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Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Fr 6. Apr 2012, 13:34
von weinfex
Respekt Wolf, diese Liste lässt sich übrigens beliebig
fortsetzen...
Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Sa 7. Apr 2012, 15:14
von innauen
wo kein Cabernet Sauvignon vorhanden ist, kann man ja auch auf Cabernet Franc zurückgreifen. Deswegen findet man in den Cuvees am rechten Ufer sehr viel davon im Blend wieder. Hier ein Interview mit Chateau Ausone geführt von Andrew Black (via
weinwisser).
Andrew Black: Wie hat sich der 2011er entwickelt nach all den Problemen, die Sie während des Sommers und während der Lese hatten?
Pauline Vauthier: Die malolaktische Gärung verlief sehr geordnet. Das war für uns ein Moment großer Erleichterung.
Andrew Black: Wie viel wurde am Ende geerntet?
Pauline Vauthier: Der Ertrag war ein klein wenig größer als erwartet, weil es am Ende der Lese geregnet hat. Wir hatten das nicht erwartet, sodass wir schließlich ein wenig mehr Trauben im Keller hatten als normal.
Andrew Black: Wie hoch war der Ertrag genau?
Pauline Vauthier: 35 Hektoliter pro Hektar anstatt 30.
Andrew Black: Was können Sie zu diesem Zeitpunkt über den 2011er sagen?
Pauline VauthierPauline Vauthier: In einem Wort – es ist ein „klassischer“ Jahrgang.
Andrew Black: Dieses Wort sagt heute nichts mehr. Können Sie es etwas genauer sagen?
Pauline Vauthier: Nach den außergewöhnlichen Jahrgängen wie 2010 und 2009 entspricht der neue Jahrgang wesentlich mehr dem, was wir in Bordeaux normalerweise erwarten können.
Andrew Black: Wie wird der Ausone bei den en primeur-Verkostungen schmecken?
Pauline Vauthier: Er wird herrlich fruchtig schmecken und eine gute Balance haben.
Andrew Black: Vielleicht ein Jahrgang, den man schon früh trinken kann?
Pauline Vauthier: Oh ja. Sicherlich schon in den nächsten 20 Jahren.
Andrew Black: Bei den en primeur-Verkostungen im letzten Jahr hieß es, der 2010er sei extrem tanninhaltig und schwierig zu degustieren. Nach Ihrer Beschreibung wird der 2011er eher angenehm zu verkosten sein?
Pauline Vauthier: Machen Sie keinen Fehler, der Wein hat viel Tannin – reifes Tannin. Der 2011er hat ganz klar eine gute Tanninstruktur, aber er ist nicht so ermüdend beim Verkosten wie in den Vorjahren. Der Alkohol ist etwas niedriger. Für die Degustatoren wird es eine angenehme Erfahrung sein.
Andrew Black: Wie gut ist der Cabernet franc in 2011?
Pauline Vauthier: Absolut superb. Für Ausone ist es ein Cabernet franc-Jahr.
Andrew Black: In Bordeaux allgemein auch?
Pauline Vauthier: Michel Rolland glaubt es. Nachdem er neulich unsere Fassproben degustiert hatte, sagte er, dass Ausone den besten Cabernet franc in 2011 gemacht hat.
Etikett Chateau Ausone | Foto: Chateau AusoneAndrew Black: Ein Kompliment für Sie!
Pauline Vauthier: Es ermutigt mich und belohnt uns für die Anstrengungen, die wir in den letzten Jahren mit Cabernet franc gemacht haben. Auch unsere jungen Cabernet franc-Rebstöcke haben großartige Resultate gebracht. Ihre Trauben gehen in diesem Jahr in unseren Zweitwein La Chapelle d’Ausone ein.
Andrew Black: Wie viel Cabernet franc wird im Erst- und im Zweitwein sein?
Pauline Vauthier: Etwa 50 Prozent beim Ausone und 40 Prozent im La Chapelle.
Andrew Black: Was ist das Besondere am Cabernet franc von Ausone?
Pauline Vauthier: Das Terroir. Wenn Sie den Cabernet franc vom tiefer gelegenen Château Simard probieren, werden Sie feststellen, dass er nicht auf dem gleichen Niveau wie Ausone ist.
Andrew Black: Wenn 2011 ein Cabernet franc-Jahr ist und Michel Rolland meint, Ausone habe den besten Cabernet franc in 2011 gemacht, dann ist 2011 für Ausone ein vielversprechendes Jahr?
