Gestern Abend also der
2022 Dernauer Pfarrwingert Spätburgunder GG (13 Vol%).
Sehr dunkel für einen Ahrburgunder. In der sehr expressiven, ja fast lauten Nase viel dunkles Holz, ein paar Nelken, aber vor allem Tonnen von Vanille. Rote, sirupige, fast kandiert wirkende Beeren (Johannisbeere, mit aromatischen Obertönen von Walderd- und Himbeere), süße Amarenakirschen (aber leicht künstlich), unterlegt von einer kräutrigen Note - aber nicht Küchenkräuter, sondern eher "Botanicals", die man in Gin reindonnert. Leichte Nussigkeit. Die Frucht wirkt so kandiert, daß irgendjemand "Mäusespeck!" ruft, also Marshmellows mit einem sehr künstlichen Erdbeergeschmack. Mit Luft verschwimmt die Nase zu "kandierte Rote Grütze auf Walnuss-Ahornsirup-Eis in kräftiger Vanillesauce ertränkt". Und alles, wie gesagt, enorm intensiv. Das Holz ist völlig anders als der "Bordelaiser Milchkaffee" und wirkt mit Luft immer mehr wie frisch gesägtes Eichenholz. Hervorragende Schreinerei haben die Mayer-Näkels da.
Jedoch: Die intensive Nase stellt Schecks aus, die der Gaumen nicht einlösen kann. Fast völlig abwesendes Tannin, dafür aber eine
enorm ausgeprägte Säure - architektonisch nicht meine bevorzugte Struktur, und auch eine, die ich problematisch finde, aber dazu unten mehr. Sehr süßliche Rotfrucht mit Säure; aromatisch spielt sich ein mit roten Früchten (Him- und Erdbeeren) aromatisierter aceto balsamico ab. Das vanillige Holz ist sehr deutlich ausgeprägt und müht sich redlich, etwas Dunkelheit in die Sache zu bringen. Nicht wirklich schlecht, aber nicht sonderlich komplex und irgendwie auch... nun ja, sagen wir: apart? Viel Aroma, aber recht schlanker Körper, denn es ist noch nicht mal Tannin da, um den Mund zu füllen (das hätte eigentlich der geographische
give-away sein sollen). Und dann ist da ein sehr deutlicher und deutlich vegetabiler Bitterton, wie von Radicchio oder Chircorée (und ich bin normalerweise nicht sehr empfindlich gegen Bitterkeit). Aromatisch spielt sich also ein im Abgang immerhin lang anhaltendes, aber wenig ausladendes Beziehungsdreieck aus kräftiger Säure, süßlich-kandierter Frucht und Bitterkeit ab, das eher von kleinen Eifersüchteleien als von echter und dramatischer Leidenschaft oder gar tiefer Hintergründigkeit geprägt ist - mehr
telenovela als Shakespeare. Buckaroo Banzai bleibt heute mal in der 2. Dimension.
Aromatisch hätte ich den Wein nie an die Ahr gepackt, weil ich sie mit Schiefer assoziiere. Und tatsächlich, der Pfarrwingert ist gar keine Schiefer-, sondern eine Grauwackelage. Ich musste erst nachschauen, und hatte auf Lösslehm getippt, so
neutral kam mir der Wein vor. Wieso gehe ich an die Ahr und kaufe
anything but Schiefer?! Keine Ahnung, was mich da geritten hat. Wahrscheinlich der Rabatt. Naja,
ganz sicher der Rabatt. FML.
Zugegebenermassen hätte ein Wein vom Lehm aber viel mehr Körper gehabt, und das führt zum zweiten Problem, das ich mit diesem Wein habe: die Säure. Viel zu viel für der schlanken Körper! Bei den 2015ern war die kräftige Säure jung auch sehr erfrischend (ahem), und gerne wollte ich ihr mein Vertrauen aussprechen, aber mittlerweile hat sie sich zu einem Problem erwachsen.
You fool me twice, but I won't get fooled again! (G.W. Bush)
Okay,
not my president, not my problem, also zum nächsten Elefanten (
tehehe) im Raum: der Preis. Qualitativ sehe ich den Wein bei 90 (mit Prinzip Hoffnung bis 92, falls der Wein komplex wird), und erstaunlicherweise bin ich da bei Hofschuster; Meininger sieht den Wein noch schlechter, gerade einmal bei 92 Punkten, umgerechnet sind das knapp 88 Falstaff oder so. Zum Vergleich: Das kriegt ein Poggione-Brunello quasi jedes gute Jahr hin (und der verpackt die Säure besser, har har har) und kostet dabei die Hälfte.
Insgesamt also eine etwas enttäuschende Darbietung, zumindest gemessen an meinen hohen Erwartungen, aber dann auch wiederum so gar nicht, irgendwie. "So sinse halt, die Burgunder!" (Etzel) Zum Lammlachs mit Kartoffelpüree, glasierten Karotten und Rosenkohl verschmolz der Wein übrigens im Hintergrund, was peinliche Fragen zur gastronomischen
survivability des Weins aufwirft. Eher für die Verkostung gemacht, hm?
Bobby Wagner hat geschrieben:
Fliegt heim, ihr Raben!
Raunt es eurem Herrn, was hier an der Ahr ihr gehört!
Cheers,
Ollie