Chianti (in allen Variationen)

olifant
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von olifant »

Hallo Marc und Stefan,
... eine Vielzahl von Weinfreunden aber für einen Chianit auf Sangiovese Basis niemals so viel Geld ausgeben würden wie für einen CS, Merlot oder Syrah, was schade ist denn Sangiovese ist zwar eine sehr wiederspenstige Traube kann aber im Stadium perfekter Reife durchaus große Weine hervor bringen. Ich erinnere mich gerne an einen Castello di Ama Vigneto Bellavista aus 1990 der perfekt am Punkt war und mich umgehauen hat. Schwieriges Thema in meinen Augen.
Nun Marc, ganz so ist es ja auch nicht, zumindest fallen mir da adhoc einige Icon-Sangiovese ein, für die so manche Weinfreunde einiges löhnen - gut, bei vielen steht dann nicht mehr "Chianti ..." drauf, auch wenn diese im eigentlichen durchaus den DOCG-Statuten (inzwischen wieder), und wem sagen die Namen Flaccianello, Le Pergole Torte, Poggio Scalette, Percarlo, etc. nichts ? Kann ich mir nicht vorstellen. Nimmt man Brunello noch hinzu, dann kommt da doch einiges an Sangiovese zusammen für die Viele bereit sind viel zu zahlen. Die Frage bleibt was muss der Winzer tun, um grosse Weine aus Sangiovese hervor zu bringen - und wie muss er dies kommunizieren.

Und letztendlich bleibt für mich die Kernfrage muss im Chianti zwingend CS, Merlot, etc. drin sein, und muss ein Chianti kleines Holz gesehen haben. (Exkurs: Bei Morellino di Scansano und anderen Sangioveseweinen der Maremma nehme ich die internationalen Sorten gerne in Kauf, auch Syrah, Petit Verdot und Alicante - die hier weicher und breiter daherkommende Sangiovese verträgt sich gut mit allen möglichen Beimischungen, es geht mir meist dann zu weit, wenns absolut jungfruchtig, vordergründig oder parfümiert wird.)
Muss er wohl nicht, und letztendlich muss er nicht zwingend ein grosser Wein sein und viel kosten, bzw. sich mit anderen exclusiven Flüssigkeiten messen. Dafür gibt's schliesslich die v.g. Weine die sich nicht den Apellationsnamen auf die Flasche schreiben, auch wenn sie es könnten. Das Motto ist doch eher (bei uns): da steht "Chianti ...", drauf, der darf jetz aber nicht soviel kosten.

In sofern sicher ein verzwicktes Thema, aber eigentlich (für mich) nicht schwierig.
Ich habe mal gelesen, dass in der Chianti Rufina aufgrund von kühleren Winden eher elegantere Weine entstehen. Konnte es bisher allerdings nicht nachprüfen - der Nippozano ist vielleicht auch nicht der beste Untersuchungsgegenstand. Mir scheint es aber keine derartige stilistische Differenz wie zu Montalcino zu geben (klar Brunello oder Rosso, aber eben auch (wenn auch 100%) Sangiovese und ja auch nicht am anderen Ende der Welt und mit Typizität). Klar ist mir, dass man im Classico-Gebiet die größte Chance hat, qualitativ hochwertige Weine zu bekommen.
Stefan, Ähh? Chianti Rufinà elegantere Weine, da kühlere Winde? Mir geläufige grundlegende Unterschiede sind engere Täler (mit guter Durchlüftung), andere Böden, anteilig weniger für den Weinbau geeignete Flächen und traditionell ein etwas anderer Rebsortenspiegel als im Classico. Dass die Weine eleganter ausfallen, ich weis nicht - kräftiger, manchmal auch etwas rustikaler - Eleganz würde ich da eher ins Pomino verlegen.
Die teureren Risveras oder 100% Sangiovese Super-Tuscans habe ich bisher noch nie probiert. Nächstes Jahr ist ein 2004er Fontalloro dran. Das ist das Älteste in meinem Keller und 10 Jahre wollte ich ihm auch Zeit geben. Bis ich so ein 20, 25 Jahre Teil trinke, wie du Marc, muss ich wohl noch viel Geduld und Willensstärke haben :( - oder ich finde mal was auf einer Auktion :idea:
Der optimale Trinkzeitpunkt ist so eine Sache. Derzeit trinke ich meine Sangiovese gerne etwas jünger, nicht ganz so abgehangen, und mit deutlichem Tannin und Frucht.
Aber auch gar nix gegen würdig gereifte Sangiovese - 1990 ist da aber auch ein absolutes Ausnahmejahr. Die hatten anscheinend ein durch keine Ausbaumethode klein zu kriegendes natürliches Gleichgewicht - von daher kommen nach wie vor einige 90er klasse rüber, viel 'morbidezza', vielleicht mit Todessüsse zu übersetzen, die sich nun schon recht lange hält und halt eine sehr eigene burgunderähnliche Aromatik, die eben nur Sangiovese entwickelt.
Was evtl. auch noch gut sein könnte ist 1988, 1995 (oft viel Säure, kann aber durchaus Spass bereiten), 1997 (uneinheitlich) und 1999 (leider überdauert das Tannin des Jahrgangs gerne die Frucht, etwas rustikal). Bei neueren Jahrgängen wird man sehen müssen - mit 2004 liegst du vermutlich gar nicht verkehrt.
Grüsse