Pauline Vauthier: Es gibt in 2011 zwischen Cabernet franc und Merlot einen großen Qualitätsunterschied, wie man ihn in großen Jahren nicht findet.
Andrew Black: Mit welchem vorhergehenden Jahrgang vergleichen die Ausone-Mitarbeiter den 2011er?
Pauline Vauthier: Philippe, unser Kellermeister, sieht ihn degustatorisch auf einer Linie mit 2007 und 2008. Von der schieren Qualität her ist er nach seiner Meinung jedoch besser als 2007. Ausone 2011 wird mehr Finesse und Charme haben als 2007. Aber nochmal gesagt: Wir müssen abwarten. Man kann nichts sicher vorhersagen, bevor der Ausbau nicht beendet ist.
Andrew Black: Wie hat der 2011er bis jetzt auf das Holz reagiert?
Pauline Vauthier: Der Wein hat das Holz sehr gut absorbiert, und das ist ein gutes Zeichen.
Grüße,
wolf
Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Sa 7. Apr 2012, 20:19
von Matthias Hilse
Guten Abend zusammen,
wie in jedem Jahr waren die Eindrücke während der Primeurwoche in Bordeaux so überwältigend, dass es eines Moments der Ruhe bedarf, die Erlebnisse so zu ordnen, dass ein sinnvolles Ganzes daraus wird.
Seitdem quasi jeder Verkoster ein Herrscher über die Echtzeit ist, weil die Technik Informationen demokratisiert, gibt es deutliche Tendenzen der vorauseilenden Urteilsüberflutung.
Es wäre jedenfalls verwunderlich, wenn es sich beim Jahrgang 2011 um ein Pomerol-Jahr handeln sollte, weil doch gerade hier die dominante Rebsorte Merlot ist und die aktuelle Ernte nach dem Urteil keines Geringeren als von Château Petrus „definitely not a merlot year“ ist. So viel Chuzpe kann sich nur der erlauben, der seine Schwächen nicht zu verbergen sucht, sondern sie gerade im Sinne des eigenen Anspruchs an die Wahrhaftigkeit publik macht.
Der Primeurjahrgang 2011 ist aber in der Spitze wesentlich besser, als man nach den inauguralen Prognosen hätte erwarten dürfen. Sowohl auf der linken als auch auf der rechten Seite reicht das Spektrum meiner Benotung in den Bereich, bei dem man von 100 zwei abzieht.
Die Kernbegriffe, nach denen man den Jahrgang verorten sollte, sind Reife, Selektion, Extraktion und Assemblage. Wir reden weniger über ein Jahr der großen Terroirs als in den letzten drei Jahren, sehr wohl aber über eines des Fleißes, der Beobachtung und des Maßes. 2011 ist im besten Sinne ein leiser Jahrgang, im Gebrüll der Superernten 2009 und 2010 wird er vor allem diejenigen erreichen, für die nicht nur Kraft und Fruchtüberfluß Bordeaux ausmacht, sondern eben auch Frische, Klarheit, Ausgewogenheit und Finesse.
Die Kraftmeier haben meist enttäuscht, weil sie es eben auch in diesem Jahr nicht lassen konnten, quasi noch etwas mehr aus der Potenz herauszupressen. Diejenigen aber, die sich auf das Spiel der freischwebenden Eleganz eingelassen haben, haben Cuvées von animierendem Esprit, der den Bordeaux-Stil aus den Zeiten vor der Klimaerwärmung in höchster Konsequenz repräsentiert, im Werden.
Die Nase vorn haben für mich Pauillac und Saint-Julien, was man in dem Sinne bedauern mag, als es dort ohnehin wenig Wein zu bürgerlichen Preisen gibt. So disparat wie der Jahrgang insgesamt sich präsentiert, so heterogen sind die Verkostungserlebnisse insbesondere in Pessac-Léognan gewesen. Adstringierende Gaumenverkleber gab es dort ebenso zu spucken wie himmlisch-seidigen Charme im Gewand aromatischer Distinktion.
In Saint-Estèphe ist es Calon Segur gelungen, sich vor Montrose zu schieben, in Margaux gibt es einen genuin konsequenten Palmer, der viel Akklamation verdient.
So wie man das eigentlich jedes Jahr formulieren müsste, gibt es in Saint-Emilion alles von „überaus enttäuschend“ bis „ziemlich genial“. Generell lässt sich formulieren, dass Weine mit höherem Cabernet-Franc-Anteil in diesem Jahr eher vorzuziehen sind.
