Wenn nur ein paar Weingüter den Place de Bordeaux umgehen (z.B. Latour), dann hat das m.E. durchaus Erfolgschancen. Wenn jeder meint, seine Weine am besten selber vertreiben zu können, kann das m.E. auf Dauer jedenfalls nicht für alle funktionieren (für Latour im Zweifel schon, weil die ja ein Vertriebsnetz haben). Wie läuft denn das in der Praxis? Ruft bei Ihnen, Herr Hilse, jemand von Jonathan Maltus an und bietet Ihnen Le Dome, Les Asteries, etc. an?octopussy hat geschrieben:
Neben der Frage, ob ein Bordelaiser Weingut von heute auf morgen einfach auf Direktvertrieb umstellen kann (die brauchen ja auch Händler, Restaurants, etc. als neue Direktkunden und haben - wenn sie vorher über den Place de Bordeaux gingen - kein Kundennetzwerk), frage ich mich auch, ob man den Vertrieb mit 20% Vertriebskosten auf eigene Faust eigentlich hinbekommt. Es ist ja nicht so, dass sich der Wein von selbst verkauft. Und auch Großhändler, etc. arbeiten nicht kostenlos.[/quote]
Das sieht konkret so aus, dass mich das Weingut anmailt und mir die neue Vertriebssituation schildert. Es gab schon vor einiger Zeit eine mail mit Ch. Teyssier, dem "Stammsitz" von Maltus. Die habe ich aber nicht richtig gelesen, sonst hätte ich das schon vor zwei Wochen posten können. Heute wurden dann "Le Carre" und "Les Asteries" angeboten, und da mich die 3 Top-Weine von dort interessieren, war ich weniger nachlässig. Konkret heisst das, dass ich den Wein entweder beim Winzer kaufe - oder ihn nicht in die 2016er Offerte nehmen kann.
In einer arbeitsteiligen Welt sind die Vorteile jeweils dort angesiedelt, wo man etwas am besten kann. Insofern dürfte das für alle Chateaux ausser MontroseHautBaillyPichonComtessePontetCanetCalonSegurCarmesHautBrionFigeac etc. ein Fiasko werden, wenn sie versuchen, den Vertrieb der eigenen Weine selbst zu organisieren. Die 20% für den Place de Bordeaux sind eben für die Top-Weingüter zu teuer, während sie für all die anderen ein echtes Angebot sind. Es doch kein Zufall, dass die Familie Perrin vor ein paar Jahren mit ihrem "Hommage à Jacques Perrin" von "zu Hause" nach Bordeaux umgezogen sind. Die haben sogar einen weltweiten Vertrieb und haben sich trotzdem entschieden, auf Marge zu verzichten.
Jetzt nehmen wir einmal an, das Negociant-System kollabiert (ceteris paribus). In 2016 werde ich etwa 350 verschiedene Bordeaux einkaufen - alles abgewickelt über den Place de Bordeaux. Ohne diesen hätte ich alleine 350 Abholungen zu organiseren, und das bei einer oft doch arg ausgeprägten Nonchalance der Leute vor Ort. Das würde ich nervlich nicht durchstehen.-Folge: mein Angebot würde sich drastisch verkleinern. Ich fürchte, die anderen Händler, die auch stark in Bordeaux engagiert sind, würden es genauso machen. Vielleicht mit einer Ausnahme, und das könnte der Kölner Weinkeller sein, denn REWE hat in der Logistik hier sicherlich gravierende kompetitive Vorteile.
Gerade für die Vielfalt des Angebots ist das Negoce-System unerlässlich. Solche Weine z.B., die J.M. Quarin gerne als "Outsider" bezeichnet, würden komplett von der Bildfläche verschwinden.
Herzliche Grüße,
Matthias Hilse