BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Benutzeravatar
tubermagnatumpico
Beiträge: 276
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 12:09

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von tubermagnatumpico »

octopussy hat geschrieben:
weinfex hat geschrieben: Ich bin übrigens komplett gegenteiliger Meinung, die Preise steigen noch stärker, wenn weniger gekauft wird, ist aber etwas, auf was ich erst nach der Kampagne eingehen werde, denn das birgt doch einiges an Diskussionsstoff und Sprengkraft, wofür ich im Moment die Zeit nicht habe...
Aber nicht vergessen bitte ;). Das dürfte ein spannendes Thema werden.
@Andreas/weinfex
Ist schon genügend Zeit für ein Statement?
Es grüßt von Hib de Bach
Tilo
la-vita
Beiträge: 358
Registriert: So 3. Jul 2011, 21:40

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von la-vita »

Hallo allerseits,

nach den durch die Preissteigerungen ausgelösten Ohnmachtsanfällen der diesjährigen Kampagne lohnt sich vielleicht nochmal ein Blick zurück in die Vergangenheit. Zufällig fiel mir dieser Tage eine alte Ausgabe der Zeitschrift "Alles über Wein" aus dem Jahr 1985 in die Hände. Leicht amüsiert las ich dort im Rahmen einer Anzeige das Subskriptionsangebot eines Weinhändlers für die Bordeaux-Weine aus dem Jahr 1984. Ich darf zitieren:

"Die Preissituation im Bordelais scheint mir, insbesondere für die Spitzenweine, eindeutig überhitzt. Dies kommt in Preissteigerungen der Chateaux - bis zu 40% für den Jahrgang 1984- gegenüber dem erstklassigen Jahrgang 1983 zum Ausdruck. Zur Begründung für die exorbitante Preissteigerung werden folgende Argumente angeführt: Die großen 2. Crus behaupten, "wir sind nicht schlechter als die ersten und dementsprechend müssen wir uns auch mit den Preisen den ersten nähern". Sie haben ihre Preise um 20% erhöht.
Andere, die auch 1984 wieder hervorragend gearbeitet haben, wie z. Bsp. Lynch Bages u. La Lagune sagen: "Wir haben nur die halbe Menge produziert und sind im Verhältnis zu unserer Qualität bisher zu billig gewesen". Auf dem Teppich geblieben sind eigentlich nur die 1er Crus, die mit Ausnahme von Latour (+6%) ihre Preise konstant gehalten haben.
Der wirkliche Grund für die teilweise enormen Preissteigerungen scheint mir jedoch der nach wie vor starke Dollar mit hitziger Nachfrage aus den USA zu sein und die Tatsache, daß die Aufnahmefähigkeit, für die tendenziell immer besser werdenden großen Weine des Bordelais, nach wie vor stärker wächst als die Produktion.
So stehen wir ganz schlicht dem Phänomen von Angebot und Nachfrage gegenüber. Dennoch, ich bin der Meinung, daß das hohe Risiko der Preisentwicklung des Jahrgangs 1984 der Negociant - also ich selbst - zu tragen hat.
Sollten Sie jedoch der Meinung sein - und diese Meinung hat durchaus etwas für sich - daß unter dem Gesichtspunkt der Risikoverteilung - beispielsweise schlechtere Ernten in den kommenden Jahren - sich einen Grundstock der tatsächlichen guten 84er zulegen sollten - hier ist mein Angebot:"

Dann schauen wir uns die überhitzten Preise einmal - auszugsweise - an:
(alle Preise wohlgemerkt in DM !)

Angelus, 32,-
Belgrave, H.-Medoc, 13,90
Beychevelle, 39,-
Calon Segur, 31,-
Chasse Spleen, 18,90
Cheval Blanc, 85,-
Domaine de Chevalier, 65,-
Cos d´Estournel, 39,90
Duhart Milon Rothschild, 30,-
Figeac, 48,-
Gloria, St. Julien, 18,90
Haut Bailly, 26,-
Haut Batailley, 23,-
Haut Brion, 85,-
Lafite, 85,-
Lagrange, 22,-
Lagune, 27,-
Latour, 89,-
Lynch Bages, 36,-
Margaux, 85,-
La Mission, 79,-
Montrose, 32,-
Mouton Rothschild, 85,-
Les Ormes de Pez, 18,90
Pape Clement, 36,-
Pontet Canet, 22,-
Potensac, 11,-

Auffällig ist, das die Preise für die Cru Bourgeois annährend den heutigen Preisen in € entsprechen. Wenn man die Inflation berücksichtigt, dürfte sich beim Preisniveau der Cru Bourgeois nicht viel getant haben.

