In der bekannten 1855er Klassifikation sind ein paar Weine vertreten, die heute ein ziemliches Schattendasein führen. Das gilt auch für die zweithöchste Rangstufe der 2eme grand cru classés, in der sich sonst einiger illustrer Bordeaux-Hochadel tummelt. Nachdem auf Rauzan-Gassies kürzlich wohl ein paar Weichen neu gestellt worden sind und der Wein sein Image als einer der miesesten klassifizierten Gewächse so langsam abzuschütteln beginnt, dürfte jetzt wohl Chateau Durfort-Vivens den Titel als obskurster deuxieme tragen.
Der Betrieb gehörte lange Zeit zu Chateau Margaux und wurde unter der Ginestet-Verwaltung praktisch als Zweitwein von Ch. Margaux geführt, bis er in den 60ern an Lucien Lurton, damals Besitzer mehrerer klassifizierter Güter im Bordelais, verkauft wurde. Mittlerweile wird der Betrieb von Luciens Sohn Gonzague Lurton geführt, der mit Claire Villars verheiratet ist, die Ferrière, Haut-Bages-Libéral und La Gurgue leitet. Eine echte Bordeaux-Dynastie.
Aber Dynastie hin oder her, der Ruf des Gutes ist gemessen am formalen Rang einigermaßen miserabel: von Parker sowohl en primeur als auch in der Flasche regelmäßig abgestraft, von anderen Verkostern auch nicht gerade mit warmen Worten bedacht oder gleich komplett ignoriert. Es gibt aber eine Ausnahme - Rolf Bichsel vom Vinum, der die Weine offensichtlich sehr gerne mag und regelmäßig ziemlich tief in die Punktekiste greift. In der neuesten Ausgabe geht er noch ein Schritt weiter und kürt Gonzague Lurton zum "Weinmacher des Jahres", unter anderem mit den Worten: "...jahrelang erntete er für seinen besonders eigenständigen Wein, der en primeur nicht immer leicht zu verstehen ist, sich nach 10 bis fünfzehn Jahren Flaschenreife aber als absolut herrlicher, eleganter, komplexer , klassischer Margaux outet, nur Spott..."
Ok, der hier hat gerade rund 11 Jahre Flaschenreife hinter sich und befand sich gestern abend im Glas:
Chateau Durfort-Vivens 2000 (Margaux 2eme GCC) 12,5%Vol. Sehr dunkles Rot mit schmalem, leuchtend kirschrotem Rand, ohne jede Alterstöne. Die Nase ist absolut klassisch für gerade eben reifen Cabernet, herb und kantig, mit einem interessanten Subtext: ein Hauch Teer, und mit einiger Belüftung dann auch leise, feine Blütennoten. Hat was. Im Gaumen setzt sich der Eindruck knapper Reife fort, sehr schlank, aber nicht mager, straff und kühl, lebendige Säure, allerdings ist da auch ein deutlich spürbarer krautiger Grünton, der m.E. in einem klassifizierten Bordeaux aus einem großen Jahr nichts zu suchen hat (und 2000 ist ohne Zweifel ein großes Jahr). Sauberer Abgang von mittlerer Länge.
