Interessant: Spontanvergärung

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
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UlliB
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von UlliB »

Birte hat geschrieben:Ist es eigentlich möglich mit Reinzuchthefen einen spontan vergorenen Wein zu simulieren? Ich stelle immer wieder fest, dass Chemiker sich über natürlich nicht natürlich lustig machen, wofür ich nach einer Belehrung einer Chemie Lehrerin vor Kurzem viel Verständnis habe.
Angeblich geht das, wenn man die Gärung nicht mit einer Hefe anlaufen lässt, sondern mit einer komplexen Mischung aus sehr vielen verschiedenen Hefen (nichts anders passiert bei der Spontanvergärung). Nur ist das dann im strengen Wortsinne nicht mehr "reinzüchtig", sondern eher "multikulti"... 8-)

Ob das Ergebnis dann wirklich gleich ist oder nur ähnlich , ist eine andere Frage. Aber wozu sollte man den ganzen Aufwand treiben? Wer Sponti-Noten haben will, kann ja spontan vergären. Das spart dann auch noch Geld für die Hefe.

Gruß
Ulli
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Birte
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Birte »

Wer Sponti-Noten haben will, kann ja spontan vergären. Das spart dann auch noch Geld für die Hefe.
Schon klar, aber genau darauf wollte ich hinaus. Der biologische Anbau, die Lese, der ganze Prozess vor dem Fass, ist das entscheidende Natürliche für den Wein. Eine Zuchthefe ist nicht zwingend dramatisch. Es ist und bleibt eine Hefe.
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UlliB
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von UlliB »

Birte hat geschrieben: Eine Zuchthefe ist nicht zwingend dramatisch.
Nein, nicht zwingend.
Es ist und bleibt eine Hefe.
Wenn die Hefen nichts anderes täten, als Zucker in Alkohol zu verwandeln, wäre das alles auch überhaupt kein Problem. Sie tun aber durchaus etwas anders, denn sie produzieren nebenbei jede Menge Komponenten, die für die Aromatik des Weines durchaus sehr wichtig sind (wenn das nicht so wäre, wäre Wein nichts anderes als entzuckerter und mit Alkohol versetzter Traubensaft).

Was hältst du von Armomahefen - das sind spezielle Reinzuchthefen, die gezielt auf Grund des von Ihnen erzeugten Aromenspektrums selektiert wurden und auf den fertigen Wein durchaus heftigen Einfluss haben? Wo bleibt denn der ganze "Prozess vor dem Fass", wenn der Geschmack des Endproduktes entscheidend durch eine letztlich willkürlich selektierte Hefe beeinflusst wird?

Gruß
Ulli
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DerFranki
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von DerFranki »

UlliB hat geschrieben:Was hältst du von Armomahefen - das sind spezielle Reinzuchthefen, die gezielt auf Grund des von Ihnen erzeugten Aromenspektrums selektiert wurden und auf den fertigen Wein durchaus heftigen Einfluss haben? Wo bleibt denn der ganze "Prozess vor dem Fass", wenn der Geschmack des Endproduktes entscheidend durch eine letztlich willkürlich selektierte Hefe beeinflusst wird?

Man könnte jetzt sagen, was soll's, wenn's schmeckt.

Ich will das aber nicht!

Oder der Produzent (den Begriff „Winzer“ zu nutzen fällt mir hier schwer) soll klar offenlegen, welche Aromen er seinem Traubenmaterial beigefügt hat.
BuschWein
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von BuschWein »

Manchmal wundere ich mich, warum gerade in Deutschland das Thema Spontangärung ein so wichtiges ist, gerade hier oft über Authentizität eines Winzers entschieden wird. Wie der Winzer im Weinberg arbeitet wird weit weniger kritisch hinterfragt. Schon komisch, oder?

Übrigens hat mir mal eine durchaus ambitionierte Kellermeisterin mal gesagt, dass sie der Meinung ist, dass Sponti-Aromen die Mineralik der Weine überdecken und die Weine deshalb oft eben nicht so gut die Lage wiederspiegeln sondern eher die Art der Vergärung.

Ich würde mir auch nie zutrauen rein aus der Verkostung heraus feststellen zu wollen, ob ein Wein wirklich spontan vergoren wurde.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
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Birte
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Birte »

Was hältst du von Armomahefen - das sind spezielle Reinzuchthefen, die gezielt auf Grund des von Ihnen erzeugten Aromenspektrums selektiert wurden und auf den fertigen Wein durchaus heftigen Einfluss haben? Wo bleibt denn der ganze "Prozess vor dem Fass", wenn der Geschmack des Endproduktes entscheidend durch eine letztlich willkürlich selektierte Hefe beeinflusst wird?
Aromahefen, ekelhaft. Da gibt es ja den Spruch: Da hat jemand das Teebeutelchen reingehängt. Ich habe deshalb auch eine Abneigung gegen Überseeweine. Ich will die ganze Zeit auf etwas anderes hinaus. Möglichst natürlicher Anbau, den Dingen ihren Lauf lassen, aber sich dennoch das Wissen, was sich der Mensch angeeignet hat, zu Nutzen machen. Eben keine Hausgeburt ohne Hebamme....
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Birte
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Birte »

