UlliB hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2024, 16:14
JPO hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2024, 16:01
wer trägt eigenttlich das Risiko des Abverkaufs wenn die Weine bereits im Weinhandel angekommen sind - das Chateau, die Negociants, der Weinhändler? Zumindest aus dem Nonfood-Einzelhandel kenne ich das so, dass selbst wenn nicht vertraglich abgesichert, dass der Einzelhandel die unverkäufliche Ware zurückgibt oder mit dem Hersteller Preisnachlässe zulasten des Herstellers abgesprochen werden. Beide Seiten wollen ja auch in Zukunft weiter zusammenarbeiten. Wie läuft das im Weinhandel, wenn ein Jahrgang nicht wie gewünscht läuft?
Z.B. hat Lobenberg, aber auch andere Online-Händler immer wieder Angebote - ist das mit den Chateaus abgesprochen? Ein Chateau hat ja auch eine Preispolitik und will sicherlich nicht sehen, dass seine Weine "unter Wert" verscherbelt werden. Wer trägt solch einen Preisnachlass?
Da sollte am besten der hier gelegentlich schreibende Händler etwas dazu sagen. Nach meinem Verständnis trägt der Händler, der den Wein gekauft und bezahlt hat, das
volle Risiko des Nichtverkaufs. Aber ich mag mich irren.
Gruß
Ulli
Zunächst möchte ich vorausschicken, dass ich keinerlei Erfahrung im LEH habe - und überdies nur aus meiner persönlichen Perspektive antworten kann. Denn die Regeln, die für AUX FINS GOUMRETS gelten, sind möglicherweise andere als die für z.B. HAWESKO.
Der Subskriptionskauf ist nicht nur auf der "Kundenseite", sondern auch im Walten zwischen dem Negociant (die Châteaux sind hier als Erzeuger völlig aussen vor, selbst wenn sie, wie z.B. bei Clos du Clocher, gleichzeitig Negociant sind) und dem Händler (hier gemeint als direkter Kunde eines an der Place de Bordeaux "akkreditierten" Negociant) ein Warentermingeschäft.
Die Erzeuger, aktuell z.B. Francois Mitjaville vom legendären Tertre Roteboeuf, aber auch zuvor bereits LCHB, versuchen Druck auf den Händler auszuüben, indem sie Preise vorgeben, zu denen sie gerne die Briefseiten im Markt gesehen hätten. Implizit steht dabei die "Drohung" im Raum, zukünftig den Händler vom Zugang zu den Weinen auszuschließen.
Wenn nun umgekehrt ein Händler seinen "Positionsexit" darin sieht, Weine stark zu rabattieren, liegt dies ganz in seinem Ermessenspektrum - es sei denn, evtl. Rechnungen wären noch nicht beglichen. Wenn wir auch diesen Sonderfall unbeachtet lassen, liegt es einzig im Ermessensspielraum des Händlers, den Preis eines Weins den je individuellen Marktgegebenheiten anzupassen. Schließlich ist er der Eigentümer der Ware.
Momentan beobachte ich - insbes. mit dem Hintergrund "aus einer früheren Lebensphase" eine zunehmende "Einmischung" seitens der Erzeuger in das Marktgeschehen. Das wäre nicht besonders erwähnenswert, wenn es dabei schlicht um "Marktbereinigung" ginge. Diese würde ja so funktionieren, dass der Erzeuger die Briefseiten, die er für zu niedrig hält, "bedient". Genau das passiert aber nicht.
Bitte erlauben Sie mir einen kurzen Verweis auf Andreas Reckwitz und "Die Moderne"; das Leistungsversprechen der Moderne war, simplifiziert, dass alles besser werde. In Bezug auf Bordeaux hieß dies: die Erzeuger, die Obwalter der Knappheit, konnten unwidersprochen Bedingungen diktieren. Nun möchten sie weiter bestimmen, sie sehen sich auch noch als Obwalter - es gibt aber keine Knappheit mehr.
Da die Erzeuger zunehmend, nicht anders, als dies in Deutschland eben auch zu beobachten ist, zu "Webshopanbietern" werden, treten sie als direkter Konkurrent zum Händler (also z.B. AUX FINS GOURMETS) auf. Die nach meiner Einschätzung einzig korrekte Antwort auf die Beobachtung, dass ein Marktpreis ggf. zu niedrig sei (aufgrund eines Sonderverkaufs z.B.), wäre die Eliminierung des Angebots durch Aufkauf. Dazu sind aber selbst sehr renommierte Erzeuger wie LCHB nicht willens.
Fazit: es ist, wie Ulli dies schreibt, Risiko des Händlers. Er ist der Eigentümer und haftet für die materiellen Nachwirkungen.
Herzliche Grüße,
Matthias Hilse