Bordeaux 1988

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Polyphenol
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von Polyphenol »

Eine weitere "frische" Tat:

Chateau L'Evangile (1988, Pomerol, FRA)
0,375 L Flasche, nicht dekantiert, Ende 07/2013 mit Bekannten zum Abendessen.
Verkostungsnotiz: Klares, strahlendes Bordeauxrot. Anfangs wenig los in der Nase. Nach einigem Warten entwickelt sich ein Bukett: zunächst dominieren Schoko- und Milchkaffeearomen, dazu leichte Kirsch- und Cassiseindrücke. Die letzten drei Schlücke wird es dann richtig komplex: Lakritz, Trüffel, Kümmel und leichte Koksnoten kommen hinzu. Im Mund ist der 88er L'Evangile eher ein Leichtgewicht: etwas rote Frucht und Kaffee. Ganz leichter Abgang.
Kommentar: Die letzte von drei halben Flaschen, die ich im Jahr 2008 gekauft und wir dann über die Jahre getrunken haben. Diese Flasche war ganz klar die Beste. Was mir erstens sagt, der 88er L'Evangile ist gerade dabei richtig reif zu werden. Die beiden in den Jahren 2009 und 2011 getrunkenen Flaschen waren wohl in dieser oft zitierten "pubertären" Phase, die zwischen der jungen Frucht- und der anschliessenden Vollreife zu durchlaufen ist. Zweitens, der Wein gehört dekantiert, denn wenn der Weingeist nicht gnädig mit mir gewesen wäre, hätte ich die drei letzten Schluck zu früh genommen und das Beste verpasst. Und drittens werde ich schauen, ob ich nicht irgendwo zumindest eine volle Flasche dieses Stoffes auftreiben kann. Vielleicht geht da noch viel mehr!
Bewertung: 6-7/10 PPP (92-93/100 Punkte)

Viele Grüße, Uli
Weinbertl
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von Weinbertl »

Polyphenol hat geschrieben:Zweitens, der Wein gehört dekantiert, denn wenn der Weingeist nicht gnädig mit mir gewesen wäre, hätte ich die drei letzten Schluck zu früh genommen und das Beste verpasst. Und drittens werde ich schauen, ob ich nicht irgendwo zumindest eine volle Flasche dieses Stoffes auftreiben kann. Vielleicht geht da noch viel mehr!
Meine Erfahrung mit reifem Bordeaux ist, dass man diesen (sobald mal im Glas) nicht vorschnell abschreiben sollte, aber auch nicht zu lange warten soll. Oft habe ich erlebt, dass nach 1-1,5 Stunden der Wein erst richtig aufblüht, fatalerweise aber nach weiteren 1-2 Stunden dann wieder verliert. Um diese Entwicklung mitverfolgen zu können, dekantiere ich nicht. Generell bin ich ein Verfechter des Nicht-Dekantierens bei reifen Weinen. In der einmal geöffneten Flasche entwickelt sich der Wein oft genau im richtigem Tempo.
Bei einer 0,375 l - Flasche, die man mit mehreren Leuten teilt, besteht dann natürlich die Gefahr, dass der Wein bereits getrunken ist, ehe er zeigen kann was in ihm steckt.
Grüße
Robert
Polyphenol
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von Polyphenol »

Hallo Robert,

genau Deine Argumente sind auch die meinen und der Grund weshalb ich normalerweise sehr, sehr sparsam mit dem dekantieren bin. Aber wie Du sagst: eine halbe Flasche mit >2 geniessenden Personen ist einfach zu schnell leer! ;)

Viele Grüße, Uli
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harti
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von harti »

Hallo miteinander,

gestern gab es spontan ein paar 88er und einen Piraten. Hier meine Eindrücke kurz zusammengefasst:

88er Monbrison, Margaux

Der Wein ist nach eine halben Stunde in der schlanken Karaffe voll da.
Sehr schönes, intensives Bukett nach roten Johannisbeeren, etwas Kirsche, dazu dezente Noten von Leder. Am Gaumen eher schlank, saftig, mit angenehmem Säurespiel und noch ganz leicht trocknendem Tannin im anhaltenden Abgang.
Ein sehr schöner Wein, der jetzt auf dem Höhepunkt scheint. Nicht zu lang dekantieren, denn nach einer weiteren Stunde in der Karaffe beginnt die Frucht zu verblassen.
91 Punkte.