Insgesamt sieht man, dass auch schon vor 26 Jahren ähnliche Mechanismen vorherrschten wie heute. Damals war der erwachende USA Markt der Preistreiber, heute ist es halt China. Für die Chateaux u. Händler also Business as usual.

Viele Grüße
Detlef
Benutzeravatar
harti
Beiträge: 2593
Registriert: Mo 9. Aug 2010, 15:49
Wohnort: Deutschland

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von harti »

Hallo Detlef,

vielen Dank für Deinen Beitrag! Ich vermute, diese offenen Worte stammen von Bovensiepen? Zum Schmunzeln finde ich, dass der Jahrgang als gut bezeichnet wird. In Wahrheit ist es der wohl schlechteste Jahrgang der letzten 30 Jahre (nur der 80er war noch schlechter).

Ich hatte das "Glück", Mouton und Cos probieren zu dürfen, die als Erfolge in diesem Jahrgang bezeichnet wurden. Beides klitzekleine Weine, die nicht einmal das Niveau einfacherer Cru Bourgeois erreichen.

Grüße

Hartmut
la-vita
Beiträge: 358
Registriert: So 3. Jul 2011, 21:40

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von la-vita »

Hallo Armin,

Bingo! Der Händler war tatsächlich Bovensiepen (Alpina).
Könntest ja bei "Wetten Dass" auftreten!

Viele Grüße
Detlef
Benutzeravatar
innauen
Beiträge: 3507
Registriert: Mi 3. Nov 2010, 11:33
Wohnort: Berlin

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von innauen »

Finale: Le Pin 1300 € ex nego. Falls jemand das Geld hat oder überhaupt einen Händler kennt, der diesen Wein führt.

Grüsse,

Wolf

P.S. Für die Entwicklung der Subskriptionspreise seit 1983 haben wir hier eine Tabelle. Kann gerne um die 2010er oder sonstige Preise ergänzt werden: https://spreadsheets.google.com/ccc?key ... GSnc&hl=en
„Es war viel mehr.“

Johnny Depp dementiert, 30.000 Dollar im Monat für Alkohol ausgegeben zu haben. (Quelle: „B.Z.“)
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von octopussy »

Ich weiß, ist jetzt alles ein alter Hut und holt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Hier aber zur Komplettierung noch zwei Resumées:

Farr Vintners, großer Bdx Händler: http://www.jancisrobinson.com/articles/a201107071.html

Weinkenner: http://www.weinkenner.de/wein-news/subs ... -2010.html
Beste Grüße, Stephan
Benutzeravatar
Markus Vahlefeld
Beiträge: 1689
Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Danke für die links. IMHO steht der Schlüssel für viele der Rätsel, vor denen wir in der gerade abgelaufenen Kampagne standen, am Ende von weinkenner.de:

„Sie kaufen, um zu trinken und zu sammeln, nicht um wiederzuverkaufen.“

Den Satz kann man sich auf der Zunge zergehen lassen...
Matthias Hilse
Beiträge: 430
Registriert: Di 30. Nov 2010, 18:12
Kontaktdaten:

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von Matthias Hilse »

octopussy hat geschrieben:Ich weiß, ist jetzt alles ein alter Hut und holt niemanden mehr hinter dem Ofen hervor. Hier aber zur Komplettierung noch zwei Resumées:

Weinkenner: http://www.weinkenner.de/wein-news/subs ... -2010.html
Guten Abend,

die Zahlen beim weinkenner (z.B. Eglise Clinet + 104%) entbehren jeglicher Grundlage. Der Preis für 2010 entspricht dem Preis für 2009 auf den Cent genau. Auch in der ansonsten gut recherchierten FAZ sind heute Zahlen über Bordeaux 2010 zu lesen, die zwar die Stimmung wiedergeben, aber eben nicht die Tatsachen.

