Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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UlliB
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

Beim Nachdenken über die VDP-Klassifikation kam mir folgende kleine Szene in den Sinn, wie sie sich in nicht allzu ferner Zukunft abspielen könnte:


Eine kleine, aber sehr gut sortierte Weinhandlung, gutbürgerliche Gegend einer deutschen Großstadt. Der junge, engagierte und bestens informierte Händler hat in den vergangenen Jahren eine treuen Kundenstamm aufgebaut, dennoch findet auch immer wieder der eine oder andere Laufkunde den Weg ins Geschäft – wie jetzt gerade ein gut gekleideter Mitvierziger, der erklärt, dass er für eine Jubiläumsfeier ein paar Gäste eingeladen hat und dafür einen wirklich guten deutschen Weißwein kaufen möchte. Nach Klärung einiger elementarer Fragen – Rebsorte (Riesling natürlich) und Preisrahmen – greift der Händler zu einer Flasche eines VDP-Winzers, zeigt auf den Traubenadler auf der Kapsel und erläutert kurz die besondere Bedeutung des VDP im deutschen Weinbau. Dann geht’s an die Klassifikation:

„Wissen Sie, beim VDP ist das jetzt alles ganz übersichtlich und einfach geworden. Glockenklar gewissermaßen! Es gibt nur vier Qualitätsstufen: die Basis bilden die Gutsweine, nur mit dem Namen des Winzers und der Angabe der Rebsorte auf dem Etikett, und dem Jahrgang natürlich. Darüber folgen dann die Ortsweine, da wird auch der Name des Ortes angegeben, wo die Reben stehen, aus denen der Wein gemacht wurde. Darüber dann die Lagenweine aus genau klassifizierten ‚Ersten Lagen‘, auf denen wird zusätzlich auch noch der genaue Lagennamen angegeben. Und schließlich, als Krönung, die ‚Großen Gewächse‘, die aus klassifizierten Großen Lagen kommen, auf der Flasche mit dem Lagennamen und ‚GG‘ bezeichnet. Nur diese vier Stufen – die Regel ist, je genauer die Angabe der Herkunft, desto höher die Qualität. Ach ja, und die ganzen Prädikate gibt’s nicht mehr, sie wissen schon, dieser alte Zopf… Kabinett, Spätlese, Auslese und so… das machte eh schon lange keinen Sinn mehr.“

Der Kunde, der sich währenddessen sorgfältig umgesehen hat, deutet leicht verwirrt auf einen ‚Gutswein Kabinett trocken‘ eines anderen VDP-Winzers. Der Händler darauf:

„Ja, hm, ok… beim Gutswein darf man ausnahmsweise noch Kabinett und Spätlese draufschreiben, wenn man es möchte… Machen aber lange nicht alle! Und das geht auch nur beim Gutswein, also ganz unten in der Pyramide.“
--
„Ja, da haben Sie Recht, wenn man es so betrachtet, gibt es eigentlich sechs Qualitätsstufen, wenn der Winzer neben dem Gutswein ohne Prädikat auch noch einen Gutswein Kabinett und einen Gutswein Spätlese macht.“
--
„Ob ein ‚Gutswein Spätlese‘ besser oder schlechter ist als der Ortswein? Ja das kommt darauf an, da müsste man schon probieren, wenn man das wissen möchte! Aber das sind ja wie gesagt seltene Ausnahmen. In aller Regel gibt es nur die vier Qualitätsstufen. Das heißt, hmm… (zögerlich) eigentlich gibt es doch noch eine Stufe mehr, nämlich den Zweitwein zum GG. Auch aus der Großen Lage, gleiche Rebsorte, gleicher Jahrgang, aber eben kein GG… den Zweitwein gibt’s aber nur, wenn’s aus dieser Lage auch ein GG gibt, sonst ist der Zweitwein nämlich der Erstwein, und dann gibt es gar keinen Zweitwein! Machen aber lange nicht alle so! Naja, und dann gibt es natürlich je nach Weinbaugebiet noch die eine oder andere Sonderregelung, aber das führt jetzt zu weit…“

Der aufmerksame Händler erkennt am Blick des Kunden, dass dieser beginnt, an seiner geistigen Gesundheit zu zweifeln, und beschließt, die Sache jetzt besser zügig zum Abschluss zu bringen.

