Teil 38
Im Anschluss an unser Mittagessen müssen wir noch ein wenig irgendwo in
Falset verweilen, denn es ist noch nicht ganz 17.00 Uhr und die meisten Geschäfte haben noch zu. Aber so nach und nach öffnen sie und wir können unsere Lebensmittelvorräte auffüllen.
Auf der Straße verweilen wir immer nur so kurz es geht, denn - es ist ja nichts Neues - es regnet immer noch.
Natürlich schauen wir auch beim größten Weinladen der Gegend vorbei, beim
Aguiló und sofort bekomme ich Eintrittskarten für die Weißweinverkostung in die Hand gedrückt - für die ganze Meute... - sicher ist sicher, sage ich mir und wässere eigentlich schon beim Blick auf das auf der Rückseite in kleiner Schrift abgedruckte Line-Up. Wohlwissend, dass wir davon leider aus Zeitgründen nur einen kleinen Teil schaffen werden...
Natürlich schaue ich nach mir unbekannten Erzeugern und Weinen und ich bekomme sofort das vielleicht Spannendste vorgestellt, was es an Neuigkeiten gibt. Es gibt einen ersten offiziellen - nein nicht Haschischtoten - ...
Vi Naturel aus der DO Montsant - und ausgerechnet Jaume von Ficaria Vins hat diesen gemacht...
Das erinnert mich dann aber auch daran, dass wir heute ein Programm gehabt hätten, wäre dieser verflixte Regen nicht.
Eigentlich wollte ich das Auto oben in
La Figuera stehen lassen und dort eine Rundwanderung machen, gepaart, wenn möglich, mit einem Besuch bei Ficaria Vins. Die spektakuläre Landschaft rings um die Weinberge von Jaume habe ich nun bereits desöfteren vom Auto aus kennengelernt, da wäre es Zeit für eine langsame Annäherung zu Fuß.
Der Deutsche sagt zwar, es gäbe kein schlechtes Wetter, nur unangemessene Kleidung, doch haben wir weder einen Regenanzug in Form eines Ganzkörperkondoms dabei noch Gummistiefel für die aufgeweichten Böden und Wege. Außerdem sieht man nicht wirklich viel und auch für einen Brillenträger ist Regen immer doof, denn meine Brille hat keine Scheibenwischer... Nö, eine solche Mistwettertortur ist einfach nicht das, worauf wir gewettet hätten.
Vielleicht aber sollten wir den Besuch bei
Ficaria Vins dennoch ins Auge fassen? Allein der Vi Naturel macht neugierig...
Also auf - erneut per Umweg außenrum über
El Masroig statt in der Furt zwischen Bellmunt und El Molar ein Absaufen zu riskieren.
Oben in La Figuera regnet es natürlich immer noch, es wird grade mal wieder stärker... Jaume wundert sich, wer bei solchem Schiet-wetter um Einlass bittet, aber dann ist sein Gesicht sogleich die aufgehende Sonne.
Ich weiß gar nicht, was mir mehr Spaß bereitet, das verschmitzte Gesicht von Jaume zu beobachten, wie er uns insgesamt gleich vier neue Weine in Micro-Auflage vorstellt oder diese genialen neuen Weine an sich.
Der
weiße Matraketa ist ja nichts Neues, ein paar dieser Flaschen aus
100% Grenache Blanc durfte ich ja bereit im Erstlingsjahrgang 2011 mit in meine Selektion aufnehmen, der
2012er hat leider erntebedingt eine noch kleinere Auflage und ist defacto ausverkauft. Zu finden ist er nur regional in den Läden vor Ort, wenn überhaupt noch. Qualitativ schließt er an den 2011er an, vielleicht noch eine Spur frischer und kühler wie dieser wirkend und etwas weniger voll im Saft stehend.
Dann gibt es einen roten
Matraketa im
violetten Etikett aus jungen Reben und im Tank augebaut, die pure Fruchtbombe und preislich noch etwas unter dem Èlia liegend. Aber ich würde mich nicht wundern, wenn auch dieser Wein mit entsprechender Reife zu einer kleinen Geheimwaffe wird - wird das wie der Èlia in manchen Jahren ein Blindprobenschreck? Schauen wir mal.
Auch hier ist Jaume noch in der Experimentierphase mit Micro-Menge. Genau wie dann der dritte
Matraketawein im Bunde, der ein
bräunliches Etikett hat - das ist er also de
Vi Naturel - was für ein einnehmendes Wesen und welch schräge Aromenkombination. Tiefgang, Expressivität und eine wildes Aromenkarussel - das ist großes Kino. Die Frage ist halt nur, ob er transportfähig ist und wie sich so etwas entwickelt. Die weniger als 300 Flaschen sind allesamt verteilt und werden aus purer Neugier getrunken, ich bekomme neben Mustern der anderen Flaschen hier 2 Flaschen mit, um zu untersuchen, wie der Wein sich entwickelt. Auch hier haben wir erneut
Grenache im Glas, wie auch beim letzten Wein, der noch im Fass liegt und noch nicht fertig ist. Dieser Wein stammt
aus einer einzelnen Parzelle, jener, die man auf dem Weg nach El Molar sieht.
Die alten Reben dieser Parzelle sind ja ein knappes Drittel des Pater, aber auch hier stehen junge Grenache, die Jaume extra ausbauen will.
Es werden allesamt rare Weine bleiben, aber irrer Stoff. Ich werde Jaume Roca künftig mit Mr. Grenache anreden, gäbe es jemanden in der Region, der ihm diesen Titel streitig machen wöllte? Höchstens ein anderer Jaume - aus Gratallops, der ebenfalls voll auf die Grenache setzt. Jaume Balaguer... - die Proben der nächsten Zeit werden das vielleicht klären...
Aber das, was Jaume Roca hier vorgelegt hat, das legt die Messlatte sehr hoch. Und um es nicht zu vergessen, auch die "normalen" Weine des Gutes, die man ja auch bei mir zu kaufen bekommt, überzeugen vollends - ich koste hier vorab die neuen Jahrgänge -
Èlia 2010 und
Pater 2009 und - ja, der Tanz geht weiter...
Wir verlassen Ficaria Vins recht spät, es ist kurz vor dem Dunkelwerden und es regnet noch immer. Das stört mich aber jetzt weniger. Ich bin völlig gebügelt von dem, was ich in den letzten Stunden in den Gläsern hatte.