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Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 12:19
von Gerald
Hallo
Der Weinbau schaut auf eine 7000 jährige Geschichte zurück. Ich bin mir sicher, dass solange Menschen die Erde besiedeln, die Menschen auch Wein trinken werden.
ja, nur damals gab es außer Wasser und Wein bzw. Bier (trotz Alkohol meist viel gesünder als Wasser, da hygienisch einwandfrei) nicht viele Alternativen. Heutzutage ist das eben ganz anders.

Noch zu meiner Jugend gab es die typischen Softdrinks für Kinder und Wein bzw. Bier für Erwachsene, da war Alkoholkonsum also auch quasi ein Ritual zum Erwachsenwerden. Nachdem dieses Ritual inzwischen nicht mehr gültig ist und Alkoholkonsum offenbar nicht mehr mit Erwachsensein, Selbstbestimmung und Stärke assoziiert wird, sondern ganz im Gegenteil mit Schwäche, Abhängigkeit oder sogar Lächerlichkeit, besonders wenn man von Freunden im betrunkenen Zustand gefilmt und ins Web gestellt wird, wird das - schätze ich einmal - nie wieder wie früher.

Die Weingüter sind jedenfalls sicherlich nicht schlecht beraten, sich noch rechtzeitig andere Standbeine zu sichern, bevor der Insolvenzrichter zum Zug kommt.

Die Sache mit dem Tourismus klingt ja nicht so schlecht, zumindest in landschaftlich schönen Gegenden mit Weinbau.

Grüße
Gerald

Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 13:15
von jxs
EThC hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 10:06 ...mich würde ja mal interessieren, ob es dazu auch differenziertere Aussagen gibt, d.h. welche Bereiche des Weinbaus wie stark von den Rückgängen betroffen sind. Gefühlt würde ich sagen, daß die "low level"-Qualitäten mehr betroffen sind als der ambitioniertere Weinbau, der ja eher unser Thema ist. Insofern bin ich aktuell bzgl. meiner persönlichen Versorgungslage recht entspannt.
Das ist natürlich für die betroffenen, vermutlich eher kleineren Winzer stark unschön, aber wenn man eh schon "nahe 0" arbeitet, ist ein Ende mit Schrecken vermutlich besser als ein Schrecken ohne Ende. Und Marktwirtschaft ist halt nun mal nichts Statisches...
An Zahlen dazu wäre ich auch interessiert. Neben einer Marktbereinigung in allen Segmenten vermute ich, dass es das Mittelsegment sehr viel Stärker treffen wird. Im Super-Premium und Luxussegment wird es, so denke ich, weiterhin eine Käuferschicht geben, die nachwächst. Im low cost Bereich dürfte zumindest in DE die Sucht recht absatzfördernd, leider. Im Mittelbau, der gerne von den freundlichen Winzerinnen und Winzern von nebenan bedient wird, wird es sehr schwierig werden. Altes Publikum stirbt weg oder muss gesundheitlich kürzer treten und wenn man bei jungen Leuten nicht hip genug ist, dann wird man andernorts auf einen (über-)gesättigten Markt treffen.

Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 13:58
von Sauternes
UlliB hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 10:52 Es ist sicher, dass sich die Krise sich weiter verschärfen wird. Offen ist nur, wie sehr.
Ist eine Krise erstmal im Gange, gibt es einen Strudel wie beim Stöpsel ziehen in der Badewanne, da hilft nur rechtzeitiges Aussteigen, bevor der Strudel einen mit runter zieht :lol: .
Wer den Markt die letzten Monate beobachtet hat, wird gesehen haben, das sich die Angebote immer mehr vergrößern, sowie auch schon der ein oder andere Shop zu gemacht hat, oder im Ausverkauf befindet.

