In Sachen Rioja tobt ja fast ein so großer Glaubenskonflikt zwischen Fans der Traditionalisten und Fans der Modernisten wie in Sachen Barolo. Man möge sich nur das Kapitel von Alice Feiring zu Rioja (und dort vor allem zu Lopez de Heredia) in ihrem ersten Buch durchlesen. Diese Schwarz-Weiß-Malerei führt aber meines Erachtens nur zu unnötigen Scheuklappen. Nicht umsonst erzeugen ja zahlreiche Weingüter im Rioja neben traditionell erzeugten Riojas auch modern erzeugte Riojas. Im Urlaub hatte ich mal wieder Gelegenheit, eine Reihe eher bis total modern vinifizierter Riojas zu trinken. Und eigentlich hat mich kaum einer enttäuscht. Auch hatte ich nicht das Gefühl, einem seelenlosen, generischen "dicken" Rotwein aufzusitzen. Der Tempranillo kam eigentlich bei jedem Wein schön raus. Aber der Reihe nach:
Nicht so toll fand ich den (allerdings auch sehr preisgünstigen)
2010 Rioja "Seleccion" aus dem Hause
Sierra Cantabria, der so eine gewisse Paté-Note hatte, die mir nicht so gut gefiel (wenn man gemein wäre, könnte man ohne zu viel Fantasie auch "Hundefutter" sagen).
Deutlich besser war aus dem gleichen Stall der
2007 Rioja Crianza "Ayuva", bei dem mir vor allem der muntere Dialog zwischen rot- und schwarzfruchtigen Noten zusagte.
Die Familie Eguren betreibt ja nicht nur das Weingut Sierra Cantabria, sondern auch noch einige weitere Weingüter/Marken, u.a.
Vinedos de Paganos, in dem nur zwei Weine erzeugt werden, beide in der Rioja Alavesa. Einer dieser Weine ist der
Rioja "El Puntido" aus 100% Tempranillo von ca. 35 Jahre alten Reben. Der Weinberg "El Puntido" ist 25 ha mit Südausrichtung und liegt auf 580 Metern Höhe. Der 2008er Jahrgang wurde Ende Oktober/Anfang November gelesen, direkt nach der alkoholischen Gärung in 100% neue Barriques aus französischer Eiche gelegt und dort 22 Monate gereift. Das Ergebnis ist ein wahrhaft faszinierender Rioja, den ich wirklich unglaublich gut fand. Das Moderne schmeckt man schon, aber es ist unverkennbar ein Rioja. Und es stimmt einfach die Balance aus Kraft, Frische, Tiefe, Ecken und Kanten und Seidigkeit. Davon lege ich mir statt Bordeaux 2011 vielleicht mal zwei oder drei Flaschen in den Keller, wie von Rioja 2008 insgesamt.
Denn ebenfalls aus 2008 und auch richtig gut war der
2008 Rioja "Inspiracion" der
Bodegas Valdemar, einer der modern vinifizierten Riojas von Valdemar. Auch hier war bei aller dunkelfruchtiger Kraft wieder eine schöne Frische spürbar. Und zum Preis von knapp über 10 Euro ist das aus meiner Sicht ein echter Weinwert.
Den El Puntido übertreffen wird in ein paar Jahren aus meiner Sicht der
2006 Rioja "Digma" Reserva aus dem Hause
Castillo de Sajazarra. Von Castillo de Sajazarra habe ich vor einiger Zeit mal eine einfache Reserva probiert (gibt es bei K&U Weinhalle), die ich schon sehr gut fand. Castillo de Sajazarra arbeitet überwiegend eher traditionell. Die Reserva "Digma", die in einigen Jahren in kleinen Auflagen auf den Markt kommt (2006: ca. 12.000 Flaschen), ist allerdings modern vinifiziert mit Ausbau in 100% neuen Barriques. Den Wein fand ich ganz hervorragend, aktuell nicht ganz so faszinierend wie der El Puntido, aber auf lange Sicht im Zweifel mit mehr Potenzial. Aber darin kann ich mich täuschen.