Ralf

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Karl Valentin
Créot
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von Créot »

Hab noch mal nachgeschaut. Im Johnson/Robinson Weinatlas wars: Chianti Rufina bringt "most distinctive" und "particularly elegant wines for long aging" hervor. Der Grund: "a pass cut into the Apennines ... that allows maritime breezes to cool the vineyards".
Wie gesagt, ich kann das nicht aus eigener Anschauung (oder Anschmeckung) belegen oder verwerfen. Hatte Rufina zuvor eher mit Rustikalem in Verbindung gebracht (vielleicht lag das aber auch nur an der erweiterten Alliteration :oops:).

Dank dir Ralf und den anderen für die Rückmeldungen. Merke, dass ich gerade, wenn ich einen netten Wein für den Abend suche, der nicht die Welt kosten soll, immer öfter nach Sangiovese (und auch Nebbiolo) greife und versuche mich ein wenig schlau zu machen, damit nicht zuviel Mist in meinem Keller landet.

Schönen Abend,
Stefan
olifant
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von olifant »

Hallo Stefan,

dass viele Chianti Rufinà gut altern können steht für mich ausser Frage - was die werten Autoren in diesem Falle mit particulary meinen bietet bei Übersetzung aber sicher einen gewissen Interpretationsspielraum von besonders über vorzugsweise bis vereinzelt :lol: .
Aber grundsätzlich gilt, Chianti die gut reifen können werden mit der Reife elegant, auch wenn diese in Ihrer Jugend rustikal waren.
Grüsse

Ralf

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Karl Valentin
olifant
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von olifant »

... gestern im Glas ...
olifant hat geschrieben:
Riserva Ducale Oro 1995 Chianti Classico Riserva, Ruffino - Pontassieve, 93% Sangiovese, 7% Canaiolo

dunkles transparentes Mittelrot; gereifte Sauerkirsche und Zwetschke, dezent florale Noten, Lorbeer, etwas Kräuterwürze; am Gaumen dichtes mittleres Gewicht, gereifte rote und blaue Frucht, verwoben mit Lorbeer, Würze und etwas Lakritz, mineralische Noten, samtiges gereiftes Tannin mit beginnender Süsse, noch recht frische integrierte Säure, harmonisch und ausgewogen, tief; langer Abgang mit weichem Tannin und gereift Komplexer eleganter Aromatik - 17,5/20 op
So wie die vorbeschriebene Flasche zeigte sich die gestern geöffnete Flasche leider nicht - madeirisiert - leider. Schon beim Öffnen zeigte sich der Kork bröselig und riss ab.
Es zeigt sich auch hier, was bei Weinen eines gewissen Alters grundsätzlich gilt, es gibt nur gute und weniger gute, oder gar schlechte Flaschen.
Grüsse

Ralf

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Karl Valentin
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von austrianredwineblog »