Das, was über den Erfolg des Jahrgangs entscheiden wird, sind die Preise. Nach den Höhenflügen gehypter Jahrhundertjahrgänge geht es nun darum, eine gut fundierte Preisbasis zu finden, die den Qualitäten ebenso gerecht wird wie dem Wesen der Vorfinanzierung. Geredet wurde in Bordeaux darüber viel, aber immer nur von denen, die nicht wissen können, was wirklich passiert.
Niemand sollte erwarten, dass wir das 2008er-Preisniveau wieder sehen werden. Deutliche Abschläge vom 2009er Niveau darf man aber voraussetzen, sonst wird das Interesse des Marktes nicht ausreichen, um eine erfolgreiche Kampagne zu erleben. Es wird Einzelfälle geben, nämlich dort, wo die Qualitäten in den letzten Jahren so dramatisch zugenommen haben, bei denen eine Neukalibrierung des Preises angemessen ist.
Von der Riege der bürgerlichen Gewächse und ihren Pairs darf man keine große Reduktion erwarten, schließlich sind die Preise hier seit Jahren ziemlich stabil.
So wie sowohl im Weinberg als auch an den Sortiertischen bei der Ernte Selektion der Schlüssel zum Erfolg war, so werden wir in unserer Primeurofferte 2011 eine sehr strenge Auswahl treffen. Nur die Weine, die uns voll zu überzeugen vermochten, werden den Weg in unser Angebot nehmen. Und dort auch nur die jenigen davon, bei denen der Preis vertretbar ist.
So wie es regelmäßig Stimmen gibt, die eigentlich immer vor der Subskription warnen, so möchte ich einen Großteil der professionellen Verkoster als Trendverstärker bezeichnen. Das hat dazu geführt, dass 2008 unterschätzt, 2009 manchmal überschätzt und 2010 wieder meist unterschätzt wurde. Während der letzten Woche habe ich von nicht wenigen Verkostern, die vor ziemlich genau einem Jahr 2010 als deutlich inferior 2009 gegenüber klassifiziert hatten, die Einschätzung vernommen, die nachverkosteten 2010er hätten sich doch wesentlich besser entwickelt, als dies damals zu prognostizieren gewesen wäre.
Im Konzert der wirklich großen Jahrgänge wird dauerhaft sicher kein Platz für 2011 sein. Wohl aber wird er für all diejenigen, die mit dem Kauf vermeintlich günstiger Jahrgänge wie 2001, 2002 und 2004 liebäugeln, die bessere Alternative sein. Der ökonomische Erfolg der letzten Jahre hat viele Châteaux in die einzigartige Lage versetzt, luxuriös penibel zu sein. Die guten Weine sind von einer erbsenzählerischen Reinheit, die 2011 avantgardistisch sein werden lässt.
Und wer verstehen will, warum man auf Château Latour nun mit dem Biodynamischen liebäugelt, der sollte dorthin schauen, wo der Mythos Technik Konkurrenz erfahren hat von äpfellegendem Getier.
Fortsetzung folgt en Detail.
Herzliche Ostergrüße,
Matthias Hilse
Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Mo 9. Apr 2012, 20:30
von Frankie Wilberforce
Hallo zusammen,
hier ein Zitat von James Sucklings Blog über Bordeaux 2011.
Zitat:
" The only problem with 2011 Bordeaux is the price. The quality is very good. Some wines a even outstanding, especially the dry and sweet whites.
und später weiter:
I certainly can’t recommend buying 2011 Bordeaux futures to my readers if they can buy, say 2002, 2004 or 2007, for less. No reason exists to tie up money in a wine that won’t be delivered for three years when a bottle from a similar quality vintage that is ready now can be purchased. "
Eben das wird das Problem für die Bordelaiser sein..
Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Mo 9. Apr 2012, 22:37
von innauen
Frankie Wilberforce hat geschrieben:
Eben das wird das Problem für die Bordelaiser sein..
und unseres. Denn aus eigener Erfahrung weiss ich, dass es schwer fällt, sich mit den vorhandenen Weinschätzen zu begnügen. Der Spaß an immer Neuem treibt uns doch immer wieder um. Wenn 2011 schon jetzt mit den unwahrscheinlichsten Jahrgängen der letzten Dekade verglichen wird (2002, 2004 und 2007) dann dürfte es für dieses Jahr allerdings wirklich verdammt wenige Gründe zu kaufen geben (wenn überhaupt nur die GCC. Die einfachen Bordeaux aus den genannten Jahren gibt es später immer noch für das Geld der Subskription zu kaufen, z.T. günsiger). Umso mehr werde ich mich nochmal 2009 und 2010 zu Gemüthe ziehen. Wetten wir bekommen 2010 wieder eine fette Nachbewertung? Die 2009er sind sowieso genial. 2011 dürfte angesichts dieser Konkurrenz das Nachsehen haben - mit der Ausnahme der Sauternais und der Weissen, aber die sind ja kein großer Markt.
