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Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 15:51
von Ollie
Sigbert,
auch von mir danke fuer den sehr guten Beitrag.
octopussy,
octopussy hat geschrieben:dann würde ein GG ja nur durch Nachhilfe mit Hefezugabe oder z.B. Erwärmen des Mostes erzeugbar sein.
Nein, das stimmt so nicht. Natuerlich kann der Most auch an der Mosel trockengaeren, auch ohne dass man ihn erwaermt oder mit RZH (nach)impft. Es wurde (wird) nur nicht gewollt, also arbeitet man mit dem Most anders, und so kommt ein trockener (< 5 g/l RZ) Wein nicht ganz so problemlos heraus.
Das Problem der Mosel-GGs war/ist aber nicht (nur) der gelegentlich hohe Restzucker, sondern schlichtweg der Mangel an Komplexitaet, Tiefe, Laenge usw., also ganz allgemein: an Qualitaet. Dass dann RZ benutzt wird, um den Wein aufzuhuebschen, kommt an der Mosel genauso vor wie im Rheingau.
Ein Mosel-GG ist naemlich nicht einfach nur eine uebliche, nur eben jetzt knalltrockene Spaet- oder Auslese, sondern schon nochmal etwas anderes.
Nicht notwendigerweise braucht es mehr Alkohol oder "Druck", aber daran wird man als erstes schrauben, weil es am einfachsten geht (hoehere Traubenreife, Maischestandzeit, Hefelager usw.). Mit dem Jahrgang 2015 sind die Weine durchaus anders vinifiziert worden als z.B. 2009 - und damit meine ich nicht nur den gesenkten Restzucker -, aber auch die Weinbergsarbeit ist jetzt auf trockene Weine besser abgestimmt.
Markus Vahlefeld beschreibt uebrigens seine Vorstellung davon, was ein GG (also ein grosser Wein allgemein) ist, folgendermassen: GGs sind
Markus Vahlefeld hat geschrieben: (...) Weine, die [nicht] wohltemperiert und eingängig sind, sondern ausschließlich Weine, die zur Beschäftigung auffordern, ja auf den ersten Blick vielleicht sogar etwas Anstößiges, Schmutziges und eben Gefährliches haben. Denn genau das ist der Unterschied zwischen einem guten Wein und einem großen Wein. Letzterer ist nicht gemacht, um zu gefallen, sondern um das Zwingende und Ausweglose, was dem Zusammenspiel aus Jahrgang, Traube, Boden und Winzer innewohnt, aufscheinen zu lassen. Nur dort kann sich Größe ereignen, wo das Scheitern genauso möglich wäre.
Mir kommt das schon sehr
deutsch vor, aber ich bin auch kein Romantiker.
Cheers,
Ollie
Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 16:25
von Gaston
Ollie hat geschrieben:
Markus Vahlefeld beschreibt uebrigens seine Vorstellung davon, was ein GG (also ein grosser Wein allgemein) ist, folgendermassen: GGs sind
Markus Vahlefeld hat geschrieben: (...) Weine, die [nicht] wohltemperiert und eingängig sind, sondern ausschließlich Weine, die zur Beschäftigung auffordern, ja auf den ersten Blick vielleicht sogar etwas Anstößiges, Schmutziges und eben Gefährliches haben. Denn genau das ist der Unterschied zwischen einem guten Wein und einem großen Wein. Letzterer ist nicht gemacht, um zu gefallen, sondern um das Zwingende und Ausweglose, was dem Zusammenspiel aus Jahrgang, Traube, Boden und Winzer innewohnt, aufscheinen zu lassen. Nur dort kann sich Größe ereignen, wo das Scheitern genauso möglich wäre.
Mir kommt das schon sehr
deutsch vor, aber ich bin auch kein Romantiker.
Haha, witzig, mir ging beim Lesen das Gleiche durch den Kopf; das ist eine wirklich sehr deutsche Sichtweise, "zwingend" und "ausweglos", "Größe" und "Scheitern", das klingt nach Mythos und Wagner, nach Schicksal und Götterdämmerung. Ich finde das etwas dick aufgetragen, aber bitte, wenn man es so zu empfinden vermag....
Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 16:30
von octopussy
Ollie hat geschrieben:
octopussy hat geschrieben:dann würde ein GG ja nur durch Nachhilfe mit Hefezugabe oder z.B. Erwärmen des Mostes erzeugbar sein.
