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Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 13:49
von ChezMatze
Hallo Chris und Torsten,

ich sehe das mit dem Stinker ganz ähnlich wie Ihr. Vor einer Weile hatte ich im Kreis einiger Sommeliers mal den Pinot Noir H von Albert Mann probiert. Ein großer Stinker vor dem Herrn, aber ein fantastischer Wein. Das war allen sofort klar. Spannend war dann die Diskussion, ob man einen solchen Wein im Restaurant anbieten kann - und zwar als Flaschenwein, praktisch gar nicht oder nur kurz belüftet, weil man ja nicht weiß, ob ein Kunde den Wein ordern will. Da gab es dann ganz unterschiedliche Einschätzungen.

Dass Jay Miller gelegentlich mit charakterstarken Weinen mehr Schwierigkeiten hat als mit Fruchtbomben, kann neben eventuellen Stinkern ein weiterer Grund für die Punktgestaltung sein.

Ich muss sagen, dass mir eine leichte Spontannote nach dem Öffnen oft sogar recht ist als Zeichen der Machart. Das verfliegt ja auch relativ schnell. Wenn es allerdings nach sechs oder sieben Stunden unaufhörlich weitermüffelt, ist das schon nicht so schön.

Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 14:03
von ChezMatze
Was mir gerade noch einfällt: Ich fände es unheimlich spannend, wenn jemand mit der "neuen" Frische-vor-Alkohol-Philosophie eines Gérard Gauby im Priorat Weine bereiten würde. Da sind Biodynamik, Spontanvergärung, Unfiltriertheit etc. auch mit enthalten. Zusätzlich aber seit ein paar Jahren diese verblüffende Ausgewogenheit, Frische und Finesse, wie man sie von mediterranen Weinen bislang überhaupt nicht kannte. Der Muntada hat ja mittlerweile nur noch zwischen 12,5 (2004) und 13,5 vol%.

Ich weiß natürlich, dass dieser Stil nicht jedem gefällt, zumal bis vor kurzem völlig andere Ausrichtungen gepredigt worden waren. Aber mein Ding ist das absolut. Gibt es denn jemanden im Priorat, der eine solche Kombination hinbekommt? 13 vol% oder gar weniger bei einem teuren Wein? (Ist in Bordeaux natürlich dasselbe, aber da gibt es noch keinen Gauby - okay, Pontet-Canet ist auch ein Anfang...)

Viele Grüße, Matze

P.S. Bin auch schon gespannt auf die Notizen von Christoph :)

Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 14:37
von vinos
Hallo Matze,

versuch unbedingt mal die Weine von Terroir Al Limit - kommt Deiner Vorstellung sicher am meisten entgehen. Ein Versuch wäre sicher auch bei den Weinen vom Trio Infernal zu empfehlen. Mit dem Alkohol ist das so eine Sache, aber ich verspreche Dir, bei den Weinen von
Terroir Al Limit wirst du ihn fast nicht spüren. Weine unter 13% vol. im Priorat?? - wären wohl nur in einem extrem kühlen Jahr mit frühstmöglicher Ernte möglich, oder per künstlichem Alkoholentzug (Torsten berichtete ja im Firatagebuch neulich von einem Vortrag).

Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 14:47
von ChezMatze
Hallo Klaus-Peter,

ja, habe ich auch mit großem Interesse gelesen, toller Bericht. Umkehrosmose als Reparatur-Kit, wenn die Natur sich "falsch" verhalten hat. Mir stehen bei so einem Ansatz die Haare zu Berge. Aber ich muss auch nicht alles gut finden, was in der Weinwelt passiert.

Ja, an "Al Limit" habe ich auch schon gedacht, war leider keine Flasche bei der Probe dabei. In Anbetracht der Preise würde ich wahrscheinlich erst mal ganz unten beim "Torroja" anfangen, wobei "unten" bei den Jungs ja relativ ist...

Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 15:01
von moc
Hallo Klaus-Peter!

Über Terroir al Limit hab' ich gestern Abend auch am Telefon mit Torsten gesprochen. Ich habe die Weine auf der Prowein am Feinschmeckerstand probieren (oder sollte ich besser sagen erahnen können), da die eingeschenkten Mengen eine zuverlässige Beurteilung der einzelnen Weine nicht zulies.

Genau so erging es Torsten im Priorat auch. Dominik Huber scheint also auch vor Ort mit dem Einschenken etwas gegeizt haben. Sicherlich ist es schwierig auf so einem Megaevent, wie der Prowein, die Leute am Stand rauszufiltern, die wirklich am Wein interessiert sind und sich nicht nur einfach mal nen großen Schluck von einem sehr teuren Wein genehmigen wollen und dann weiterziehen.

Und da sind wir beim Thema. Der Preis! Der "Einstiegswein" liegt in Deutschland bei 30 Euro aufwärts, weiter gehts mit 50 Euro aufwärts und dann wird es dreistellig. Das ist ja mal ne Ansage.

