pessac-léognan hat geschrieben: ↑Mo 4. Aug 2025, 19:22
Darf ich dich fragen, Ollie, woher du das abgereicherte Uran beziehst. Beim angereicherten Uran hat man ja schon so seine Bezugsquellen, aber wer reichert denn heute welches ab?
Ähm, nur damit ich das richtig verstehe: Das abgereicherte Uran -
darüber bist du gestolpert? Und nicht über die Pilze?
Im August?!
Alba hat geschrieben: ↑Mo 4. Aug 2025, 13:14
Trotzdem eine Frage - bevor dir die Küche und alles rundherum um die Ohren geflogen ist, wie war der Montrose - insbesondere in Bezug auf "störenden-hohen Alkohol" und "gekochte, überreife Frucht".
Manfred, der Wein ist super, die Frucht nicht gekocht, der Alkohol perfekt eingebaut - aber dieser Wein wäre mit weniger Alkohol auch schön gewesen. (Das macht neugierig auf den 2023er - und vielleicht sogar auf den 2024er.)
Hier ein paar Notizen zu weiteren, getrunkenen 2022ern, der Montrose ist der vorletzte:
Brane Cantenac - Im Gegensatz zum 2019er noch einmal gesteigerte und enorm dichte und komplexe Frucht, so dicht, daß der Löffel drin stecken bleibt. Keine braun-erdigen Noten nach angesengtem Rosmarinzweig, wie ich sie mit BC verbinde. Aber dann kommt eine Schwärze über die Frucht und zieht sie in einen finstren Abgrund, and in the darkness bind them. Welch Intensität und Länge! Momentan eher beeindruckend als margalais, aber das ist schon superb. Der 2019er war im gleichen Alter harmonischer und auch etwas komplexer.
Durfort Vivens - Sehr intensive, satte, tiefe Nase nach süßen dunklen Früchte (Brombeere!) und Blumen (Iris, Pfingstrose) sowie nassem Stein. Auch am konzentrierten Gaumen sehr, sehr fruchtig, hier verbinden sich der Stil des Hauses und die extrem fruchtige Art des Jahrgangs vielleicht etwas zu gut, aber die frische Säure, ein leicht salziger(!) Einschlag und das sehr gut vergrabene, samtige Tannin halten den Wein noch zusammen. Schlanker Körper, wie es sich für einen Margaux gehört. Anfangs etwas kurz, gewinnt der Wein mit Luft an Länge, Klarheit und Ausdruck, und die schönen, mineralischen Noten des Cabernets (Talkum) kommen immer stärker durch und zügeln die Süße etwas. Nicht so beeindruckend und singulär wie die vorangegangenen Jahrgänge, aber dafür keine Schwarzwälder Kirschtorte, sondern alles sehr klar und frisch. Ein sehr schöner Durfort - jedoch wirklich nur etwas für Fruchttrinker. Dieses Jahr aber von Brane deutlich auf Abstand gehalten (was am Brane liegt).
Grand Puy Lacoste - Wunderschöne, komplexe Nase nach schwarzen und roten Früchten (rote Kirsche, rote Johannisbeere), viel Gewürz (Vanille, Zimt, Nelke), auch am Gaumen komplizierte, würzig-herbe Frucht, die zwischen schwarzen und roten Früchten changiert, GPL-übliches, samtiges Tannin, frische Säure, ganz ohne aufdringliche Süße, wunderbare Länge, enorm süffig, köstlich, mühelos, ein sehr, sehr ästhetischer Wein - superb.