„Also, wie dem auch sei… diesen Wein hier kann ich Ihnen wirklich sehr empfehlen. Der ist schon echte Spitzenklasse! Wollen Sie es damit vielleicht einmal versuchen? Wie viele Flaschen dürfen es denn sein?“
--
„Ob der Wein auch süß ist? Hm, nein… ja, wollten Sie denn einen restsüßen Wein?“
--
„Ja, das ist gar kein Problem. Damit bin ich auch sehr gut sortiert! Feine Sachen! Das ist nämlich gewissermaßen ein Steckenpferd von mir… aber jetzt muss ich Ihnen erst einmal erklären, wie beim VDP die restsüßen Weine gekennzeichnet werden. Da ist nämlich alles ganz anders! Vergessen Sie jetzt also erst mal alles, was ich vorhin gesagt habe. Um von vorne anzufangen, …“

Der Kunde hat sich bei diesen Worten des Händlers mit leichter Panik im Blick langsam rückwärts in Richtung Tür bewegt, dreht sich ruckartig um und stürmt aus dem Laden – dabei den festen Vorsatz fassend, niemals wieder bei einem Fachhändler nach einem deutschen Wein zu fragen.

:twisted:

Gruß
Ulli
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Mr. Nebbiolo
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Mr. Nebbiolo »

Hallo Ulli,

eine schöne Geschichte :)

Ist aber gar nicht so in die Zukunft geblickt, sondern ist bei mir auch Vergangenheit und wahrscheinlich auch Gegenwart :o :shock:

Wenn ich mich vor einem Jahr noch mal an ein Regal mit deutschen Weißweinen gewagt habe, ging es mir ungefähr so, nur noch deutlich verwirrender. X - Bezeichnungen, dann GG, EG,dann Lagennamen, die kein Mensch überhaupt aussprechen kann, dann QbA, Kabinett, Spätlese, Auslese, dann das ganze in süß und trocken, da aber wieder auch halbtrocken, nein feinherb, oder doch mild, oder war es feinmild....... :shock: :cry: :roll:

Noch verwirrender, als der derzeitige Stand ist, kann es m.M. nach also kaum werden.
Grüße

Klaus
Sebastopol
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Sebastopol »

Damit trifft der Ulli den Nagel auf den Kopf! Selbst wer der deutschen Sprache mächtig ist, wird an diesem Labyrinth von Bezeichnungen in den meisten Fällen scheitern. Fremdsprachler oder -God forbid!- Menschen die gar kein Deutsch sprechen, tja, das gibt's tatsächlich, hab sogar schon von welchen gehört, das man nicht in jedem Land des Erdenrundes die deutschen Weinbauern kennt, also diese Leute werden mit den neuen Bezeichnungen schlichtweg nicht erreicht. Und dann kann man auch drauf verzichten und schlicht "Riesling" auf das Etikett notieren...das kann sich vielleicht noch einer merken und danach später mal gezielt fragen.

Achja, auch wenn ich in einem Mitgliedsbetrieb arbeite, lieber, hochgeschätzter VDP der gerade seinen schönen 100jährigen Geburtstag gefeiert hat:

Habt ihr hirnlosen Schnarchsäcke vielleicht mal euren verdammten Namen angeschaut? VDP

:evil: :cry: :shock: :evil: :cry: :shock: :evil: :cry: :shock: :evil: :cry: :shock: :evil: :cry: :shock: :evil: :cry: :shock: :evil: :cry: :shock: :evil: :cry: :shock: :evil: :cry: :shock: :evil: :cry: :shock:
"A German wine label is one of the things life's too short for, a daunting testimony to that peculiar nation's love of detail and organization."
Kingsley Amis Everyday Drinking
BuschWein
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

Ein klein wenig frage ich mich schon, warum manche in der neuen Regelung eine Verschlimmbessrung sehen. Dass man das ganze nicht unbedingt als Verbesserung sehen muss, ganz klar, kann man so sehen, aber wie war es denn früher?

Winzer X, Ort, Großlage oder Einzellage, verschiedene Prädikate, verschiedene Süßestufen, wer da kein Deutsch konnte und zumindest zwei, drei Jahre Etikettenstudium hinter sich hatte, dazu einen groben Überblick über die Qualität der einzelnen Winzer, der konnte mit einem deutschen Weinetikett auch wenig bis nichts anfangen.

Das Problem in Deutschland fängt halt schon da an, dass jeder Winzer und jede Region glaubt jeden Weinstil produzieren zu müssen, den ein potentieller Kunde wünscht. In so einem Fall bringt die beste Klassifizierungs- und Weinbezeichnungsidee leider gar nichts mehr, dann braucht man ein paar Dutzend Bezeichnungen und noch mal so viele Ausnehmen, dann geht einfach und verständlich halt nicht.
Armin
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Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Das Problem in Deutschland fängt halt schon da an, dass jeder Winzer und jede Region glaubt jeden Weinstil produzieren zu müssen, den ein potentieller Kunde wünscht.
Jaja, diese Vielfalt - einfach grauenvoll!! Wie toll wäre es doch, wenn es in Deutschland nur drei bis vier Rebsorten und daraus nur trrrrockene Weine gäbe. Im Burgund brauchen die den ganzen halbtrockenen und restsüßen Mist schließlich auch nicht!

