Hallo zusammen,
gestern Abend haben George (Burzuko) und Kle zu einer gemeinsamen 2001er Bordeaux Probe geladen, die schon länger angekündigt war und auf die ich mich besonders freute. Die Weine wurden vorher angekündigt, nur zwei Weine, die Michael Q. und ich mitbringen wollten, waren noch geheim (für die anderen). Wegen eines kleinen Malheurs waren diese beiden Weine übrigens 2000er, was ihre Stellung in der Probe allerdings umso interessanter machte, weil so noch ein kleiner Jahrgangsvergleich möglich war. Wir haben die Weine in 3-er Flights (jeweils ein Wein nach dem anderen, nicht parallel) blind probiert und nach jedem Flight aufgedeckt. Auch George und Kle wussten nicht, welches welcher Wein war, da sie nach dem Verhüllen nochmal gemischt wurden.
Flight 1
Der erste Wein setzte gleich ein kräftiges Ausrufezeichen: kühl, dunkelfruchtig, herb, aber mit wunderbarem Trinkfluss ausgestattet. Davon hätte ich gleich mal eine halbe Flasche wegtrinken können, so gut hat der geschmeckt. Das war für mich Bordeaux vom linken Ufer in Reinkultur. Im Ausschlussverfahren tippte ich auf d'Armailhac. Wein 2 war hingegen zunächst sehr abtörnend mit einer sehr bizarren Mischung aus unreifen und überreifen Noten und vor allem einer sehr bäuerlichen Animalik (Typ Pferdearsch, nicht glattpoliertes Sattelleder). Mit mehr Luft wurde er besser, aber so richtig begeistern wollte er mich auch am Ende nicht. In der Runde wurde recht breitflächig auf Figeac getippt, so schade wir es fanden. Sehr begeistert war ich von Wein 3 in dem Flight, der einfach komplett war, sehr elegant, sehr aromatisch, persistent. Andere fanden den Wein etwas simpel gestrickt, mainstreamig und unspektakulär. Gerade dieses Unspektakuläre fand ich aber besonders gut. Bei den Tipps ging es wild durcheinander, ich glaube, keiner hat den Wein richtig erkannt.
In dem Flight hatten wir:
Wein 1: d'Armailhac 2001
Wein 2: Figeac 2001
Wein 3: Poujeaux 2001
Flight 2
Auch der zweite Flight startete ausgezeichnet. Der Wein war zunächst etwas fleischiger und üppiger als die ersten drei Weine, wurde aber mit der Zeit immer karger und linearer. Besonders fiel eine wunderschöne Mineralik am Gaumen auf, die die ersten drei Weine nicht hatten. Große Klasse, für mich aber nicht besser als d'Armailhac und Poujeaux. Nur George tippte auf La Conseillante, der Rest (ich eingeschlossen) war am linken Ufer. Der zweite Wein in dem Flight fiel dagegen ziemlich heftig ab, er war sehr simpel getrickt und irgendwie unangenehm. Davon wollte ich nicht mehr als ein halbes Glas trinken. Richtig klasse war aber wieder der dritte Wein des Flights, der sehr kompakt und monolithisch war, viel zu jung, aber seine wirklich große Klasse mehr als nur andeutend. Wir tippten mehrheitlich auf Montrose, einen richtigen Tipp gab es aber auch. Was hatten wir nun?
Wein 4: La Conseillante 2001
Wein 5: Beychevelle 2001
Wein 6: Léoville-Barton 2000
Flight 3
Der dritte Flight begann dann mit einem eher schwachen Wein: zugänglich, "flashy", es fiel das Wort "weiblich", ich hatte eher einen Kiezausdruck auf den Lippen. Kurzum: mir gefiel der Wein überhaupt nicht, auch in der Runde fand ihn niemand wirklich gut. Alle in der Runde tippten auf den Grand Vin de Reignac, zum einen, weil wir recht viel Merlot in der Cuvée vermuteten, zum anderen weil uns bei den ausstehenden Namen keiner einfiel, der wirklich so enttäuschend sein könnte, außer aus einer echt grottigen Flasche. Wein 2 im 3. Flight erinnerte stark an den 2000 Léo-Barton, weil er so unglaublich kompakt und jung war. Auch hier hatten wir aber einen wirklich tollen und klassischen linksufrigen Bordeaux im Glas. Außer Kle, der nicht glauben wollte, dass Pontet Canet so gut sein kann, tippten wir alle auf Pontet Canet. Wein 3 war ok, aber ziemlich modern mit recht viel Holz und vor allem sehr viel Extrakt. Der Wein hat mir offen gesagt nicht wirklich geschmeckt, machte sehr schnell satt und animierte nicht zu einem zweiten Glas. Im Ausschlussverfahren und wegen Michel Rolland tippte ich auf Lascombes und war damit - meine ich - allein.
