ledexter hat geschrieben:Sollte man, wenn ein Wein, der für mich eine Sensation ist, gar einer der besten die ich im Glas hatte, niedriger bewerten weil andere ggf niedriger bewerten? Ich denke nein. Ich ging in meinen Ratings nie zu hoch denke ich, und das Rating hält auch den Bestand gegen Bewertungen früherer Jahrgänge, weil der hier einfach so vollkommen ist.
In Kurz: Genau! Etwas ausgearbeitet: Das ist
genau das Argument, das Weinkritiker seit einigen Jahren bringen, wenn man sie auf die immer höheren Punkte anspricht, die sie vergeben. William Kelley beispielsweise hat, als er die 2019er Arrivage von LPB übernahmen, im Vorfeld noch gesagt, er würde genauso strenge Maßstäbe wie in Burgund anwenden - und verteilt dann irre Wertungen, die jenen von Martin oder Galloni in nichts nachstehen.
Hier im Forum wird bei jeder en-primeur-Runde seit... oh,
immer von einer Punkteinflation gesprochen, die Kritiker nur deshalb verursachten, weil sie im aufmerksamkeitsökonomischen Sinne relevant bleiben wollten. Kaum daß
wir die Weine verkosten, zerschellt diese Sichtweise, denn
auch wir verteilen Wertungen, daß einem erst das Tabernakel platzt und im direkten Anschluss der Keller. Und ich nehme mich überhaupt nicht aus von diesem Phänomen, ganz im Gegenteil; zwar würde ich mich als 2019er Fanboy kategorisieren, aber eigentlich bin ich schon schockiert davon,
wie gut der Jahrgang mir gefällt, gerade
wegen der tollen Frucht (oder bin ich ein Simpel, der doch nie über Frucht+Holz+Wucht hinausgekommen ist?). Es war also überhaupt nicht gegen dich gerichtet, ledexter.
Und dabei ist es egal, ob deine 94-95 Punkte Capbern (Capbern, verdammt noch mal!) für mich (oder sonst wen) passen, darum geht es gar nicht. Sondern darum, daß man für eine Kiste dieses Weins gerade Mal
eine Flasche in Burgund bekommt (mehr eh nicht, weil, Allokation, Sie verstehen, nur gute Kunden dürfen die zweite Flasche mal anschauen), der man 95 Punkte auch nur zutrauen würde. Nur mal so als Beispiel.
Aber dennoch schimpfen wir auf die Kritiker, die angeblich die Preise treiben und natürlich schon wieder einen Jahrtausendjahrgang ausrufen werden. Weil, alles korrupte Schweine. Und gewisse Händler erst!!1!elf! (Der von Herrn Hilse frühzeitig angepriesene 2020er Malartic-Lagravière schießt gerade den Vogel ab bei den Arrivage-Bewertungen. Ziemlich viele Weine sogar schidßen den Vogel ab. Aber was haben wir geschimpft!)
Interessante Dynamik, oder nicht? Wenn jetzt also demnächst die 2022er en-primeur-Kampagne losgeht, können wir ja gewisse Beiträge wenn nicht ganz unterlassen, dann doch vielleicht... reduzieren. So vong der intellektuellen Redlichkeit her. Oder zumindest 2024 dann einräumen, wie gut die Kritiker in Bordeaux arbeiten. So vong der intellektuelle Redlichkeit her, ne.
Cheers,
Ollie
PS: Auf
vinolent.net gibt's übrigens auch eine hübsche Sicht auf die Southwold-Verkostung.