Wer über 2010 journalistisch jammern möchte, sollte die Recherche dennoch nicht für obsolet erachten. :roll:

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
weinfidél
Beiträge: 247
Registriert: Do 2. Dez 2010, 23:15
Wohnort: DE-60385 Frankfurt am Main

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von weinfidél »

Markus,
Markus Vahlefeld hat geschrieben:Danke für die links. IMHO steht der Schlüssel für viele der Rätsel, vor denen wir in der gerade abgelaufenen Kampagne standen, am Ende von weinkenner.de:

„Sie kaufen, um zu trinken und zu sammeln, nicht um wiederzuverkaufen.“

Den Satz kann man sich auf der Zunge zergehen lassen...
es könnte aber auch sein, dass das halt nur für jetzt (2011) gilt... :idea:

fidélst
RicoE
Es gibt nichts, was es nicht gibt
Benutzeravatar
octopussy
Beiträge: 4405
Registriert: Do 23. Dez 2010, 10:23
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hamburg

Re: BORDEAUX 2010 - Aktuelles zur Primeurkampagne

Beitrag von octopussy »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Danke für die links. IMHO steht der Schlüssel für viele der Rätsel, vor denen wir in der gerade abgelaufenen Kampagne standen, am Ende von weinkenner.de:

„Sie kaufen, um zu trinken und zu sammeln, nicht um wiederzuverkaufen.“

Den Satz kann man sich auf der Zunge zergehen lassen...
Markus, das verstehe ich nicht ganz. Dieser Satz ist für mich wie das allermeiste, was wir hier diskutieren, reine Mutmaßung. Wer weiß schon, was wer für welchen Zweck kauft? Ich habe meine Vermutungen (siehe hier geäußert, viel für Investmentzwecke), bin dabei aber alles andere als sicher oder auch nur überwiegend sicher. Ob große Mengen an chinesische Endverbraucher gehen, die die Flaschen dann zum Eigenverbrauch einkellern oder gleich trinken, ist aber m.E. auch alles andere als sicher. Ich selber weiß es schlicht und einfach nicht.
Matthias Hilse hat geschrieben: die Zahlen beim weinkenner (z.B. Eglise Clinet + 104%) entbehren jeglicher Grundlage. Der Preis für 2010 entspricht dem Preis für 2009 auf den Cent genau. Auch in der ansonsten gut recherchierten FAZ sind heute Zahlen über Bordeaux 2010 zu lesen, die zwar die Stimmung wiedergeben, aber eben nicht die Tatsachen.
Offensichtlich verkehrte Aussagen wie die zur Preissteigerung von Eglise Clinet sind tatsächlich blöd. Aber ansonsten frage ich mich aber, was sind die Tatsachen? Ich habe noch nicht ein einziges Resumée gelesen, dass einigermaßen belastbare Tatsachen geboten hat.

Für mich als Konsumenten ist die Sache recht einfach. Die allermeisten Weine sind mir zu teuer, ganz egal ob sie in Zukunft noch teurer sein werden oder ob sie wieder im Preis fallen. Das bin aber vielleicht ich ganz persönlich als Sparfuchs und nicht übermäßiger Bordeaux-Freak.

Trotzdem lässt mich - rein aus Gründen des abstrakten Interesses - die Frage nicht los, wie sich der Markt gerade entwickelt und entwickeln wird. Wenn ich an bestimmten Weinen hinge oder nach Jahrzehntweinen suchen würde (das ist vielleicht heutzutage der bessere Begriff als Jahrhundertwein), wäre ich jedenfalls völlig verunsichert, ob ich derzeit zu viel bezahle oder ob ich besser jetzt zuschlage. Und dass selbst Marktinsider (v.a. Journalisten) nicht gerade im kristallklaren Wasser fischen, verstärkt diese Unsicherheit nur noch weiter. Insofern habe ich großes Verständnis für alle Skeptiker (ich gehöre ja selbst dazu). Gleichwohl muss natürlich solche Skepsis entweder auf Fakten basieren oder deutlich machen, dass es sich um reine Vermutungen handelt. Das Gleiche gilt natürlich für euphorische Berichte.

Ich glaube, was für die nächste Kampagne extrem wichtig ist (falls auf den außerasiatischen Markt Wert gelegt wird), ist die Wiederherstellung einer gewissen Vertrauensbasis. Und das meine ich ganz unabhängig der Höhe der Preise. Wenn man wüsste, dass die Preise wegen hoher Nachfrage (bei hohem Angebot) schlicht und einfach hoch sind und wahrscheinlich noch steigen werden, wüsste man jedenfalls, woran man ist.
Beste Grüße, Stephan
Antworten

Zurück zu „Bordeaux und Umgebung“