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Senejac hat aber auch eine echte Steilvorlage, da Tesseron da seine Finger drin hat - und so wird der Wein auch schon sehr aktiv als "kleiner Pontet-Canet" vermarktet.
Was da schlussendlich dran ist, wird man sehen, wenn der Wein in der Flasche ist. Mit "kleiner XY" bin ich immer etwas vorsichtig. Der im Regelfall ziemlich mäßige Potensac wird seit Jahren als "kleiner Las Cases" vermarktet, und es gibt ähnliche Beispiele zu Hauf.
Vielleicht sollte man sich bei Lamothe Bergeron überlegen, die önologische Beratung durch H. de Bouard auszuschlachten: "der kleine Angelus"...
Gruß
Ulli[/quote]
Im Grunde war Ch. Latour weitsichtig, als dort schon früh der Bedarf erkannt wurde, ein "Basispreissegment" mit einem Drittwein zu besetzen. Da aber abgesehen von den Premiers und einigen anderen Châteaux wie Montrose und Sociando Mallet die Zweitweine der Pflege der "Grande Distribution" überlassen wurden, befindet sich der Markt für die Zweitweine noch in einer "Neufindungs- und Definierphase".
Als dann irgendwann die "flying winemakers" ins Spiel kamen, die eben so manchem bürgerlichen Schlachtroß den distinguierten Hauch der mondänen Welt einhauchten, war im Prinzip der Damm geöffnet für genealogische Brüdervermehrung.
Die aktuelle Entwicklung ist ja nichts anderes als eine anschauliche Form von Image- und Technologietransfer.
Nimmt man das Beispiel Sénéjac, so ist das Verdachtsmoment übertriebener Glorifizierung zunächst gut zu verstehen, hat man doch von dort früher nichts Aufregendes vernehmen können. Was aber bedeutet es, wenn nun die Tesserons ins Spiel kommen? Man müsste das konkretisieren: was macht den Sénéjac unter der Ägide des ruhelosen Pontet-Canet Kellermeisters und Direktors Jean-Michel Comme nun auf einmal anders?
Der Begriff des kleinen Bruders ist natürlich falsch, denn die genetische Bande würde ja im Weinberg liegen, und gerade dort ist sie nicht zu finden. Würde man aber von einem "Patenprojekt" sprechen, träfe es die Sache viel eher. Übrigens schon seit dem Jahrgang 2009 haben sich die Eigentümer der Expertise des Teams um Jean-Michel-Comme versichert, um damit zu dokumentieren:
-wir sind es uns wert, mit dem innovativsten und progressivsten Konservativen zu arbeiten
-wir haben einen langen zeitlichen Horizont
-wir erstreben graduelle Verbesserungen in der Weinbergsarbeit, der Weinbereitung und im Vertrieb
-wir schätzen kontinierliche Entwicklungen ohne rapide Sprünge
Es geht dabei auch um die Klärung der Frage, ob eine vergleichbare Dynamik bei einem Cru Bourgeois möglich ist wie man sie seit einigen Jahren bei Pontet-Canet beobachten kann.
Ein schöneres Paar als Clos du Jaugueyron mit Michel Théron und Château Sénéjac mit Jean-Michel Comme gibt es im Médoc nicht: hier die exogene Überfliegerexpertise für einen angestaubten Cru, dort die endogene Liebeserklärung des Eigentümers an seinen Clos und damit sein Terroir.
Wer verstehen will, was im Médoc gerade, von zwei Seiten her betrachtet, "state of the art" ist, kommt am Clos du Jaugueyron und an Ch. Sénéjac (beides 2010) nicht vorbei.
Herzliche Feiertagsgrüße,
Matthias Hilse