Léoville Barton - Sehr dunkle Nase, anfangs mag man noch Cassis und sehr reife Brombeere erkennen, aber dann wird die Frucht immer schwärzer und schwärzer und die Nase immer herber und herber und zeigt eine fast monströse Mineralität (Tusche, Graphit). Auch am Gaumen diese tiefste Schwärze der Frucht, herbe, den Wein absolut unsüß machende Aromatik von Tusche; die kräftigen, aber perfekt reifen und samtigen Tannine sind von Raspeln schwarzer Schokolade umhüllt, auch Asche und Rauch („Raucherzimmer“), der mit der Zeit immer deutlicher zu leicht teeriger Kohle wird (auch bei Lagrange und Gruaud), was dem sehr langen Abgang einem Hauch durchaus angenehmer Bitterkeit verleiht. Trotz der tiefschwarzen Seele ein wahnsinnig freundlicher Wein, heiter geradezu. Darth Vader am Pool, den Kindern (seinen!) beim Planschen zuschauend und sich freuend, daß er nicht am Strand ist (er mag keinen Sand). Enorm süffig. Superb, in der neuen Stilistik sicherlich best ever.
Lagrange (St-Jul) - In der Nase etwas verwaschene, dunkle Frucht. Auch am Gaumen fehlt diesem Wein ganz deutlich Präzision; die Frucht dunkel und weich, aber recht verwaschen, und sie kommt nicht so recht gegen das dieses Jahr sehr muskulöse, leicht teerig wirkende Tannin an (*Gruaud vibes intensify*) - dies ist eher ein Statement-Lagrange, da wurde viel gewollt. Das Problem dieses Weins und seines Tannins ist aber die sehr hohe, fast zitrisch wirkende Säure. Das letzte Mal hatte ich sowas bei einigen 2010ern. Keine Ahnung, ob sich das fügen wird, aber immerhin ist ein sehr solider St-Julien, viel besser als Gloria (Kunststück…), aber dieses Jahr ganze zwei Klassen schwächer als Léoville Barton. Der 2019er hat mir sehr viel besser gefallen.
Les Carmes Haut Brion - Sehr komplexe, aber auch sehr unruhige Nase nach dunklen Früchten (Cassis, Brombeere), rohem Fleisch, schwer duftenden Blüten (welke Rose, vielleicht sogar Flieder?), ganz leichter Einschlag von frischem Trester. Am Gaumen sehr unruhig, recht viel Säure, die bei aller Konzentration den Körper vielleicht etwas schlanker wirken lässt, als er ist. Die Frucht ist komplex und dominiert das leicht struppige Tannin gut. Aromatisch will dem Wein der kräutrig-blättrige Cabernet Franc durchgehen, aber der tintige Cabernet Sauvignon hält die Zügel fest in der Hand. Und da die grünen Noten der Rappen anders sind als die des Cabernet Franc, gibt das eine ganz nette Rhapsodie in Grün. Der Abgang ist ordentlich, aber nicht ungewöhnlich lang, mit leicht bitterem Teer und viel saftiger Apfelschale(!). - Der Wein oszilliert architektonisch und aromatisch momentan zwischen den dreieinhalb Polen „nördliche Rhône“, „Barolo“ und „Loire-Médoc“ (wegen der Franc/Sauvignon-Situation). LCHB mag nun seinen Stil gefunden haben, aber mich hat LCHB ein bißchen verloren - der etwas orthodoxere (und superbe) 2018er war mehr meine Hausnummer. Das ist ganz interessant, und vielleicht wird der Wein ja noch superduper, aber stilistisch ist mir das etwas zu wirr und zu idiosynkratisch.
Beau-Séjour Bécot - Merlot durch ein Kiefernwald ging, Kyrieleison. Sehr komplexe Nase, die (wie bei BSB üblich) dunkle Frucht wird deutlich vom Cabernet Franc dominiert. Sehr komplexen Würze und Frische wie von einer Latschenkiefer. Auch am Gaumen große Frucht, Würze und Kalksteinmineralität, aber im Gegensatz zum mir damals zu klotzigen 2019er bemerkt man sofort den deutlichen Thomas-Duclos-Touch - der Wein ist enorm poliert, das ist fast schon zu viel des Guten, wäre nicht der wie üblich ausgeprägte Körper des Weins und diese herrliche Stoffigkeit, die BSB auszeichnet. Ich befürchte ja, das St-Emilion wird genauso „duclosifiziert“, wie weiland das Médoc „rollandisiert“ wurde, die stilistische Konvergenz ist einfach nicht zu übersehen. Zwar keine 100 Punkte, aber doch ein superber Wein, best ever.