88er Poujeaux, Moulis

Diese Flasche hatte ihren Zenit wohl schon länger überschritten.
In der Nase Vanille und grüne Paprika, ganz verhalten rote Früchte, später Marzipan und Kräuternoten. Schlank, wenig Frucht, gute Säure, leicht trocknendes Tannin.
Eine Enttäuschung.
85 Punkte.

88er Pichon Baron, Pauillac

Sehr intensive Nase, Vanille, Süßkirsch, Pflaume, viel Zeder, dazu Leder und etwas Tabak. Rund, geschmeidig, schöne Konzentration, lebendige Struktur, noch leicht trocknend, schöne Länge.
Eine Flasche, die wir auf dem Punkt erwischt haben und die den guten Ruf dieses Weinguts voll bestätigt.
93 Punkte.

90er Leoville Barton, Saint-Julien

Als Pirat eingebracht. War als Bordeaux kaum zu erkennen. Zu süß und überreif die Nase, rosinig, erinnert eher an Amarone oder Châteauneuf-du-Pape. Im Mund kräftiger Liebstöckel, kaum Frucht, gute Länge; obwohl süß anmutend, vollkommen trocken.
Wir waren ratlos, da wir eine Fälschung oder einen Lagerfehler ausschließen konnten (der Wein liegt schon seit fast 20 Jahren am gleichen Ort). Vielleicht schon mit einem Hitzeschaden ausgeliefert?
Keine Bewertung.

88er Cos d’Estournel, Saint-Estèphe

Ebenfalls eine Flasche, die 20 Jahre am selben, allerdings sehr gut gekühlten Platz (= 7 °C) ruhte.
Süße Nase, Vanille, Lakritz, verhaltene Frucht, später leichte Überreife und etwas grüne Paprika. Kernige Struktur, kräftiges, noch vordergründiges Tannin, trocknend. Wirkt noch vollkommen unentwickelt, Flaschen aus wärmerer Lagerung dürften deutlich weiter sein.
91++

Grüße

Hartmut
weinaffe
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von weinaffe »

Hallo zusammen,

die 88er Bordeaux machen zur Zeit sehr viel Vergnügen, so wie dieser:


Bild

P.S: Der parallel hierzu verkostete 88er Chateau Trotanoy kam da nicht ganz mit: etwas karge und fruchtarme Stilistik, Säure drückt etwas durch, es fehlt einfach schon etwas die Frucht und hedonistische Fruchtsüsse, kein Solist, in dieser Flaschenform wird der Wein nicht mehr besser, als Beilage eines hervoragenden Stück Rindfleischs in der Osteria Trio (Würzburgs mit Abstand bester Italiener) taugte er aber noch sehr gut.

Grüsse
Bodo
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Jochen R.
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von Jochen R. »

Heute De Fieuzal blanc 1988 im Glas:

Goldgelb. Hammer Nase - mittelkräftig bis intensiv - mit Karamell, ein Hauch
Vanille, heller Tabak, Zedernholz, Mango, Passionsfrucht, Zitronen, ein Hauch
Minze.
Druckvoll, nasser Waldboden, Zedernholz, Mango, Zitronen, Grapefruit, schöne
frische Säure/Adstringenz, ewig lang mit Zitrusfrüchten im Nachhall.
93 P. - gereifter weißer BDX kann so schön sein...

