Deutsche Spätburgunder

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octopussy
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von octopussy »

Hallo zusammen,

vor kurzem haben wir ein paar deutsche Spätburgunder jüngerer Jahrgänge neben ein paar Vergleichs-Pinot-Noirs aus dem Burgund, Spanien und Südtirol probiert. Blind lagen wir recht häufig bei der geografischen Zuordnung daneben. Das kann u.a. daran gelegen haben, dass die allerwenigsten Spätburgunder an dem Abend die aus alten Zeiten bekannten (und auch heute noch anzutreffenden) Noten von z.B. Walderdbeere und Räucherspeck hatten.

Hier das Line-Up:

Wein 1: Manincor 2008 Mason di Mason Pinot Nero (13,5 % Vol.)
Wein 2: Theo Minges 2007 Spätburgunder ZE (Zinkelerde) (14,5 % Vol.)
Wein 3: Domaine Frotey-Poifol 2008 Pommard 1er Cru Charmots (13% Vol.)
Wein 4: Jean Tardy 2010 Fixin "La Place" (13% Vol.)
Wein 5: Miguel Torres D.O. Penedès 2007 Pinot Noir "Mas Borràs" (14% Vol.)
Wein 6: Castell 2008 Casteller Schlossberg Spätburgunder (14% Vol.)
Wein 7: Enderle & Moll 2009 Spätburgunder Buntsandstein (12,6% Vol.)
Wein 8: August Kesseler 2004 Assmannshauser Höllenberg Spätburgunder (14% Vol.)
Wein 9: Friedrich Becker 2006 Schweigener Sonnenberg Kammerberg GG (13% Vol.)

Leider hatten wir etwas Flaschenpech. Ein August Kesseler 2004 Schlossberg Spätburgunder hatten fiesesten Kork und auch der Kesseler 2004 Assmanshäuser Höllenberg Spätburgunder wirkte nicht ganz beisammen. Ich kenne den Wein zwar ansonsten nicht, kann mir aber kaum vorstellen, dass der immer so schmeckt. Ebenfalls einen leichten Korkschleicherverdacht hatten wir bei dem Enderle & Moll 2009 Buntsandstein, der überhaupt nicht performt hat und schmeckte wie ein zu lange gezogener Teebeutel. Leider ist das mit der Vergleichsflasche nicht immer ganz leicht zu bewerkstelligen, v.a. bei so hochpreisigen Weinen wie von Kesseler oder so seltenen wie von Enderle & Moll. Hier wären die Vergleichsflaschen sehr hilfreich gewesen.

Wein des Abends war der letzte, der F. Becker Kammerberg GG, der jedenfalls für mich - aber ich glaube auch für andere - am besten die Qualitäten des Pinot Noirs rüberbrachte. Das ist ein wirklich, wirklich schöner Pinot Noir. Unisono einig waren sich eigentlich alle, dass der Frotey-Poifol 2008 Pommard 1er Cru Charmots enttäuschte. Vielleicht kommt da noch mal was, aber aktuell ging gar nichts. Den Theo Minges 2007 "ZE" fand ich persönlich auch eher enttäuschend. Da ist mir einfach zu viel (über-)reife Frucht drin. Noch marmeladiger war da nur der Torres "Mas Borràs", wobei der sich hervorragend zum Essen trank und so ungeahnte Qualitäten erkennen ließ.

Eine positive Überraschung für mich war der 2008 Castell Schlossberg Spätburgunder, den ich vorher noch nicht kannte. Vielen in der Runde war er zu "gemacht", zu soft und zu langweilig. Das finde ich zwar auch, aber die Qualitäten, vor allem eine herrlich seidige und dichte Struktur im Mund, haben für mich die Defizite deutlich überwogen. Auch den Manincor 2008 Mason di Mason fand ich sehr schön, herrlich feingliedrig und sehr elegant. Der hat mich schon überzeugt.

Insgesamt war es ein sehr schöner Abend mit vielen spannenden Weinen und leider zwei oder drei enttäuschenden Flaschen, bei denen der Inhalt im Zweifel durch die ihn verschließende Baumrinde nicht ganz das zeigte, was drin ist.
Beste Grüße, Stephan
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Oh Dae-Su
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von Oh Dae-Su »

Hallo Stephan,

schönen Zusammenstellung hattet ihr! Schade, dass mit den defekten Weinen. Vor allem dem Enderle & Moll!

Danke auch für die Angabe der Alkoholwerte ;). Teilweise bei den Teutonen doch recht hoch!

Kurze Frage:

Wie war denn der Jean Tardy 2010 Fixin "La Place"?

Zufälligerweise habe ich eben gesehen, dass noch jemand aus der Blogosphäre diesen Wein vor kurzem verkostet hat.

Besten Gruss

Chris
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octopussy
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von octopussy »

Oh Dae-Su hat geschrieben:Wie war denn der Jean Tardy 2010 Fixin "La Place"?
Hallo Chris,

dazu kann ich dir sogar eine einigermaßen fundierte Auskunft geben, weil ich den im letzten halben Jahr gleich zweimal getrunken habe. Gestern war er für mich der zweitbeste Wein des Abends. Im April habe ich den Wein neben einigen anderen 2010ern von Jean Tardy probiert und - obwohl alle sehr gut waren - als einzigen gekauft. Den fand ich damals besser als die Nuits St.-Georges von Tardy und in etwa auf dem Niveau der Vosne Romanées, wobei sich das mit der Zeit eher noch ändern wird. Aber gerade für den Preis (ca. 25 Euro) ist der Tardy Fixin La Place aus meiner Sicht eine ganz klare Kaufempfehlung.