Ich würde mir auch nie zutrauen rein aus der Verkostung heraus feststellen zu wollen, ob ein Wein wirklich spontan vergoren wurde.
Diese Aussage finde ich beruhigend. Ich würde es mir auch nicht zutrauen.
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UlliB
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von UlliB »

BuschWein hat geschrieben:Manchmal wundere ich mich, warum gerade in Deutschland das Thema Spontangärung ein so wichtiges ist,
Armin,

das Thema wird im Burgund heiß diskutiert, auch in Kalifornien, und mittlerweile sogar in Bordeaux, wo es mit dem biodynamischen Weinbau gerade heftig hingeschwappt wurde (Stichwort: Pontet-Canet). Und Du kannst mal wetten: von dort aus wird es ein absolutes Megathema werden. Mir scheint eher, dass Du ein deutsch-zentriertes Wahrnehmungsproblem hast... ;)
Übrigens hat mir mal eine durchaus ambitionierte Kellermeisterin mal gesagt, dass sie der Meinung ist, dass Sponti-Aromen die Mineralik der Weine überdecken und die Weine deshalb oft eben nicht so gut die Lage wiederspiegeln sondern eher die Art der Vergärung.
Es gibt durchaus viele Anhänger dieser Theorie, darunter auch hochrenommierte und herausragende Winzer. Eigentlich kann man da schon von zwei unversöhnlichen Fraktionen reden. Das macht diese Diskussion ja so interessant...
Ich würde mir auch nie zutrauen rein aus der Verkostung heraus feststellen zu wollen, ob ein Wein wirklich spontan vergoren wurde.


Schade für Dich. Zumindest bei restsüßem Riesling von Mosel, Saar und Ruwer ist der Unterschied zwischen "echtem" Sponti und Reinzucht schon mehr als deutlich zu erkennen.

Gruß
Ulli
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octopussy
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von octopussy »

UlliB hat geschrieben:das Thema wird im Burgund heiß diskutiert, auch in Kalifornien, und mittlerweile sogar in Bordeaux, wo es mit dem biodynamischen Weinbau gerade heftig hingeschwappt wurde (Stichwort: Pontet-Canet).
Ist das in Bezug auf Bordeaux wirklich so? Mein Eindruck ist immer, dass biodynamischer Anbau langsam zum Thema wird, dass aber Spontanvergärung bei Bordeaux gar nicht thematisiert wird. Vergärt denn z.B. Ch. Pontet-Canet eigentlich seine Weine spontan?

Ich hab noch eine Frage zur Spontanvergärung. Ich habe mal gehört (immer toll so ein Satz ;)), dass die Spontanvergärung ab einem gewissen Zuckergehalt des Mostes nicht mehr funktioniert. Stimmt das? Und falls ja, was machen dann überzeugte Spontanvergärer wie Egon Müller IV. mit ihren TBAs? Oder ist es so, dass ein Wein ab einem gewissen Zuckergehalt diesen nur nicht komplett spontan vergären kann, so dass eine trockene TBA nur mit Reinzuchthefe möglich wäre?
Beste Grüße, Stephan
Bernd Schulz
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Re: Interessant: Spontanvergärung

Beitrag von Bernd Schulz »

Zumindest bei restsüßem Riesling von Mosel, Saar und Ruwer ist der Unterschied zwischen "echtem" Sponti und Reinzucht schon mehr als deutlich zu erkennen.
Mein Reden. Und den Mittelrhein, die Nahe, den Rheingau sowie Rheinhessen kann man getrost miteinschließen. Davon abgesehen sind die Unterschiede für mich auch bei vielen trockenen Rieslingen evident genug.
Ich habe mal gehört (immer toll so ein Satz ), dass die Spontanvergärung ab einem gewissen Zuckergehalt des Mostes nicht mehr funktioniert. Stimmt das?
Stephan, meines Wissens stimmt das nicht.
Oder ist es so, dass ein Wein ab einem gewissen Zuckergehalt diesen nur nicht komplett spontan vergären kann, so dass eine trockene TBA nur mit Reinzuchthefe möglich wäre?
Das hingegen verhält sich so, da die natürlichen Hefen ab einem gewissen Alkoholgehalt den Löffel abgeben. Die Alkoholgradation, die der Zucker einer BA oder TBA irgendwann ergibt (ich habe noch eine Riesling-BA trocken von Meyer-Näkel mit schlappen 16% im Regal stehen) können nur speziell gezüchtete Hefen ab.

Beste Grüße

Bernd
B
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