In Flight 3 hatten wir folgende Weine:
Wein 7: Grand Vin de Reignac 2001
Wein 8: Pontet Canet 2000
Wein 9: Lascombes 2001
Flight 4
Jetzt wurde das Raten leichter, weil wir ja nur noch drei Weine hatten. Der erste Wein im letzten Flight unterschied sich ziemlich stark von den Weinen davor, weil er sehr deutlich rotfruchtig war (rote Johannisbeere). Das schmeckte mir zunächst nicht sonderlich, mit der Zeit aber immer mehr. Kle legte sich schnell auf Clos du Marquis fest und wir folgten ihm. Der zweite Wein war etwas schwer zu greifen, gut, aber nicht brilliant. Er hatte wirklich gute Anlagen, wirkte aber leicht diffus. Unser Tipp ging in Richtung Domaine de Chevalier. Zuvor war bei so ziemlich jedem guten Wein, gerade den beiden 2000ern schon das Wort "Montrose" gefallen, aber frei nach dem Motto "
You know it when you see it" war erst beim letzten Rotwein des Abends klar, dass es sich bei diesem festen, dabei aber sooo verführerischen Wein um keinen anderen als Montrose handeln konnte. Dass das der Wein des Abends ist, war ziemlich schnell am Tisch klar. Natürlich gab es auch abweichende Meinungen (La Conseillante, Léoville-Barton), die auch absolut ihre Berechtigung haben. Aber die Klasse des Montrose war wirklich unverkennbar. Tippmäßig lagen wir richtig und hatten:
Clos du Marquis 2001
Domaine de Chevalier 2001
Montrose 2001
Fazit: Der Grand Vin de Reignac konnte seinen Überraschungserfolg bei der Verkostung in Paris vor vier Jahren nicht wiederholen. Ich kann mir schon vorstellen, dass der mal überzeugt hat mit sexy Holz und Seidigkeit. Aber uns am Tisch war unisono klar, dass der Wein bei weitem nicht die Klasse der restlichen Weine hatte. Die größte Enttäuschung war eigentlich Figeac. Vielleicht war das eine schlechte Flasche, aber letztlich habe ich den Wein sogar besser bewertet als ich ihn eigentlich fand, nämlich absolut spaßbefreit und mit einer unangenehmen Mischung aus Unreife und Überreife. Auch Beychevelle war enttäuschend, wenn es auch heißt, dass Beychevelle seinerzeit generell keine sonderlich guten Weine für sein Level erzeugte. Lascombes hat mir auch wenig gefallen. Die großen positiven Überraschungen für mich waren der Poujeaux, den ich wirklich großartig fand, und d'Armailhac, weil er so Pauillac-typisch war. Interessant waren auch die beiden 2000er in der Runde. Klar, die Weine wurden - anders als manche andere auf dem Tisch - seit der Subskription nicht mehr bewegt und lagerten bei absolut perfekten Bedingungen in Michaels Keller. Trotzdem war schon frappierend, wie weit hinten dran die beiden Weine im Vergleich zu den 2001ern waren mit Ausnahme vielleicht von Montrose und La Conseillante, bei denen noch deutlich Entwicklungspotenzial zu sehen war. Eins muss auch festgehalten werden: wir hatten hier 12 wirklich schöne rote Bordeaux im Glas, von denen ich mir bei mehr als der Hälfte wünschte, ich hätte davon in dem Moment eine Flasche zu zweit auf dem Tisch zum genüsslich zum Essen trinken.
Um den Abend abzurunden stellte Kle dann auch noch eine halbe Flasche
Rieussec 2001 auf den Tisch, der seinem ausgezeichneten Ruf in dem Jahrgang mehr als nur gerecht wurde. Das ist Magie im Glas, wie sie eigentlich nur Süßweine bieten können. Unglaublich gut, aber eigentlich noch viel zu jung. Ein Wein zum Träumen.
Vielen Dank an George und Kle für diese sensationelle Probe.