Der CC "Ama" 2010 vom Castello di Ama hat uns sehr gut gefallen.
Durchaus typische attraktive Chianti Nase mit Veilchen, nasser Erde, eher rotbeerig. Schöne Säure am Gaumen, mittelgewichtig, nicht zu viel Holz. Schöner Wein, auch wenn es für uns im Austrian Red Wine Blog sogar noch etwas "klassischer" oder puristscher sein dürfte. Die 10% Merlot müssten vielleicht nicht unbedngt sein...
92 ARWB Punkte.
Genaures und unser Rezept für eine Pizza Parma gibt's hier:
http://austrianredwine.blogspot.co.at/2 ... o-die.html
Ich freue mich über Euren Besuch bei meinem Austrian Red Wine Blog!

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Herr S.
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von Herr S. »

Hallo zusammen,

dies ist -leider- einer der wenigen Auftritte meinerseits in diesem Fred. Heute gab es folgendes Mitbringsel:

Bild

87 Punkte von mir dafür. Der Top-Sangiovese des Gutes (Terra e Cielo) liegt noch im Keller, da warte ich aber noch mindestens 2 Jahre.

Viele Grüße,
Björn
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von olifant »

... gestern im Glas ...

Chianti 2009 Terre di Corzano, Corzano e Paterno - San Casciano, Cuvée 90% Sangiovese, 10% Canaiolo

dunkles glänzendes druchscheinendes Rubinrot; Kirschen, Holundernoten, feuchte Macchia-ürze; am Gaumen mittelgewichtig, würzig runder Ansatz, fruchtige-würzige Noten korrespondierend zur Nase, gewisse Mineralität, harmonisch, leicht sehniges gutes Tannin, schöne Säure, gewisse Tiefe und rustikale ;) Eleganz, sehr schöner Trinkfluss; mittellanger Abgang auf Frucht und Tannin - 16-16,5/20 op

Schöner wirklich klassischer Chianti als Essensbegleiter, sehr zu empfehlen.
Grüsse

Ralf

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Karl Valentin
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von m_arcon »

Mir scheint diese Rubrik braucht mal wieder etwas Belebung :)

An Weihnachten u.a. im Glas San Giusto a Rentennano - Percarlo 1996

Einmal mehr muss ich gestehen, dass ich einfach eine Schwäche für diese gereiften Chiantis habe. Sie passen so unglaublich gut zu jeglichem Essen und schlagen nicht ein zu großes Loch in den Geldbeutel.

Die Nase sehr klassisch mit Aromen von Sauerkirsche, etwas Zwetschge, Unterholz und diese typische "Erdigkeit" die mich immer etwas an nassen Waldboden erinnert.
Am Gaumen ein Wein der seine Tannine nahezu vollständig integriert hat. Sehr gute Balance zwischen Säure und der immer noch sehr präsenten Frucht. Tolle Struktur. Medium finish.

Natürlich sehr gut jetzt zu trinken, kann aber meines Erachtens noch zulegen in den nächsten 1-2 Jahren.


Cheers
Marc
olifant
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von olifant »

m_arcon hat geschrieben:...
Einmal mehr muss ich gestehen, dass ich einfach eine Schwäche für diese gereiften Chiantis habe. Sie passen so unglaublich gut zu jeglichem Essen und schlagen nicht ein zu großes Loch in den Geldbeutel.
... für gereifte Chianti im allg. mag diese - preisliche - Aussage, weinfreakmässig relativiert, wohl angehen.

Der Percarlo im besonderen kann dir durchaus ein Loch in den Geldbeutel reissen - die Kurse stehen bei ca. 50 €/Fl. aufwärts.
Grüsse

Ralf

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Karl Valentin
m_arcon
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Re: Chianti (in allen Variationen)

Beitrag von m_arcon »

Hallo Ralf,

die Flasche hat mich ungefähr 50 Euro gekostet. Sicherlich ist das eine Menge Geld für eine einzelne Flasche Wein. Wenn du allerdings mal (mit Abstrichen) ins Piemont schaust oder sogar dann nach Frankreich Burgund/Bordeaux dann bekommst du für 50 Euro keinen Top-Wein von einem Top-Erzeuger. Von dem her finde ich hier das Preis-Leistungsverhältnis recht gut.

Grüße
Marc
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