Hallo allerseits,
man darf dabei eben auch nicht verkennen, dass der "Terroir"begriff eng mit dem französischen Streben zusammenhängt, die Weine in ein AOC-System zu bringen. Da stehen gewachsene Traditionen der Region genau so mit im Begriff drinnen, wie der Boden, das Mikroklima etc. Schon die verwendeten Rebsorten kommen aus der Tradition, dazu aber auch die Arbeitsmethoden der Winzer. Das Ziel dabei ist eben, dass ein Minervois nicht wie ein Corbières schmeckt und auch der Faugères soll seinen eigenen Charakter behalten.
Wenn ein berufener Verkoster (der sich auf dem Gebiet wirklich durch Spezialwissen auskennt) sagt, der Wein sei ein typischer Pauillac und wenn ich als Bordeaux-Laie für mich rausgefunden habe, dass mir typische Pauillacs in der Regel mehr zusagen, als typische St.Estephes, typische Margaux etc., dann ist die Aussage des Verkosters für mich hilfreich. Auch, wenn ich halt lernen will, wie ein typischer Pauillac schmeckt, nützt es mir...
Für große französische Regionen akzeptieren wir dieses System ja irgendwie alle - denn wenn wir einen Wein aus Bordeaux haben wollen, wollen wir nicht, dass wir denken, wir hätten einen Beaujolais im Glas.
Je mehr sich dann der Konsument spezialisiert, desto tiefer können wir in die Materie eindringen. Wer dann so weit ist, das Burgund als Hobby zu haben, für den ist es interessant, herauszuschmecken, was der Unterschied zwischen einem Fixin und einem Volnay ist - vorher dachte man noch, es ist ja alles nur ein Wein aus Burgund, alles irgendwie gleich... Und dann hat man im krassesten Fall drei verschiedene 1er Crus aus einem Dorf von einem Winzer und staunt über deren Verschiedenartigkeit und ist erstmal fasziniert darüber.
Und somit ist für einen Franzosen der Terroirbegriff auch im französischen Sinne präzise und verständlich. Der Deutsche, der mit der französischen Logik nicht viel anfangen kann, der schimpft über den Begriff, weil er ihn nicht so versteht, wie ihn der Franzose versteht...
In der Publikation, in der man die Hinwendung des katalanischen Priorats zu einem burgundischen System einer Lagenklassifizierung erläutert, wird nicht davon gesprochen, dass man jetzt noch stärker Terroirweine machen will, nein, es wird explizit gesagt, das man sich an dem "Französichen Terroirbegriff" orientieren will. Und schon untersuchen ganze Teams die Einzelnen Weine, um herauszufinden, gibt es signifikante Unterschiede zwischen den verschiedenen neuen Vi de Vilas und was ist charakteristisch für einen Torroja, was für einen La Vilella Alta - Wein?
Fällt es momentan auch noch schwer, diese Unterschiede exakt zu greifen und zu beschreiben, so kann man sie jedoch schon sehr gut herauschmecken. Ich sehe darin auch so etwas wie die Suche des Winzers nach Identität. Der Begriff Terroir kann ihm durchaus helfen, diese zu finden oder stärker heraus zu arbeiten.
Wenn ich zu einem in El Molar ansässigen Winzer sage, sein Wein schmeckt für mich nach einem typischen Porrera -Wein und er antwortet mir dann, dass dieser Wein von einer einzelnen Parzelle in Porrera stammt, dann ist das quasi ein Lob für beide Seiten. Der Winzer ist stolz, dass sein Mühen, dem Weinberg in Porrera einen Porrera-typischen Wein zu entringen, erkannt wird, der Verkoster freut sich, weil er das Terroir doch korrekter erkannt hatte, als er es für möglich hielt.
Mag sein, das Ganze ist etwas für extreme Freaks, ist zu intellektuell gedacht und zu abgehoben, aber es gibt jede Menge (nicht nur französischer) Winzer, die mit diesem französischen Terroirbegriff täglich leben und die den Kopf schütteln würden, wenn sie wüßten, wie man diesen Begriff in einer anderen Kultur für schwammig und unerklärbar halten kann.
Für mich sind diee Diskussionen über Terroir, in deutschsprachigen Ländern geführt, eigentlich immer Debatten, die man nur interkulturell führen sollte, wenn sie zu vernünftigen Ergebnisen und Erkenntnissen führen soll. Auch wenn wir am Ende herausarbeiten könnten, dass der Begriff Lage in Deutschland vielleicht schon arg verwandt ist mit dem Begriff Terroir in Frankreich. Dann haben wir halt Lage in Deutschland und Terroir woanders, aber der Winzer will hier und da dasselbe, einen lagen / terroirtypischen Wein erzeugen...
Und wenn die meisten von uns das nicht blind heraus schmecken können, dann aus dem Grunde, dass wir dort alle nur stetig Lernende sind und es kaum jemanden geben kann, der als Wissender zu bezeichnen wäre. Nur, es macht eben auch Spaß, auf dem Gebiet Lernender zu sein.
@Markus: Doch - Terroir läßt sich eben grade nur über die Sinne erfassen, aber es ist eben sehr komplexer Natur. Rot und Boskopp ist leichter greifbar, selbst Apfel... Wie sonst kämen Leute auf die Idee, zu sagen: "dieser Wein ist typisch XXX" (Gebiet, Region, Dorf, Lage, Lageninterpretation durch Winzer Y oder eben aucch Terroir für XXX einfügen)