Wein für das Geld als zB bei Giscours oder den Pichons. Die ganze Ernte eines ganzen Jahrgangs muss abgesetzt werden. Wie auch sonst am Markt gab es in Bordeaux immer wieder Preiskorrekturen. Der Knackpunkt war der Jahrgang 2005. Das ist der erste Jahrgang, der heute nicht wesentlich teurer als bei der Subs verkauft wird. 2009 ist bis auf Pontet Canet, Gruaud Larose und Batailley nicht teurer als bei der Subs.
Und die Absätze von Pontet Canet sind Insider-Wissen

Geht gut, aber weniger als 2009. Allerdings ist die Ernte 2010 auch geringer.
Grüße,
wolf
Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Do 9. Jun 2011, 07:40
von landers
Guten Morgen,
auch ich lese seit einigen Wochen mit und hätte ein paar Fragen an euch.
Bis jetzt habe ich meistens Weine aus Italien getrunken und so langsam fange ich an mir einen Weinkeller anzulegen und da dürfen BDX Weine nicht fehlen. Da ich allerdings ein Neuling auf dem Gebiet bin stelle ich mir die Frage ob ich dieses Jahr schon "subsen" soll. Ich könnte evtl. auch erstmal ein paar Jahrgänge einzeln probieren und dann vielleicht 2009 Jahrgänge nachkaufen?
Sorry für die blöden Fragen aber ich bin noch nicht so sicher wie mir da der Einstieg gelingen soll...
Danke und Grüße
landers
Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Do 9. Jun 2011, 07:44
von Weinpapst
Hallo,
Noch einen Nachtrag. 40 % Preissteigerung bei Pontet Canet halte ich für ein Gerücht. Ich habe letztes Jahr, wie in diesem Jahr, direkt am ersten Tag gekauft und habe 117 € EVP gezahlt. Das war damals schon billig, denn es wurde stetig teurer. Ich habe seit 1982 alle Preise verglichen und es gab immer enorme Steigerungen und auch wieder Reduzierungen. Sollte 2011 nicht schon wieder ein Jahrhundertjahrgang werden, wovon mal nicht ausgehe, werden wir nächstes JAhr z.B. Pontet Canet auch wieder für 60-80 € kriegen. Ist ahlt dann auch nicht diesselbe Qualität!
Große Jahrgänge haben schon immer großes Geld gekostet. Jeder von uns weiß, dass Wein ein limitiertes Produkt ist. Ich hatte das Glück BWL studieren zu dürfen. 1. Semester- Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis. China als großen Absatzmarkt gab es bis vor ein paar Jahren nicht. Rußland kommt mit den ganzen Millionären auch immer stärker. Die Deutschen haben schon immer auf extrem hohen Niveau gejammert. Wir sind eine der reichsten Nationen der Welt. Wenn mehr Nachfrage besteht als Angebot dann steigt der Preis. Dieses sensationelle Phänomen sehen wir gerade. Und glaubt mir, dass ist erst der Anfang einer neuen ära. Bordeaux war schon immer die teuerste Region und wird es auch immer bleiben. Da hilft auch das ganze jammern nicht...
Amen
Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Do 9. Jun 2011, 07:57
von Weinpapst
"On average, the 2010s above were released at a 20 per cent premium to 2009 initial pricing. Whilst the trade's response to the majority of releases was somewhat tepid, Pontet Canet saw strong demand throughout the day. "
Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Do 9. Jun 2011, 08:13
von Weinpapst
Ich gehe davon aus, dass der Wein enorm teurer wird von Tag zu Tag:
"Pontet Canet literally flying out of the door,” tweeted wine merchant Bordeaux Index, who say they sold out within half an hour. Over in Berry Brothers’ Hong Kong office, things were equally frenzied: Adam Bilbey describes the 20 minutes following Pontet Canet’s release as, “the craziest of my life….Dear Alfred [Tesseron]. Put the feet up, grab the mojito and spark up the cohiba. Job done.”
"They’re encouraged by the fact that Chinese interest in buying wine en primeur, before it’s bottled, though relatively new is growing rapidly."
Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne
Verfasst: Do 9. Jun 2011, 08:18
von jungoman
Hallo liebe (frustrierte) Bordeaux-Freude
tja, wir leben alle in für uns schwierigen Zeiten, aber nachdem ich mich gestern Abend mit einem Château l'Arrosée 2004 getröstet habe bin ich felsenfest überzeugt, dass qualitativ Bordeaux nach wie vor das Mass aller Dinge ist und dies vor allem in der Breite und nicht nur in der Spitze!
Ich bin wie viele von Euch frustriert, dass ich mir die Pichon Baron's, Calon Ségur's, Lynch-Bages, Gruaud's, Gazin's, La Fleur-Pétrus, Figeac's etc. welche ich über lange Jahre hinweig regelmässig subskribiert habe nicht mehr leisten kann, aber nach gestern Abend bin ich einmal mehr felsenfest überzeugt, so schlimm ist das nicht, es gibt genügend Alternativen!
2010 habe ich jeweils eine 12er Chasse-Spleen, Monbrison, Férriere, Mazeyeres, d'Armailhac, de Fieuzal und l'Arrosée gegönnt und denke, dass damit nun Schluss ist. Durchschnittspreis pro Flasche ist um die CHF 36.-- und ich bin überzeugt, dass ich für diesen Preis nirgends auf der Welt ähnliche Qualitäten bekomme.
Liebe Grüsse
Manfred