Nein, das stimmt so nicht. Natuerlich kann der Most auch an der Mosel trockengaeren, auch ohne dass man ihn erwaermt oder mit RZH (nach)impft. Es wurde (wird) nur nicht gewollt, also arbeitet man mit dem Most anders, und so kommt ein trockener (< 5 g/l RZ) Wein nicht ganz so problemlos heraus.
Das Problem der Mosel-GGs war/ist aber nicht (nur) der gelegentlich hohe Restzucker, sondern schlichtweg der Mangel an Komplexitaet, Tiefe, Laenge usw., also ganz allgemein: an Qualitaet. Dass dann RZ benutzt wird, um den Wein aufzuhuebschen, kommt an der Mosel genauso vor wie im Rheingau.
Ein Mosel-GG ist naemlich nicht einfach nur eine uebliche, nur eben jetzt knalltrockene Spaet- oder Auslese, sondern schon nochmal etwas anderes.
Nicht notwendigerweise braucht es mehr Alkohol oder "Druck", aber daran wird man als erstes schrauben, weil es am einfachsten geht (hoehere Traubenreife, Maischestandzeit, Hefelager usw.). Mit dem Jahrgang 2015 sind die Weine durchaus anders vinifiziert worden als z.B. 2009 - und damit meine ich nicht nur den gesenkten Restzucker -, aber auch die Weinbergsarbeit ist jetzt auf trockene Weine besser abgestimmt.
Du hast mich da, glaube ich, falsch verstanden. Was ich meinte, ist Folgendes: z.B. bei Van Volxem wurde gesagt, man erzeuge die Weine wie vor 100 Jahren, d.h. Most spontan vergären und abfüllen, wenn er aufhört zu gären, ob das nun bei 5, 10 oder 20 g/l Restzucker ist. Mein Verständnis war immer, dass die Gärung z.B. bei Van Volxem (außer bei ein, zwei Weinen) nicht gestoppt wird, sondern der Wein halt irgendwann aufhört zu gären. Wenn jetzt aber aus den Lagen, die vorher die nicht ganz trockenen Rieslinge erzeugten, GGs erzeugt werden (d.h. 9 g/l und weniger), wie soll das gehen ohne RZH oder Wärme zum Wiederstarten der Gärung?
Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 17:00
von UlliB
octopussy hat geschrieben: Was ich meinte, ist Folgendes: z.B. bei Van Volxem wurde gesagt, man erzeuge die Weine wie vor 100 Jahren, d.h. Most spontan vergären und abfüllen, wenn er aufhört zu gären, ob das nun bei 5, 10 oder 20 g/l Restzucker ist. Mein Verständnis war immer, dass die Gärung z.B. bei Van Volxem (außer bei ein, zwei Weinen) nicht gestoppt wird, sondern der Wein halt irgendwann aufhört zu gären. Wenn jetzt aber aus den Lagen, die vorher die nicht ganz trockenen Rieslinge erzeugten, GGs erzeugt werden (d.h. 9 g/l und weniger), wie soll das gehen ohne RZH oder Wärme zum Wiederstarten der Gärung?
Gleiche Beobachtung bei Heymann-Löwenstein: dort waren die Einzellagen-Rieslinge bis vor einigen Jahren durchweg mehr oder minder restsüß (und deswegen keine GGs), weil angeblich immer in der Gärung hängengeblieben. Und dann - peng - sind sie plötzlich von einem Jahr zum anderen allesamt wirklich trocken geworden, und haben sich damit für den Titel GG qualifiziert. Und dabei ist es seitdem geblieben.
Und der Winzer schwört Stein und Bein, im Keller nichts geändert zu haben.
Wunder über Wunder
Gruß
Ulli
Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 17:03
von Ollie
Die stoppen, genauso wie H-L immer gestoppt hat. Wie sonst sollte der Most immer genau so zu gaeren aufhoeren, dass am Ende 25 g/l stehenbleiben (nach Verschnitt, d.h. ein Fass hat immer gewusst, das es frueher aufhoeren muss!).
Parameter, an denen man etwas drehen kann:
- Mostgesundheit (GG-Moste sind botrytisfreier)
- Mostklaergrad bzw.:
- wie der Most gewonnen wird (GT-Pressung vs. Anquetschen vs. Einmaischen, jeweils + Standzeit)
- Temperaturkontrolle waehrend der Gaerung, nicht erst heizen, wenn die Gaerung steckengeblieben ist; z.B. auch ueber die Gebindegroesse
- Sauerstoffversorgung des Mosts bei der Gaerung: Gebindegroesse, Mostschwefelung, nach Beginn der Gaerung in ein anderes Gebinde umfuellen und dabei den Most belueften...