Beste Grüße

Bernd
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octopussy
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von octopussy »

Bernd Schulz hat geschrieben: Jaja, diese Vielfalt - einfach grauenvoll!! Wie toll wäre es doch, wenn es in Deutschland nur drei bis vier Rebsorten und daraus nur trrrrockene Weine gäbe. Im Burgund brauchen die den ganzen halbtrockenen und restsüßen Mist schließlich auch nicht!
Völlig richtig. Nieder mit der Vielfalt. Ich bin auch für einen "Geschmackskorridor" salzig mineralisch" :mrgreen:... und für ganz einfache Labels "Germany Riesling DRY" ;).

Zum Argument mit dem "Vorher war es auch nicht gerade übersichtlich" sei noch anzumerken, dass das definitiv richtig ist, dass man aber ausreichend Zeit hatte, sich daran zu gewöhnen.
Beste Grüße, Stephan
Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

"Germany Riesling DRY"
Eine gute Idee, Stephan! Dann wären die furchtbaren Lagennamen, die eh keiner aussprechen kann, auch endlich Geschichte!

Und den geplagten Fachhändlern würden Riesenlasten von den Schultern genommen. Die Ärmsten kommen ja, seitdem sie ihren Kunden den ganzen Tag lag erklären müssen, dass hinter dem Begriff Spätlese auch noch das Attribut "trocken" stehen kann, überhaupt nicht mehr dazu, ihrem eigentlichen Beruf nachzugehen!

Das ist doch alles Pille-Palle, diese ganzen Lagenbezeichnungen, Prädikate, verschiedenen Zuckergradationen und ekelhaften Neuzüchtungen wie Scheurebe oder Rieslaner. Weg mit dem Drüss, her mit der deutschen Einheit!

Beste Grüße

Bernd
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Oh Dae-Su
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Oh Dae-Su »

Wunderbare Idee!

Ich war schon immer ein Befürworter einer Einkategorisierung im orwellschen Sinn:
VICTORY WHITE und VICTORY RED! Mehr braucht es nicht! Alles viel zu kompliziert ... :mrgreen:
BuschWein
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

Nieder mit der Vielfalt.
Das Problem mit der Vielfalt ist halt leider nur, dass nicht jeder Winzer alles gleich gut kann. Und ob es für den Kunden wirklich so toll ist, mittelmäßige Weine zu bekommen, aber dafür in großer Auswahl bleibt halt diskussionswürdig, zumindest für mich. Manchmal kann es auch gut sein sich auf das zu konzentrieren was man am Besten kann. Das heißt ja nicht gleich, dass man nur einen Wein machen soll und es heißt auch nicht, dass es unbedingt trocken sein muss.
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sorgenbrecher
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von sorgenbrecher »

mal abgesehen davon, dass auch ich diese klassifikation in der vorliegenden form nicht für besonders gelungen halte, so ist der mit abstand größte teil der hier ausgetauschten contra-argumente in der praxis für die vermarktung der weine sicher völlig irrelevant und interessiert nur das 1% der irren und verrückten wie uns hier. im gegenteil, ich kann mir sogar sehr gut vorstellen, dass es wirtschaftlich und zur vermarktung der weine erneut ein großer und erfolgreicher schritt sein wird.

99% der potentiellen käufer und vor allem auch käufer im ausland orientieren sich zunächst an den preiskategorien in denen sie kaufen wollen und legen sich dann auf das konkrete produkt fest. wenn also jemand entschieden hat sich einen (vermeintlich) besonders guten deutschen riesling kaufen zu wollen und bereit ist mehr als € 30,-/fl. auszugeben, dann kann er als nächstes direkt zu 99% in der "schublade" der ersten gewächse (1er cru's) und großen gewächse (grand cru's) wühlen und sich dort bedienen. im gegenteil, die erneute separierung in 1er und grand ermöglicht den produzenten eine erneute marktdifferenzierung und damit die weitere perspektivische etablierung eines höheren segments. für den großen gewächs-trinker wird es in den nächsten jahren potentiell teurer werden und eigentlich sollte man sich jetzt mit aktuellen großen gewächsen aus toplagen, die auch zukünftig noch große gewächse hergeben werden, eindecken, da diese in den nächsten 10 jahren wohl erheblich im preis zulegen werden....

und für die interessierten 1% hier ist das sowieso weitgehend uninteressant, da wir sowieso ein soviel mehr an detailinformationen zu den jeweiligen winzern und dessen einzelnen weinen einholen, dass die klassifikation irrelevant wird.... :roll:
Gruß, Marko.
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