Tja, schlecht ist das nicht, insbesondere die Nase ist schon sehr schön. Wirklich toll ist das aber auch nicht, den Eindruck knapper Reife und den Grünton hätte ich eher in einem Jahr wie 2004 erwartet, und ich frage mich, was hier in schwächeren Jahrgängen abgeliefert wird, wenn man in einem wirklich guten Jahr so etwas produziert. Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass das Gesamtpaket in sich sehr stimmig ist und der Wein über Stunden verfolgt nie langweilig geworden ist oder gar schlapp gemacht hätte. 88 UP; Anhänger des traditionellen Stils werden vermutlich ein wenig höher punkten. Von den Spitzen der Appellation ist das aber doch einigermaßen weit entfernt.
Gruß
Ulli
Bordeaux 2000
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Re: Bordeaux 2000
Hallo Ulli,
den Wein hatte ich ja an Silvester auch im Glas: http://www.dasweinforum.de/viewtopic.ph ... 3&start=50.
Sehr interessant, hierzu die Eindrücke eines Bordeaux-Spezialisten zu lesen. Ich kann das so weit alles nachvollziehen, wobei ich die "grünen" Töne eher in Richtung Paprika wahrgenommen habe.
Viele Grüße,
Guido
den Wein hatte ich ja an Silvester auch im Glas: http://www.dasweinforum.de/viewtopic.ph ... 3&start=50.
Sehr interessant, hierzu die Eindrücke eines Bordeaux-Spezialisten zu lesen. Ich kann das so weit alles nachvollziehen, wobei ich die "grünen" Töne eher in Richtung Paprika wahrgenommen habe.
Viele Grüße,
Guido
Re: Bordeaux 2000
Hallo Guido,Einzelflaschenfreund hat geschrieben: den Wein hatte ich ja an Silvester auch im Glas: http://www.dasweinforum.de/viewtopic.ph ... 3&start=50.
Sehr interessant, hierzu die Eindrücke eines Bordeaux-Spezialisten zu lesen. Ich kann das so weit alles nachvollziehen, wobei ich die "grünen" Töne eher in Richtung Paprika wahrgenommen habe.
danke für den Hinweis. Unsere Eindrücke decken sich doch ziemlich, über die wirklich schöne Nase sind wir uns einig. Und ja, das "Grüne" hat auch etwas von Paprika (was für knapp reifen bzw. unreifen Cabernet überaus typisch ist), für mich überwog hier aber das "Krautige" (= Eindruck von zerriebenen grünen Blättern). Beides nichts, was ich in Spitzenbordeaux haben möchte.
Was die Haltbarkeit betrifft, wäre ich übrigens nicht so pessimistisch. Der wird auch noch mehr als drei Jahre machen. Ob er dabei aber noch sehr zulegt, würde ich bezweifeln.
Gruß
Ulli
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Re: Bordeaux 2000
Die letzten Tage im Glas gehabt einen Chateau Citran, 2000, CB, Ht.-Medoc
Dunkles Weinrot, im kern sehr dunkel ohne Reiferand.
In der Nase dezentes Bukett nach Brombeeren, roten Kirschen, Cassis, Leder, gerösteter Kaffee.
Am Gaumen ein Wein von mittlerer Statur, mittlere Dichte, abgerundete und gut verwobene Tannine, fruchtige Säure, Brombeere, Cassis, Holz, Kaffee, rote Kirschen, nicht sehr harmonisch und elegant wirkend, eher ein filigraner etwas eindimensionaler gut gemachter Cru.
Mittellanger Abgang leicht auf der holzigen Seite mit Cassis.
88 FW Punkte.
Dunkles Weinrot, im kern sehr dunkel ohne Reiferand.
In der Nase dezentes Bukett nach Brombeeren, roten Kirschen, Cassis, Leder, gerösteter Kaffee.