- Arbeiten mit Anstellern bzw. Impfung eines Gebinde mit einem gaerenden Most (was genau also ist Spontangaerung?)
- Zugabe von Hefenaehrstoffen
Wenn man es richtig macht, kommen ganz ohne Tricks absolut trockene Weine heraus. Denk nur ans Chablis, wo sehr kuehle Moste in kleinen Gebinden (wg. Mengenreduktion durch Fruehfrost) trocken vergoren werden. Schon immer.
Es ist viel schwieriger, unkontrolliert einen Ziel-RZ-Wert zu erreichen!
Cheers,
Ollie
Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 17:12
von UlliB
Ollie, Kreuzpost zu H-L
Ollie hat geschrieben:
- Sauerstoffversorgung des Mosts bei der Gaerung: Gebindegroesse, Mostschwefelung, nach Beginn der Gaerung in ein anderes Gebinde umfuellen und dabei den Most belueften...
Wie meinst Du denn das? Die alkoholische Gärung ist ein
obligat anaerober Prozess. Die Hefen arbeiten zwar auch, wenn Du ihnen Sauerstoff zuführst - nur produzieren sie dann keinen Alkohol, sondern lediglich Kohlendioxid... am Ende hättest du dann ein sowohl zucker- als auch alkoholfreies Produkt
Gruß
Ulli
Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 17:25
von Ollie
UlliB hat geschrieben:Die alkoholische Gärung ist ein obligat anaerober Prozess. Die Hefen arbeiten zwar auch, wenn Du ihnen Sauerstoff zuführst - nur produzieren sie dann keinen Alkohol, sondern lediglich Kohlendioxid...
Ja schon, Hefen vergaeren zwar Zucker zu Alkohol unter aneroben Bedingungen, aber halt nur, weil sie
muessen. Viel lieber und besser leben sie und vermehren sie sich aber aerob. Nun laeuft die Gaerung ja so richtig erst an, wenn die Hefenpopulation gegen ihren Endwert konvergiert ist (so nach 6 bis 7 Zellteilungen, deswegen der Verzug*, bis der Gaerung einsetzt). Wenn man ihnen speziell in der Fruehphase erlaubt, Luft zu schnappen, sind sie weniger gestresst und staerker und gaeren besser fertig. Trockener Wein kommt als von gluecklichen Hefen.
*Dieser Verzug ist bei ungeimpften Mosten u.U. sehr lang (Dauer abhaengig von sehr vielen Parametern), weshalb die "wilden" Hefen laenger Zeit haben, ihre Stoffwechselprodukte zu erzeugen und in den Most zu entlassen.
Cheers,
Ollie
Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 17:32
von UlliB
Danke, Ollie. Ich hatte dein "bei der Gärung" als "während der (Haupt-)Gärung" verstanden, und da macht es keinen Sinn, weil da jede Zufuhr von Sauerstoff sinn- und zwecklos wäre. Als Maßnahme vor der eigentlichen alkoholischen Gärung aber kann ich es verstehen.
Gruß
Ulli
Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 17:48
von octopussy
Danke für die Erklärung, Ollie. War mir nicht klar, dass z.B. bei Heymann-Löwenstein gestoppt wurde. Von Gernot Kollmann bei Immich-Batterieberg weiß ich, dass er nicht stoppt (sagt er jedenfalls). Er meint, das habe er damals bei vV auch so gemacht.
Re: Große Gewächse 2015
Verfasst: Do 8. Sep 2016, 18:16
von Ollie
Also, bevor er justitiabel wird: keine Ahnung, ob vV oder H-L gestoppt haben oder nicht. Ich halte es nur fuer unglaublich unplausibel, wenn sie behaupten, sie taeten's nicht. (Und mir wurde von mehreren Leuten unabhaengig voneinander gesagt, dass H-L abstoppe.) Soll mir aber auch egal sein, ich bin da (mittlerweile) ideologiefrei.
Uebrigens: Sind diese 25-Gramm-Weine von vV und H-L eigentlich auch sterilfiltriert? Oder wie verhindern sie sonst, dass auf der Flasche nix passiert? Weil, Filtration geht
gar nicht!
Cheers,
Ollie