Allen Meadows ist auch recht angetan...
A ripe, complex and attractive mix of earthy dark berry fruit aromas is given added appeal by the presence of violet and cassis hints. There is good punch to the very supple and surprisingly silky middle weight flavors that are not only delicious but relatively refined in the context of the appellation. This lacks a bit of depth at present but if it adds even a little this could transform into an above average villages. (Drink starting 2015) 86-89 points
...ebenso wie Julia Harding vom Team Jancis Robinson:
Aromatic with light peppery cherry. Silky, fluid but has all the structure it needs. Lively but overall gentle and fresh. Fine harmony. (JH)
(Drink between 2014-2019) 16.5 points
Hier meine eigene Notiz:

Bild
Beste Grüße, Stephan
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octopussy
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von octopussy »

Oh Dae-Su hat geschrieben:Zufälligerweise habe ich eben gesehen, dass noch jemand aus der Blogosphäre diesen Wein vor kurzem verkostet hat.
Ich habe gerade mal gegooglet, wer den Wein probiert hat, und das hier gefunden: http://weinamlimit.de/2012/10/17/59-fol ... gie-1-akt/

Das Video werde ich mir bei Gelegenheit mal zu Gemüte führen. Den Text finde ich schon mal richtig gut. Und auch die Händlerempfehlung von Hendrik Thoma kann ich nur unterstreichen.
Beste Grüße, Stephan
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Oh Dae-Su
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von Oh Dae-Su »

Danke für deine Eindrücke!

Treffer! Der Hendrik wars!

Muss ich mir mal überlegen ob ich mir den Wein mal zulege. Wobei mich Hendrik's Bazooka Joe Assoziation ein wenig schlucken lies ;) . Fixin ist sowieso eine Appellation deren Weine mir oft gefallen und glücklicherweise nicht ganz so großen Zuspruch findet :D .

Gruss

Chris
Kle
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von Kle »

Hallo Stephan,

interessant, dass Du Minges direkt neben dem Kammerberg erwähnst. Ich sah die Weine an dem Abend dicht beieinander. Mein vorherrschender Geschmackseindruck vom "ZE" war nicht überreife Frucht, sondern Kalk vom Feinsten und ich hielt ihn für einen französischen Pinot… Ich muss den Wein unbedingt bald wieder probieren…

Viele Grüße

Kle
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octopussy
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von octopussy »

Kle hat geschrieben: interessant, dass Du Minges direkt neben dem Kammerberg erwähnst. Ich sah die Weine an dem Abend dicht beieinander. Mein vorherrschender Geschmackseindruck vom "ZE" war nicht überreife Frucht, sondern Kalk vom Feinsten und ich hielt ihn für einen französischen Pinot… Ich muss den Wein unbedingt bald wieder probieren…
Hallo Kle,

interessant. An Kalk habe ich gar nicht gedacht. Unter Umständen habe ich den Wein ganz anders wahrgenommen als ihr, weil ich ihn eher flott gegen Ende probiert habe und nicht vorher in Ruhe wie ihr. Insgesamt ist mir aufgefallen, dass ich beim Durchlesen meiner Notizen etwas andere Assoziationen an die Weine hatte als an dem Abend selber. Der Mason di Mason kam mir auf dem Papier etwas positiver in den Sinn als ich ihn wohl am Abend selber gesehen hatte, das Gleiche gilt für den Castell Schlossberg. Beim ZE war es genau umgekehrt.
Beste Grüße, Stephan
Kle
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von Kle »

Hallo Stephan,

vielleicht fließt in die schnellen Notizen auch einiges Unterbewusstes.
Speziell beim Mason fiel mir etwas anderes Unheimliches auf. Die ersten Probierer fanden ihn ziemlich gut (von mir 89 Punkte). Er besaß etwas im besten Sinne „Liebliches“. Nicht süßlich, sondern harmonisch abgerundet, zart himbeerig bis angenehm bonbonig. Nie schwammig, gute Figur und Struktur, aber auch keine Ecken und Seitenpfade. Glatt im Sinne von seidig fließend und makellos abgerundet. Als Michael kam und probierte, fand er den Wein nicht ganz so toll. Und ich wette, mir hätte er jetzt auch weniger geschmeckt. Nicht, weil ich von ihm beeinflusst war, sondern weil der Wein mit der Zeit und den Menschen interagiert, die sich in einem ganz bestimmten Moment mit ihm beschäftigen. Ich glaubte so fest an diese Schnapsidee, dass ich aus Furcht, meinen schönen Eindruck vom Mason zu zerstören, nicht erneut zum Glas griff…

Gruß Kle
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hendrik
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von hendrik »

Oh Dae-Su hat geschrieben:Danke für deine Eindrücke!

Treffer! Der Hendrik wars!

Muss ich mir mal überlegen ob ich mir den Wein mal zulege. Wobei mich Hendrik's Bazooka Joe Assoziation ein wenig schlucken lies ;) . Fixin ist sowieso eine Appellation deren Weine mir oft gefallen und glücklicherweise nicht ganz so großen Zuspruch findet :D .

Gruss

Chris

Noch eine Hendrik? :mrgreen:

p.s. a lot of South African wines from Mullineux in the background
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Oh Dae-Su
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Re: Deutsche Spätburgunder

Beitrag von Oh Dae-Su »

Noch eine Hendrik? :mrgreen:

p.s. a lot of South African wines from Mullineux in the background
Jep ein anderer Hendrik :D !

Die Kisten sind glaube ich von seiner Frau. Würde mich mal interessieren wie die Weine von Mullineux schmecken. Selber habe ich noch nie was von denen probiert. Ich glaube ganz gut bei Syrah und Chenin Blanc Weinen.

Gruss

Chris
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