Unter dem Vorbehalt, dass die eingeschenkte Menge eine seriöse Beurteilung nicht zulies, würde ich mich vorsichtig dahingehend äußern, dass zwischen elegant und dünn eine Trennlinie besteht, die von den den angestellten Weinen (in Rot) in beide Richtungen gekreuzt wurde.

Der Weißwein gefiel vorbehaltslos und hier war die Eleganz ganz klar Programm.

Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 15:05
von Chris
Der Alkohol in den Priorat Weinen ist natürlich so eine Sache. Das kann man mögen oder auch nicht. Für mich persönlich ist nicht entscheidend was auf dem Etikett drauf steht, sondern ob der Alkohol spürbar ist. Bei normalen Trinkbedingungen sollten die von euch verkosteten Weine eigentlich allesamt nicht alkoholisch rüberkommen. Da gibt es ganz andere Kaliber. ;)

Erhöte Raum oder Trinktemperaturen lassen solche Weine gerne alkoholisch erscheinen. Man könnte sagen der diesjährige Frühling hat es nicht gut gemeint mit uns Prioratfreaks. :lol: Da kann es schnell dazu kommen das der Alkohol neben dem Wein steht und das Ganze sehr unharmonisch wirkt. Aber das weisst du bestimmt alles und ich erzähle dir hier nichts Neues.

Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 15:25
von Chris
moc hat geschrieben: Genau so erging es Torsten im Priorat auch. Dominik Huber scheint also auch vor Ort mit dem Einschenken etwas gegeizt haben.
So ging es nicht nur Torsten. ;) Dominik war früher nicht ganz so knickrig beim Einschenken, aber da er auf jedem Event mit allen seiner Weine war, hatte ich das Gefühl, das 20% der produzierten Menge in Verkostungen investiert werden. :lol:

Terroir al Limit ist eine etwas andere Interpretation des Priorat. Es ist eine Komposition der örtlichen Gegebenheiten, sprich autochtone Rebsorten sowie den entsprechenden Böden mit einer Vinifizierung, die nicht auf extreme Reife und Konzentration abzielt. Das Ergebnis sind sehr frische und elegante Weine, die dennoch Tiefe und Komplexität besitzen. Ich könnte mir vorstellen, das etliche andere diesen oder einen ähnlichen Weg gehen werden. Spätestens wenn die Post Parker Ära anbricht.

Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 17:11
von Charlie
ChezMatze hat geschrieben: Vor einer Weile hatte ich im Kreis einiger Sommeliers mal den Pinot Noir H von Albert Mann probiert. Ein großer Stinker vor dem Herrn, aber ein fantastischer Wein. Das war allen sofort klar. Spannend war dann die Diskussion, ob man einen solchen Wein im Restaurant anbieten kann - und zwar als Flaschenwein, praktisch gar nicht oder nur kurz belüftet, weil man ja nicht weiß, ob ein Kunde den Wein ordern will. Da gab es dann ganz unterschiedliche Einschätzungen.
Habe gerade nachgeschaut: das ist schon 2 Jahre her. Unglaublich. Kann mich gut erinnern, weil ich den Wein mitgebracht hatte

Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 17:51
von Chris
ChezMatze hat geschrieben:Umkehrosmose als Reparatur-Kit, wenn die Natur sich "falsch" verhalten hat. Mir stehen bei so einem Ansatz die Haare zu Berge. Aber ich muss auch nicht alles gut finden, was in der Weinwelt passiert.
Ich finde auch, das dies der falsche Weg ist. Aber es gibt schon Tendenzen vor Ort, die in die richtige Richtung gehen. Hier und da wird gezielt nach Parzellen gesucht, deren Hänge eine nörliche Orientierung haben. Bei den 2009er Weinen von Mas Alta konnte man diese verschiedenen Lagen sehr gut herausschmecken.

P.S. Interessant finde ich auch das du die Weine von Coca i Fito im Keller hast. Von den ganzen Projekten Toni Cocas, wie Burgos Porta, Domini de la Cartoixa, Prior Pons und Trossos, finde ich dieses Montsant Projekt (derzeit) nicht so spannend.

Re: Priorat

Verfasst: Mi 1. Jun 2011, 21:53
von ChezMatze
@ Chris: Ich kannte den Wein nicht und habe ihn mir in Tarragona von einem Weinhändler empfehlen lassen. Im Nachhinein (und dem, was ich darüber gelesen habe) hätte es ganz sicher spannendere Weine gegeben. Aber wo wir gerade dabei sind (und ich hier echte Experten an der Hand habe): der andere, mir empfohlene Wein, den ich auch mitgenommen habe, ist der Montsalvat 2001. Ich habe ihn bislang auch noch im Keller liegen. Wie denkt Ihr darüber?

@ Charlie: Unglaublich! Erstmal schon so lange her, das hätte ich auch nicht gedacht. Und dann bist Du derjenige aus der Heidelberger Gegend, oder? Fand den "H" persönlich großartig, eines der Highlights der Probe.