Jean Faure (St-Em) - Rot- und dunkelfruchtig mit viel warmen Gewürzen und Orangenschalen - im Prinzip hervorragender Glühwein (die Frucht entsprechend nicht frisch und knackig, sondern leicht gekocht). Erstaunlich feiner (schlanker) Körper, sehr feines, seidiges Tannin, gute Säure, ein tatsächlich „burgundischer“ Stil. 90-92 und dafür arg teuer, aber vielleicht unterschätze ich den Wein auch.
La Gaffelière - „Oh, my.“ (G. Takei) Riesige, komplexe Nase, würzig und rotfruchtig ohne Ende. Auch am Gaumen extrem expressive rote Frucht, Kräuter, extrem seidiges Tannin und endlich das, was mir beim Canon immer ein wenig gefehlt hat: genug Körper, um den Alkohol (15.1 Vol%!) wegzustecken. Wow! Man ist wirklich irre beeindruckt, aber irgendwie fragt man sich, was für ein Vaudeville man da gerade im Glas hatte. La Gaffelière ist ja eh sehr apart, aber Grundgütiger! dieses Jahr ist der Wein fast übertrieben flamboyant: Der Kalkstein glitzert wie eine Discokugel, daß es schon
camp ist und ich mich spontan an das Musikvideo von Madonnas „Music“ erinnert fühle. Best ever, wie viele Kritiker schrieben? Dieser La Gaffelière ist vielleicht etwas zu karikaturhaft. Der 2019er war etwas zurückhaltender und bleibt deshalb immer noch meine persönliche Bestmarke.
Trotte Vieille - Komplexe, rote, schwarze und blaue, sehr reife, warmgewürzige Cabernet-Franc-Frucht mit sattem, perfekt ausgereiften und sehr festem Merlot (der heimliche Superstar im Wein), alles in perfektem Gleichgewicht. Auch am Gaumen sehr harmonisch und komplex, alles sehr freundlich. Kalkstein und Holz melden sich mit leichter Zimtschärfe. Sehr schöne Länge auf der satten Frucht. Aber das faszinierendste an dem Wein ist seine enorm charmante Lässigkeit - fährt im Chevy '69 durch die Gegend und hat einfach Spaß am Sein. Dieses Jahr gilt uneingeschränkt:
The lowrider is a little higher. Superb. Best ever.
Larcis Ducasse - Ganz anders als La Gaffelière, aber dann auch wieder nicht. Ebenfalls sehr
„flashy“ und nur Dank der dunklen Frucht nicht schrill - rotfruchtig wäre der Wein ein teenagerhaftes Desaster gewesen. So aber sehr interessante Kombination aus schwarzer Frucht, Kalkstein, Graphit, Säure, Tannin und Körper, das Holz wirkt nur durch die Gewürze. Sehr schöne Länge, trinkt sich sehr gut weg, ist aber arg gut bezahlt (oder ich unterschätze den Wein, weil er so gut läuft). Ich bin auf den etwas zurückhaltenderen(?) 2023er gespannt. Erinnert mich mit seiner schillernden Art an Feytit-Clinet.
Les Perrières de Lafleur - Der dritte Jahrgang in Folge, wo ich die hohen Bewertungen nicht nachvollziehen kann. Sehr reifer und stoffliger Merlot, anfangs mit Noten nach Pumpernickel, kombiniert mit sehr reifem, Cabernet Franc, der eine leicht altbacken wirkende, teerige Note hat, wie ich sie sonst nur von Loire-Cabernets kennen. Tatsächlich sehr salzig! Wuchtig, nicht sehr komplex, aber mal sehen, was die Zukunft bringt. Der Preis ist natürlich lächerlich.