Am Gaumen ein Wein von mittlerer Statur, mittlere Dichte, abgerundete und gut verwobene Tannine, fruchtige Säure, Brombeere, Cassis, Holz, Kaffee, rote Kirschen, nicht sehr harmonisch und elegant wirkend, eher ein filigraner etwas eindimensionaler gut gemachter Cru.

Mittellanger Abgang leicht auf der holzigen Seite mit Cassis.

88 FW Punkte.
Grüße Armin
Sie fragen mich nach den besten Wein, den ich getrunken habe? Der ist wahrscheinlich im nächsten Glas ...
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Re: Bordeaux 2000
Es geht weiter mit dem letzten klassischen großen Jahrgang, als noch die Weine nicht mehr als 13% Vol. Alkohol hatten.
Dieser Tage im Glas gehabt den Chateau Tour Baladoz, St.- Emilion Grand Cru, 2000
Eines dieser nicht bekannten Weingüter, die auch in großen Jahrgängen einen beachtlichen Wein auf die Flasche bringen.
Der Wein hat 12,5%Vol. Alkohol.
Füllstand: IN, der Korken ist nur leicht angenässt < 3-4mm.
Farbe dunkles Rot, in der Mitte tiefdunkel, nach aussen hin erste Reifetöne.
In der Nase ein elegantes Bukett nach roten Beeren, Schokolade, Lakritze, Frühlingsblüten und ein wenig altes Sattelleder.
Am Gaumen ein fülliger Körper, schöne Fruchsüße, frische Säure, seidige Tannine, saftig, rote Beeren, schmelzige "Milchschokolade", wieder Lakritze, Teer. Insgesamt wirkt dieser kleine Wein mässig ausgewogen. Denn die einzelnen Komponenten fügen sich nicht elegant und harmonisch sondern eher rustikal ruckartig zusammen.
Ein mittellanger Abgang ist wieder rotbeerig mit einer leicht adstringierenden Note.
Wenn man nicht mit den Anspruch auf einen aussergewöhnlich guten Wein zu treffen heran geht, ist es alles in allem ein guter Wein für den Sonntagsbraten.
Fazit: 88 FW Punkte.
Dieser Tage im Glas gehabt den Chateau Tour Baladoz, St.- Emilion Grand Cru, 2000
Eines dieser nicht bekannten Weingüter, die auch in großen Jahrgängen einen beachtlichen Wein auf die Flasche bringen.
Der Wein hat 12,5%Vol. Alkohol.
Füllstand: IN, der Korken ist nur leicht angenässt < 3-4mm.
Farbe dunkles Rot, in der Mitte tiefdunkel, nach aussen hin erste Reifetöne.
In der Nase ein elegantes Bukett nach roten Beeren, Schokolade, Lakritze, Frühlingsblüten und ein wenig altes Sattelleder.

Am Gaumen ein fülliger Körper, schöne Fruchsüße, frische Säure, seidige Tannine, saftig, rote Beeren, schmelzige "Milchschokolade", wieder Lakritze, Teer. Insgesamt wirkt dieser kleine Wein mässig ausgewogen. Denn die einzelnen Komponenten fügen sich nicht elegant und harmonisch sondern eher rustikal ruckartig zusammen.

Ein mittellanger Abgang ist wieder rotbeerig mit einer leicht adstringierenden Note.

Wenn man nicht mit den Anspruch auf einen aussergewöhnlich guten Wein zu treffen heran geht, ist es alles in allem ein guter Wein für den Sonntagsbraten.

Fazit: 88 FW Punkte.
Grüße Armin
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Re: Bordeaux 2000
Immer wieder schön ist (nicht nur) aus 2000 der Chateau Lafon aus Haut-Medoc. Fast noch schwarz in der Farbe, mit sauberen und reifen Cassisnoten sowie einem Hauch Graphit und Leder kommt er mir wie die Taschenbuchausgabe eines Saint-Julien vor. Am Gaumen zwar reif, aber nicht fett, eher auf der klassischen Seite. Schöner mittlerer Abgang, ein, wie ich finde, unterschätzter Wein. Perfekt zu gegrilltem Lamm.
Viele Grüße
Markus
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Re: Bordeaux 2000
Bordeaux geht immer und zu allem, da kann de CaptainCork moppern wie er will. Heute gab es zu gegrillten Merguez mit Tabouleh


Red wine with fish. Well, that should have told me something.
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- octopussy
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Re: Bordeaux 2000
Zu Tabouleh und Merguez auf jeden Fall. Jetzt bekomme ich Lust auf Grillen, kann aber nichtsusa hat geschrieben:Bordeaux geht immer und zu allem, da kann de CaptainCork moppern wie er will. Heute gab es zu gegrillten Merguez mit Tabouleh

P.S. Ist das mit den komma fünf Punkten wirklich ernst gemeint

Beste Grüße, Stephan
- susa
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Re: Bordeaux 2000
jawoll, nachdem ich mich fast eine halbe Stunde lange nicht zwischen 91 und 92 entscheiden konnte, hab ich eben so entschieden
kann mich immer noch nicht entscheiden, aber wenn keine Nachkommastellen erlaubt sind, würde ich dann vielleicht doch eher auf die 92 gehen
oder vielleicht doch nicht?
Fragen über Fragen

kann mich immer noch nicht entscheiden, aber wenn keine Nachkommastellen erlaubt sind, würde ich dann vielleicht doch eher auf die 92 gehen
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- vanvelsen
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Re: Bordeaux 2000
Einer meiner Lieblinge in der zahlbaren Klasse. Zig mal im Glas gehabt und nie enttäuscht. .. auch in schwachen Jahren macht j.n.herve top weine...
Gruss
A.