octopussy hat geschrieben:
Auf welcher Basis hältst du dagegen?
auf Basis meiner eigenen Verkostungen (die ich aber nicht alle verschriftlicht habe). Und diese Basis habe ich gerade nochmal erweitert. In Berlin findet zur Stunde eine breite Verkostung von 2012er Cru Bourgeois statt (gestern war die Auftaktveranstaltung in Hamburg, morgen ist München dran).
Zuerst die Fakten:
- 2012 war günstiger als 2011
- die Cuvee der hier verkosteten Weine enthielt deutlich mehr Merlot als 2011, teilweise über 50 % am linken Ufer, jeweils 15-25 absolute Prozentpunkte mehr als im Vorjahr.
- die Tannine waren schwach, die Säurewerte hoch ausgeprägt. Viele Grüntöne prägten die Verkostung.
- es standen nur Weine vom linken Ufer an (logisch, Cru Bourgeois gibt es ja nur links).
Natürlich ist jeder Eindruck ein subjektiver und ich bin kein professioneller Verkoster. Aber etliche Weingüter kenne ich jetzt doch schon über die Jahre und kann zumindest für meinen Geschmack einordnen, was mir gefällt. Die 2012er Weine sind durch den Merlot zugänglich gemacht worden. Wenn man viel junge Frucht im Glas hat, gefällt das natürlich, doch macht man damit noch kein gutes Jahr. Diese Frucht wird durch keine Tannine abgepuffert und die viele Paprika im Früchtekorb stört mich auch. Damit fehlt es an der Lagerungsfähigkeit. Überzeugt haben die Weine aus den zentralen Apellationen (Margaux und vor allem St. Estephe, wo es noch viele Cru Bourgeois gibt, aber auch nicht ausnahmslos).
Die Chateau (meist vertreten durch einen Negociant) haben neben ihren 2012er stets einen Konterwein gestellt. Das war in der Regel in 2011er, manchmal ein 2010er oder 2008er. Die 2011er fielen in der Verkostung mit wenigen Ausnahmen ab. Warum? Diese Veranstaltung heute soll den Verkauf ankurbeln. Wenn ich als Händler 2012 verkaufen will, stelle ich einen Wein hin, der dem aktuellen Jahrgang nicht die Schau stielt oder als Referenzwein dient. Und so haben auch alle Vertreter gebetsmühlenartig betont, wie gut der 2012er sei,"viel besser als erwartet und schauen sie mal hier der 2011er, der ist gut, aber nicht so gut wie der 12er, das finden Sie doch auch mein Herr. Der 12er hat doch viel mehr Kraft und der 11er ist, nun ja elegant, aber...." usw.
Interessant ist, dass die Weingüter mit den gelungenen Weinen nun 2010 dagegen gestellt haben als wollten sie sagen: Seht her unser Wein kann mit diesem Jahrgang mithalten. Ähnliches bei 2008 (nicht weil der so gut wäre wie 2010, sondern weil schon reifer).
Mein Fazit: Es geht mir nicht darum 2012 herabzuwürdigen. Aber Jahrgangseinschätzungen wie die von Lobenberg sind genau die Art von übertriebener Werbung, die Bordeaux mehr schadet als nützt. Wer einen jungfruchtigen Wein zum baldigen Konsum sucht und wen viel Säure und Grüntöne nicht abschrecken (zB bei Weinen als Essensbegleiter), wird in 2012 fraglos fündig werden. Von Lagerungsfähigkeit (für mich ein unverzichtbares Zeichen eines guten Jahrgangs) hat übrigens niemand bei der Verkostung gesprochen.
Was ich zuvor an 2011 im Glas hatte war im Bereich Cabernet Sauvignon interessanter und vielschichtiger als 2012. Aber das sind wie gesagt alles Aussagen zum linken Ufer und zu traditionell CS-dominierten Weinen. Rechtsufrig ist meine Basis zu gering.
Grüße,
Wolf