Grüße,
wolf
Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Di 10. Apr 2012, 08:48
von weinfex
innauen hat geschrieben: Wenn 2011 schon jetzt mit den unwahrscheinlichsten Jahrgängen der letzten Dekade verglichen wird (2002, 2004 und 2007)...
wolf
Hallo Wolf,
den Vergleich finde ich persönlich "eher belustigend", zumindest in
der Spitze ist er deutlich besser, allerdings wird man zu dieser
"Erkenntnis" wohl eher erst nach (Vorsicht Sarkasmus

)den Parkerbewertungen
"in der Breite" kommen...

Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Di 10. Apr 2012, 10:08
von harti
Hallo zusammen,
zurück aus Bordeaux muss ich erst einmal meine Eindrücke sortieren, bevor ich mich hier im Detail zu den Weinen äußern möchte. Nur ein paar grundsätzliche Aussagen:
- 2011 ist besser als sein Ruf, die guten Weine zeigen schöne Frische und saftige Frucht und das alles bei attraktiven Alkoholwerten; es handelt sich im besten Sinne um einen klassischen Jahrgang
- auch wenn es in Pomerol und Saint Emilion viele Weine gibt, die sehr gut sind, ist 2011 definitiv kein Jahrgang für Merlot
- Apellationen des Jahres sind für mich - unter Berücksichtigung der Produktionsmengen der Top-Weine - Saint Julien vor Pauillac
- sofern die Preise stimmen, könnte eine Subskription durchaus Sinn machen, denn die Mengen der Erstweine sind bedingt durch Ertragsausfälle (Trockenheit, Hagel) und Selektion (nicht nur beim Lesegut, sondern auch bei der Aufteilung von Erst- und Zweitweinen) vielfach noch geringer als im Vorjahr
- Zweitweine sind aufgrund der deutlich erhöhten Merlot-Anteile keine Alternative zu den Erstweinen
- Freunde trockener Weißweine werden in diesem Jahr aus dem Vollen schöpfen können
- wer einen potenziell großen Rotwein für (hoffentlich) relativ kleines Geld kaufen möchte, sollte auf Calon Ségur achten
Und dieser Hinweis ist speziell für Susa gedacht: Figeac zählt auch in diesem Jahr zur Spitze des Jahrgangs in Saint Emilion und ist für mich besser als Cheval Blanc.
Grüße
Hartmut
Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Di 10. Apr 2012, 10:59
von susa
danke weinfex und harti
ich dachte es mir schon und ihr stärkt damit natürlich meine Verhandlungsposition, denn ihr habt's ja heute sicher selber gelesen, wie es derzeit bei uns zugeht
http://www.dasweinforum.de/viewtopic.ph ... 739#p37158
lieben Gruß
susa
Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Di 10. Apr 2012, 13:08
von harti
Hallo susa,
Deinen Beitrag habe ich natürlich gelesen und hoffte, Dir "Munition" liefern zu können

.
Eine Bemerkung zu den Arbeitspferden, die auf Château Latour gegenwärtig in exponierter Lage "ausgestellt" werden: Böswillige (?) Stimmen - auch aus der Winzerschaft in Pauillac - behaupten, die Pferde seien nur für die Subskriptionskampagne angemietet worden.
Grüße
Hartmut
Re: Bordeaux 2011
Verfasst: Di 10. Apr 2012, 14:25
von weinfex
Nein, nein, dass ist nicht böswillig, das Stand wirklich
auf dem Pferdetransporter, welcher u.a. auf der Domaine de Chevalier rumstand,
als Werbeaufschrift darauf...
Auf Latour haben die Pferde immerhin schon ein "zuhause"

.
Im übrigen gab es dieses Jahr mehr Pferde
zu sehen, als Besucher aus "neuen Märkten", was gar nicht
despektierlich gemeint ist, sondern eine wirkliche Feststellung...