Gruß Heiko

Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 14:12
von Gerald
Neben einer Marktbereinigung in allen Segmenten vermute ich, dass es das Mittelsegment sehr viel Stärker treffen wird. Im Super-Premium und Luxussegment wird es, so denke ich, weiterhin eine Käuferschicht geben, die nachwächst. Im low cost Bereich dürfte zumindest in DE die Sucht recht absatzfördernd, leider. Im Mittelbau, der gerne von den freundlichen Winzerinnen und Winzern von nebenan bedient wird, wird es sehr schwierig werden.
Erst vor kurzem ist mir aufgefallen, dass es inzwischen ziemlich viele österreichische Weine (rot und weiß) über oder knapp unter 100 Euro für 0,75l gibt, ich hatte diese Weine noch vor 10 Jahren oder so mit 30-50 Euro in Erinnerung Hier ist offenbar der Preis ziemlich irrelevant und der Winzer wäre dumm, wenn er das nicht zu seinen Gunsten nützen würde. Das wird aber von der Menge eher eine Randerscheinung sein.

Die low-cost-Schiene wird man in Ö oder D wohl ohnehin nicht bedienen können, aus Süditalien oder Spanien bekommt man auch um 3 Euro zwar belanglose, aber fehlerfrei trinkbare Weine, die 3 Euro - Weine aus Ö hingegen sind ja quasi schon Körperverletzung.

Kurz zusammengefasst: ich bin sehr froh, dass ich mein Geld nicht mit Wein verdienen muss ...

Grüße
Gerald

Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 16:33
von amateur des vins
Sauternes hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 13:58 Ist eine Krise erstmal im Gange, gibt es einen Strudel wie beim Stöpsel ziehen in der Badewanne, da hilft nur rechtzeitiges Aussteigen, bevor der Strudel einen mit runter zieht :lol: .
Da noch nie jemand mit dem Badewasser aus der Wanne abgelassen wurde, bin ich jetzt total zuversichtlich für die Weinwirtschaft.

Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 17:09
von UlliB
la-vita hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 11:58 Der Weinbau schaut auf eine 7000 jährige Geschichte zurück. Ich bin mir sicher, dass solange Menschen die Erde besiedeln, die Menschen auch Wein trinken werden.
Auf wirklich lange Sicht ist das eine kulturelle Frage. Dort, wo der Weinbau nach Meinung vieler Historiker entstanden ist - in Mesopotamien - ist der Weinkonsum heute Null, da verboten, und dieses Verbot wird dort auch ziemlich rabiat durchgesetzt. So etwas kann auch anderswo oder sogar global passieren.

Was die etwas weniger langfristige Betrachtung betrifft, redet momentan kaum jemand davon, dass der Weinkonsum in Europa komplett verboten werden soll oder von alleine auf fast Nichts sinkt. Realistische Schätzungen, die auch hier im Forum verlinkt wurden, gehen davon aus, dass die Anbaufläche in Deutschland in den nächsten ein bis zwei Jahrzehnten um etwa 30% abnehmen wird, und die Wirtschaftsleistung im Sektor entsprechend schrumpft.

Aus Sicht eines passionierten Weintrinkers ist das Problem dabei, dass diese Schrumpfung möglicherweise nicht nur die Segmente und Betriebe betrifft, die ihn ohnehin nicht interessieren.

In der hiesigen Lokalpresse war vor Kurzem ein längerer und gut recherchierter Artikel über die Situation des Weinbaus in Württemberg erschienen. Hier geht die bewirtschaftete Fläche seit einigen Jahren zurück, aber dummerweise nicht in den maschinell und einfach zu bewirtschafteten Flachlagen, sondern in den Kleinterrassen in den Steillagen entlang des Neckar, die dort nicht nur das Landschaftsbild prägen, sondern auch das größte Qualitätspotential haben. Die Flächenaufgabe findet dort nicht geordnet statt, sondern "wild" - die Eigentümer roden die Reben nicht, wozu sie eigentlich verpflichtet wären, sondern lassen sie verwildern, was den Krankheitsdruck in den Nachbarparzellen erhöht und deren wirtschaftlichen Ertrag weiter vermindert. Auch verbleiben die Flächen in der offiziellen Weinbaustatistik, obwohl sie nicht mehr produktiv sind. Die Gemeinden schrecken bislang vor einer Ersatzvornahme zurück, da sie befürchten, auf den Kosten am Ende sitzen zu bleiben.

