harti hat geschrieben:
Ein schönes Schlusswort für diesen Thread

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Trotz des Schlussworts für diesen Thread (der ja spätestens dann wiederbelebt wird, wenn die Weine in der Flasche sind und ausgeliefert werden) noch ein Resümee der Kampagne aus meiner Sicht.
Weiter oben im Thread hatte ein User geschrieben, dass ihn die Kampagne „schockiert“. Ich hingegen kann keinen wirklichen Grund erkennen, geschockt zu sein.
Es war von vornherein klar, dass die Preise höher als die der 2021er sein werden. Dieser Mechanismus hat in den letzten drei Jahrzehnten immer gegriffen, wenn ein Jahrgang als besser als der Vorjahrgang eingeschätzt wurde (bei zwei Ausnahmen, 2008 und 2019, war die Preisstellung durch externe Krisen beeinflusst). Und da die 2021er von den Chateaux wahlweise zum selben Preis wie die 20er angeboten wurden oder nur ein symbolischer Mini-Abschlag vorgenommen wurde, war ebenfalls klar, dass die Preise auch höher als die der 20er werden. Es war nur offen, wieviel höher.
Als dann das Geschrei mit „best ever“ immer lauter wurde, war schon zu erwarten, dass man es nicht bei einem Aufschlag von wenigen Prozent belassen würde. Das makroökonomische Umfeld erlaubt auch Preissteigerungen: die Corona-Krise wird als überwunden betrachtet, die Börsen notieren auf oder nahe an historischen Höchstständen, die Vermögen des wirklich wohlhabenden Teils der Bevölkerung sind weiter angewachsen, und die Inflation liefert ein zusätzliches Argument, weil ja eh alles teurer wird.
Schließlich hat man sich auf Erhöhungen in der Bandbreite von 15 bis 25 Prozent eingeschossen. Die Ausreißer nach oben haben meistens die Ursache in sehr hohen Bewertungen oder im Falle von Figeac den Aufstieg in der Klassifikation. Dass es Jahre gegeben hat, in denen die prozentualen Aufschläge zum Vorjahr
viel drastischer ausgefallen sind, hatten ja schon einige User angemerkt.
Ob die Preise überrissen sind? Im Gegensatz zu den Usern, die immer alles wissen, weiß ich es nicht. Ja, es gibt einige Warnzeichen. Aber das bedeutet nicht zwangsläufig, dass die Preise nachgeben werden. Erst wenn 2026, 2027 oder 2028 große Mengen von 2022ern vom Handel unter Subspreis angeboten werden, dann wissen wir es wirklich
Tatsächlich gibt es eine Vielzahl von Faktoren, die die weitere Preisentwicklung der 22er beeinflussen wird. Sollte der 2023er der nächste „best ever“-Jahrgang werden und anschließend der 2024er noch „bester ever“, werden die Preise für die 22er ganz gnadenlos unter die Räder kommen. Und die gesamte professionelle Weinkritik (sowie der von ihr abhängige Handel) schliddert dann in eine fundamentale Glaubwürdigkeitskrise, wenn sie nicht ohnehin schon dort angekommen ist.
Der nächste Knackpunkt ist die Bewertung der Weine in der Flasche. Bestätigen sich die euphorischen Urteile, ist’s ok. Sollte aber die immer wieder bemerkte „Frische“ der Weine nur ein vorübergehender Zustand gewesen sein und die Weine nach dem Ausbau doch säurearm, fett und alkohollastig schmecken, gehen die Preise steil nach Süden. Und das mit der Glaubwürdigkeitskrise der Weinkritik hatten wir ja schon.
Dann sind da noch die äußeren Faktoren, die nichts mit Wein zu tun haben. Wie entwickelt sich die Weltwirtschaft, und davon abhängig die Konsumstimmung der Verbraucher? Gibt es neue Krisen, verschärfen sich die bereits jetzt bestehenden, oder kommt es zu wirklichen Katastrophen? Alles völlig unvorhersehbar. Aber mit möglicherweise ganz erheblichen Auswirkungen auf die Weinpreise.
Subskriptionskauf ist immer Spekulation. Aber es ist auch Spekulation, darauf zu hoffen, die Weine nach der physischen Verfügbarkeit im Markt unter Subspreis oder wenigstens nicht darüber kaufen zu können. Beides kann schiefgehen.
Überhaupt nicht tangiert sind nur diejenigen, die sich gar nicht für hochpreisigen Bordeaux interessieren. Und natürlich die Glücklichen, die schon weit mehr als genug Bordeaux im Keller haben und die Disziplin aufbringen, sich nicht von irgendeinem „unwiderstehlichen“ Angebot verführen zu lassen.
Gruß
Ulli