Viele Grüße,
Jochen
"Viele haben eine Meinung, aber keine Ahnung." (Franz Müntefering)
Frankie Wilberforce
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von Frankie Wilberforce »

Ein wenig beachteter und dabei überaschend guter Wein war der

Chateau La Gaffeliere 1988, St. Emillion
dunkles Rot ohne Reiferand
Tolles Bukett nach Brombeeren, Casis, dunkler Schokolade, Edelholz, Kaffee, Gewürzen :mrgreen:
Am Gaumen saftiger Schmelz, geschmolzene aber seidige verwobene fette Tannine, voller Körper, aristokratische Eleganz und Finesse, dunkle Beeren, Kaffee, Gewürzen, ein Wein zum reinbeissen. :mrgreen:
Langer Abgang nach dunklen Beeren, Kaffee, Gewürzen etc. :mrgreen:
Hätte nicht gedacht, dass diese Flasche Wein so gut ist.
93 FW Punkte
Grüße Armin

Sie fragen mich nach den besten Wein, den ich getrunken habe? Der ist wahrscheinlich im nächsten Glas ...
Frankie Wilberforce
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von Frankie Wilberforce »

Auch sehr gut war der

Chateau Belgrave, Ht.-Medoc,1988

dunkles Rot, in der mitte sehr dunkel, ohne Reiferand
In der Nase Kirschgeschmack, blaue und rote Beeren, Edelholz, Kräuter, Milchschokolade und zerbrochene nasse :mrgreen: Steine
Am Gaumen mittlererbis voller Körper, druckvolle power, rotbeerig, Kaffee,Kräter, ausgewogen, harmonisch, lebendige Säure, schöne aromatische Fruchtsüße. :D
Toller Abgan, bietet nochmal alles was schon gezeigt wurde.


Belgrave ist kein Schöngeist aber auf einem hohen Niveau.
90 FW Punkte
Grüße Armin

Sie fragen mich nach den besten Wein, den ich getrunken habe? Der ist wahrscheinlich im nächsten Glas ...
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Jochen R.
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von Jochen R. »

Frankie Wilberforce hat geschrieben:Auch sehr gut war der

Chateau Belgrave, Ht.-Medoc,1988
...
Hallo Armin,
danke für die Notiz! Eine Einzelflasche vom ´88er Belgrave wartet bei mir
schon lange auf ihre Bestimmung - das wird dann wohl Herbst/Winter diesen
Jahres unbedingt in Angriff genommen.

Viele Grüße,
Jochen
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Kle
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Re: Bordeaux 1988

Beitrag von Kle »

Chateau Beychevelle Saint-Julien 88, mit nur zartem Braunstich, leicht durchscheinendem Granat und genug farblicher Dichte. Der erste gute Eindruck wird durch Mund und Nase bestätigt. Leicht kalkiger, feinfruchtiger Duft und auch Stalliges, was sich im Mund fortsetzt. Große Erleichterung: Der Wein ist nicht spitzsäurig und ausgezehrt. Frische Frucht, natürlich eher sublim als fleischlich, aber gerade deshalb interessant. Es tritt eine wohl säurebestimmte Schärfe auf, die dem Wein wie ein pikantes Gewürz sehr gut tut. Daneben entwickelt er eine andere Stoßrichtung, mit cremiger Fruchtsüße und Rumtopf – Anklängen. Creme scheint mir für die dichten, gebundenen und köstlich-gefälligen Komponenten überhaupt ein passendes Wort. Im Untergrund lauern rauchige und modderige Noten.
Schön war, dass Beychevelle 1988 während eines langen Abends nicht zerfiel und vor allem seine Fruchtanmutung halten konnte, die mitunter ungestüm und mundfüllend ist. Wunderbar, wie sich Beerenaromen minutiös entfalten. Von herbsüßen Heidelbeeren zu leicht angetrocknet bitteren Schalen von Walderdbeeren.
Parker und Gabriel haben den Wein vor Jahren als zu leicht und bitter empfunden. Parkers 84 Punkte kann ich nicht nachvollziehen, aber der Wein ist kein Körperwunder, sondern lebt von seiner delikaten Frucht, die mir phasenweise deutlich über 90 Punkte wert ist.
Eine mögliche Erklärung für Bewertungsunterschiede :mrgreen: :
„But the French red wines here are, or taste better, than in France, believe it or not. The climate here improves them – a fact.“
Henry Miller an Lawrence Durrell beim Besuch in Reinbek bei Hamburg, 6. 12. 1960

Gruß, Kle
Das Schema der Wirklichkeit ist das Dasein in einer bestimmten Zeit
Immanuel Kant, Elementarlehre
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