Tronquoy - Sehr reife, satte und weiche Frucht ohne Holzsschminke. Am Gaumen beeindruckende Tanninqualität und schöne Länge, sehr gutes Handwerk. Der Alkohol ist gerade noch unproblematisch. Kein Philosoph, aber zu gegrilltem Lamm eine Wucht. Hat alle St-Estèphe-Marker, verhält sich aber zu St-Estèphe wie Durfort-Vivens zu Margaux, muss man also mögen. Leute, die’s tun, haben den Wein in der Verkostung tatsächlich gleich gut oder besser(!) gesehen als Larcis Ducasse - die auch auf cellartracker gesehene Dichotomie ist also echt. Ich bin eher im 90/91-Punkte-Lager. Zweimal verkostet, mit konsistenten Bewertungen.
Phélan Ségur - Wunderbarer Phélan-Ségur und ein wunderbarer St-Estèphe. Saftig, kräftig, herb, sauber strukturiert, dabei immer weich und herrlich angenehm, aber durchaus mit Konzentration und Druck, wenn er msuss. Die Art Claret, die Steve Spurrier immer propagierte: eminently drinkable, supple, yet vigorous if need be. Falls jemand nur einen Wein des Jahrgangs einlagern wollen würde (Geburtstag o.s.ä) - der hier wäre meine Empfehlung. Best ever?
Montrose - In der Nase alles von Allem und viel davon: enorm tiefe, cremige und dichte Nase mit floralen, fast parfümierten Noten (Iris, Rose, Veilchen, Flieder…), Talkum, Gewürzen (Fivespice, Vanille, Nelken, Anis, Pfeffer, viel Pfeffer), Tinte, nasser Ton, Bleistiftabrieb (Graphit, Zedernholz), Hefeextrakt, süße, frische, dunkle Früchte (alle! einfach alle!), wunderschön. Am Gaumen verschiebt der Wein die Bedeutung der beiden Worte „Konzentration“ und „Dichte“ - das ist nicht einfach ein Qualitätssprung zu den bisherigen Weinen, das ist eine ganz andere Kategorie. Sehr, sehr wohlschmeckend, sehr natürlich, aber so extrem konzentriert und komprimiert, daß das enorme Tannin nicht mehr als Struktur, sondern als Textur wirkt - anfangs kreidig, dann immer samtiger werdend, aber völlig ohne Politur, sondern auch wieder völlig natürlich. (Vielleicht ist diese Natürlichkeit das beeindruckendste an diesem beeindruckenden Wein.) Mächtiger Körper, die 14.5 Vol% schieben kräftig mit, beeindruckende Intensität, die nur sehr langsam abklingt - sehr, sehr langer Abgang. Süße Frucht, pfeffrige Würze, wiederum Hefeextrakt-artiges Umami. Bei all dieser enormen Mundfülle noch völlig zugeschnürt. Ich sehe nicht, daß dieser Montrose sich weniger gletscherhaft entwickeln wird als die bisherigen Jahrgänge. Entsprechend sollte man diesem Wein zwei oder drei Jahrzehnte gönnen, damit er sich etwas öffnen und (kein Witz) noch etwas Komplexität aufzubauen kann. Momentan (und wohl auch später in seinem Leben) ist dieser Wein reine Kunst um ihrer selbst Willen. Wirklich
supremely impressive, aber… wer will schon im Petersdom wohnen?
Montlandrie (Castillon) - Benötigt eine halbe Stunde, um sich zu finden und nicht ganz so „quietschig“ zu sein, dann wird die anfangs arg neonpinke Frucht etwas dunkler und ernsthafter, das Tannin wunderbar feinkreidig und die Säure feiner. Saftige Frische, ein Hauch Kalksteinmineralik, sehr ordentlicher Länge und wunderbarer Ausgewogenheit. Sehr leichtfüßig und süffig, die 14.5 Vol% (Vorsicht!) sehr gut eingebaut. Ein dagegen getrunkener Tronquoy wirkte schwerfällig, aber ausgerechnet St-Estèphe war auch gemein als Sparringspartner. Sehr gut!
Meine Lieblinge sind deutlich, insgesamt kommt ich sehr gut mit dem Jahrgang zurecht, allen voran mit meinen Subsweinen (bis auf zwei Ausnahmen...). Aber wie schon Chrysostomus schrieb: Nicht immer ist der 2022er besser als der 2019er, also caveat emptor.
Cheers,
Ollie