Seite 3 von 5

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: Fr 7. Jan 2011, 16:25
von Weinzelmännchen
Hallo Markus!

Wer bei Parker hier die Punkte vergeben hat, entzieht sich meiner Kennntis.

Das Weingut von Damijan Podversic kenne ich auch nicht persönlich, mir wurde vor einiger Zeit ein Wein glasweise von ihm angeboten, was mich veranlasste, eine Testflasche zu erwerben; Resultat siehe oben :lol: . Ich hoffe noch immer auf einen Flaschenfehler, vielleicht erhält er irgend wann einmal eine zweite Chance.

Es gibt schon Experimentalweine, die bei Parker hoch bewertet werden. Und das mit Recht! Josko Gravner hat 93PP mit seinem Cuvee Breg Anfora 2005 erreicht und sein "Nachbar" Stanko Radikon 90PP mit seinem Ribolla Gialla 2002. Wenn du einmal Interesse an solchen Weinen hast, versuch doch einmal einen von Josko Gravner (aber nicht den Roten).

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: Fr 7. Jan 2011, 23:17
von ChezMatze
Hallo,

ich glaube, Antonio Galloni verkostet für Parker die italienischen Weine. Der hatte, wenn ich mich nicht täusche, auch schon früher eine Schwäche für lang maischevergorene Weiße.

Viele Grüße
Matze

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: Mi 2. Feb 2011, 19:35
von Weinzelmännchen
Lieber Forianer!

Mir will dieses Thema nicht aus dem Kopf! Aktueller Anlass ist der Beitrag von Michael Liebert zum Thema Bio-3-Gläser Weine im Gambero Rosso; siehe http://michael-liebert.de/weintipps/bio ... e-glaeser/. Sind das auch alles Experimentalweine? Mit Sicherheit, die von Josko Gravner. Aber andere, die ich ganz gut samt Betrieb kenne, doch eher nicht (zB Serafini & Vidotto).

Sind nicht Weine, die sich im Herstellungsprozess der Umkehrosmose bedienen, nicht viel eher ein (chemisches) Experiment?

Wie verhält es sich mit altertümlichen Schönungsmethoden (zB Eiweißschönung)?

Wo beginnt also das Experimentieren in der Weinherstellung? Doch schon im Weingarten. Ein Beispiel: Das Weingut Bründelmayer hat vom Riesling Zöbinger Heiligenstein zwei unterschiedliche Varianten auf die Flasche gebracht, die sich nur durch die Erziehungsform unterscheiden, siehe http://www.bruendlmayer.at/weine/weisswein/index.php. Dieses Experiment ist schmeckbar.

Auch der Einsatz unterschiedlicher Rebklone gehört zum Experimentieren mit Wein.

Im Keller experimentieren viele Winzer mit Reinzuchthefen im Vergleich zu Spontanvergärungen.

Das Abstellen auf Amphoren, Verzicht auf Schwefeleinsatz klingt ja wirklich experimentell, dürfte aber vor allem damit zu tun haben, dass solche Weine "komisch" sind und nur "Fans" schmecken. "Experimental" hat hier einen schalen Beigeschmack. Ich möchte Markus Vahlefeld hier in keinster Weise kritisieren, ihm vielmehr für die Wahl dieses Themas ausdrücklich danken, aber Schwung in die Diskussion bringen.

Wo beginnt also für euch das Experiment?

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: So 6. Feb 2011, 13:16
von Weinzelmännchen
Liebe Forianer!

Noch ein Gedanke zum Thema. Auch die Prowein 2011 hat dieses Thema für sich entdeckt; siehehttp://www.prowein.de/cipp/md_prowein/c ... _2011.html.

Dort wird der Begriff meines Erachtens auch etwas globaler gesehen. Interessant wird es, wenn aus dem Experiment eine anerkannte Weinbau- oder Kellertechnik wird, was beispielsweise bei der temperaturkontrollierten Gärtung unter Verwendung von Reinzuchthefen bei Weißwein schon der Fall sein dürfte.

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: Mo 1. Aug 2011, 16:18
von octopussy
Dieses interessante Thema, welches sich mittlerweile mit diesem hier überschneidet, möchte ich gerne noch einmal aufgreifen und bei den Moderatoren anregen, die Amphoren- und Experimentalweine in das "Tendenzen im Weinbau" Thema zu verschieben. Da passt es m.E. besser hin.

ChezMatze hatte im Biodynamie-Thread nach "Naturweinen" (d.h. ganz weitgehend unbehandelten Weinen) aus Deutschland gefragt. Ich bin am Wochenende an einem jüdischen Café vorbeigelaufen, die auch koschere Weine führen (allerdings nur einen Zweigelt in rot und einen Sauvignon Blanc in weiß). Als ich dann auf der Website des Cafés über koschere Weine las, ist mir der Gedanke gekommen, ob nicht die koschere Weinbereitung letztlich den Faden für "Naturweine" bietet. Denn Chemie im Weinberg oder im Keller passen mit der koscheren Weinbereitung genausowenig zusammen, wie Schwefelung, Enzyme oder künstliche Hefen.