Ähnliches droht auch in anderen Gebieten, in denen eine maschinelle Bewirtschaftung der Lagen nicht möglich ist.

Gruß
Ulli

Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 17:31
von Sauternes
amateur des vins hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 16:33
Sauternes hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 13:58 Ist eine Krise erstmal im Gange, gibt es einen Strudel wie beim Stöpsel ziehen in der Badewanne, da hilft nur rechtzeitiges Aussteigen, bevor der Strudel einen mit runter zieht :lol: .
Da noch nie jemand mit dem Badewasser aus der Wanne abgelassen wurde, bin ich jetzt total zuversichtlich für die Weinwirtschaft.
Ich hatte bei meiner Ausführung ein Video im Kopf, schrieb aber das leichter verständliche Badewannenszenario auf.
In dem Video war ein Wasserdurchlass von einem größeren Stausee zu sehen, vor dem Durchlass war ein schöner großer Strudel, der alles eingezogen hat, was da angeschwommen kam, von kleinen Gegenständen bis zu Baumstämmen, wurde da als Anschauung reingeworfen, der Stamm wurde eingesaugt, verschwand und kam auf der anderen Seite wieder raus.
Das waren meine Bilder im Kopf beim Stichwort Strudel :lol: .

Noch was zu der Angebotstaktik einiger Händler, bei LOB ist ja mal wieder ein größerer Sale im Gange, und trotzdem gibt es einige Weine die im Preis reduziert sind, aber nicht im Sale gelistet sind, Beispiel Chateau Julia, Paulliac 2020 vormals mit 55€ geführt, jetzt mit 44€, sozusagen ein stiller Sale. Ist auch nicht das erste Mal, habe es bei einigen Weinen in den letzten wochen auch schon gesehen.

Gruß Heiko

Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 18:01
von Weinschlürfer
war doppelt..

Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 18:02
von Weinschlürfer
war doppelt...

Re: Absatzrückgang Wein

Verfasst: Sa 11. Okt 2025, 18:03
von Weinschlürfer
Gerald hat geschrieben: Sa 11. Okt 2025, 07:23 Neue Studie - zwar nicht explizit auf Wein bezogen, sondern auf alkoholische Getränke allgemein - die den Produzenten wohl wenig Freude machen wird: 71% der Konsumenten in den größten Märkten Europas haben im letzten Jahr ihren Konsum reduziert. Und fast 25% der jüngeren Generation trinkt gar keinen Alkohol mehr.

https://www.circana.com/post/71-of-euro ... nds-to-ret

Ich schätze, die Absatzkrise wird in der nächsten Zeit das Hauptproblem in der Weinwirtschaft werden ...

Grüße
Gerald


Wir haben meiner Meinung nach 2 Problemfälle

1. Massenwein / Überproduktion -> Hier schlägt der sinkende Verbauch hart zu.

2. Spekulation bei teuren Weinen

Bsp: Viele Weine wurden gekauft, weil Preissteigerung zu erwarten war.
1. Für sich selbst 2. Um sicher zu sein man kann wieder verkaufen, wenn man doch nicht will.

Ist das nicht mehr der Fall werden zB. Allokationen (Mit Zwangskopplungsgeschäft) nicht mehr akzeptiert und
weniger gekauft + Bestand auf den Markt geworfen. Auch stille Deals wie "du kaufst viel, du bekommst auch das Rare Zeug" Fallen weg.

BSP:

Ich müsste mir 20 Jahre keinen Wein kaufen und könnte trotzdem toll trinken. Ich hab einfach so verdammt viel Wein.
Also halte ich mich gerade auch etwas zurück, wenn ich weiss ich kann die Weine evtl. nicht mehr ohne Verlust loswerden....

Wieso sollte ich mir Geld ohne jede Verzinsung in den Keller legen. Ich werde niemals alles trinken...
Also halte auch ich mich etwas zurück.

Die Mittelklasse hatte ansich eh schon ein kleines Problem.
Vielen greifen gleich zum GG oder dergleichen.

Das alles klingt nach einem Schweinezyklus.
Und der wird bei steigenden Kosten auch Opfer verursachen...