Hat jemand Erfahrungen mit koscheren Weinen? Und weiß jemand, ob es bei uns in Deutschland Winzer gibt, die koscheren Wein erzeugen?

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: Mo 1. Aug 2011, 16:33
von Weinzelmännchen
octopussy hat geschrieben:Hat jemand Erfahrungen mit koscheren Weinen? Und weiß jemand, ob es bei uns in Deutschland Winzer gibt, die koscheren Wein erzeugen?
Ich kenne nur Weinbaubetriebe aus Österreich, die kosheren Wein erzeugen. Besonders empfehlenswert ist das Weingut Wohlmuth aus der Südsteiermark. Ich setzte hier einen link zu seinen beiden kosheren Weinen :arrow: http://www.wohlmuth.at/sortiment/index. ... ucts&id=25

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: Mo 1. Aug 2011, 16:43
von Chris
Hallo,

als koshere Weine fallen mir spontan der Flor de Primavera, Peraj Habib vom Celler Capcanes und die Weine von Elvi Wines ein.

Das die Weine keine verbotenen Zusatzstoffe enthalten dürfen ist richtig und auch gut so. Viele dieser teilweise sehr alten Normen und Vorschriften machen auch heute Sinn. Zu einigen habe ich aber eine differenzierte Betrachtungsweise.

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: Mo 1. Aug 2011, 17:00
von octopussy
Hallo zusammen,

vielen Dank für die Links. Ich habe noch diesen Artikel gefunden: http://www.berlin.de/special/gesundheit ... ingau.html

Danach scheint aber die koschere Weinbereitung doch nicht völlig unkünstlich zu sein (Stichwörter: Holzchips, koscher hergestellte Hefe - letzteres kann doch theoretisch auch eine Zuchthefe sein, oder?).

Ich hatte mich auf die Beschreibung auf dieser Website hier bezogen: http://cafeleonar.de/verkostigung (wenn man auf S. 12 der Speisekarte blättert).

Ich werde das Thema mal weiterverfolgen und das Café demnächst aufsuchen.

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: Mo 1. Aug 2011, 17:25
von Chris
Holzchips sollten bei den von mir oben genannten Spanischen Weinen keine Rolle spielen, weil die Appelationen einen Einsatz dieser nicht erlauben.

Was den Rest angeht, so sind meine Infos unterschiedlich, sprich spontane Vergärung. Ich stelle dir mal diesen Link ein, der sich auch mit den Erfahrungen und Gesprächen der mir bekannten Kellereien stark deckt.

Re: Experimentalweine: aus Amphoren, ungeschwefelt etc.

Verfasst: Mi 3. Aug 2011, 13:17
von Markus Vahlefeld
Da ich einige Zeit Botschafter für israelischen Wein in Deutschland war, kann ich zu dem Thema koscher vielleicht etwas beisteuern...

Um es mal ganz platt zu sagen: koscher ist nur wichtig für religiöse Juden, die sich "nach den Gesetzen" ernähren wollen. Unter den Juden ernähren sich vielleicht 10% streng koscher. Für die meisten anderen ist koscher maximal an den Feiertagen angesagt. Wenn überhaupt. Trotzdem müssen auf jüdischen Festen und Feiern alle Gerichte koscher sein, weil ja EINER darunter sein könnte (der Großonkel), der sich ausschliesslich koscher ernährt.

Koscher ist weder ökologisch noch experimentell. Wo koscher drauf steht, muss auch nicht unbedingt guter Wein drin sein. In den 90ern, als Wein aus Israel international reüssierte, gab es folgendes Bonmot unter israelischen Weinmachern: there is kosher wine and there is good wine. Die meisten "Boutique-Wineries" in Israel füllen KEINE koscheren Weine ab. Das hat mit dem nächsten Punkt zu tun.

Das Judentum ist eine sehr pragmatische Religion, d.h. zum einen dass alles nur so lange gilt, wie es auch pragmatisch durchsetzbar ist, und zum anderen dass an koscheren Produkten die Rabbis verdienen, die den koscher-Stempel genehmigen (ist eine ihrer wenigen Einnahmequellen). Kurzum: koscher ist mit Reinzuchthefen sehr gut vereinbar, so lange koschere Hefen eingesetzt werden. Aber koscherer Wein ist teurer, weil ein Rabbi daran verdienen muss. Für viele hochqualitative Weingüter in Israel ist das ein Ausschlusskriterium.

Kurzum: koscher ist ein religiöses Kriterium, kein Qualitätskriterium.