Kle hat geschrieben:Auch bei vielen der folgenden Weinen hatte ich das Gefühl von aromatischer Offenheit – als gäbe es noch keinen Konsens darüber, wie die 5 bis 6 Geschmacksrichtungen des deutschen Weißburgunders schmecken müssten. These: Seine geringere Bedeutung verschafft ihm seine Freiheit. Und so fühlte ich mich mehrfach an französische vin naturels erinnert, die mich aus denselben Gründen interessieren.
Hallo Carsten,
hattest du das Gefühl der aromatischen Vielfalt vielleicht vor allem deshalb, weil du nicht so häufig Weiß- und Grauburgunder trinkst und dir die verschiedenen Geschmäcker deshalb weniger bekannt waren?
Ich möchte behaupten, dass es keine versatilere Rebsorte gibt als Riesling.
1. gelingt auf vielen verschiedenen Böden und nimmt dadurch unterschiedliche Charakteristika an (Schiefer, Kalk, Granit, Basalt, Sandstein, usw.)
2. schmeckt als einige der ganz wenigen Rebsorten in allen Süßegraden und in allen Variationen der Fülle. Denk nur an restsüße Kabinett, Spätlese, Auslese, feinherbe Kabinett, Spätlese, Auslese, trockene Kabinett, Spätlese, Auslese, edelsüße BAs, TBAs und Eisweine bzw. Vendanges Tardives und SGNs im Elsass. Mehr geht offen gesagt weltweit nicht an Geschmacksvariation
3. Selbst Experimente mit einem eher burgundischen Ausbaustil (siehe Von Winning) können gute Ergebnisse hervorbringen, wenn gut gemacht.
Der Grauburgunder ist m.E. von den Burgundersorten am ehesten noch in der Lage, diese Versatilität zu verkörpern. In leicht und restsüß ist der Grauburgunder vermutlich nur schwer mit Erfolg möglich (habe noch nie einen solchen getrunken und auch noch nie einen solchen gesehen im höheren Qualitätsbereich). In Deutschland sind zudem restsüße (kräftige - à la Alsace Grand Cru Pinot Gris) und edelsüße Grauburgunder nahezu von der Bildfläche verschwunden, im Elsass gibt es sie aber in vielen verschiedenen Variationen. Außerdem gibt es m.E. kaum eine Rebsorte, die besser auf Maischestandzeit reagiert als der Grauburgunder.
Beim Weißburgunder wird das schon schwieriger. In restsüß und edelsüß und sogar in nicht ganz trocken (und ganz trocken bedeutet für mich hier komplett durchvergoren unter 2-3 g/l Restsüße) finde ich Weißburgunder regelrecht widerwärtig. Süße macht
jeden Weiburgunder banal. Auch bei den Böden ist der Weißburgunder m.E. bei weitem nicht so versatil wie der Riesling. Kalk- und Kalkmergel, ggf. noch Sandstein und Vulkanisches. Das sind die guten Böden für Weißburgunder. Von einem Anbau auf schiefrigen Böden gewinnt Weißburgunder m.E. nicht. Das sieht man u.a. daran, dass in Luxemburg und an der deutschen Obermosel mit seinen Pariser-Becken-Kalkböden viel bessere Weißburgunder gekeltert werden als an der Mittelmosel (Ausnahmen mögen ggf. die Regel bestätigen).
Sicher ist auch der Weißburgunder versatil. Er kann sowohl als unkomplizierter Stahltank-Zechwein schmecken als auch als Burgund-inspirierte Variante mit Ausbau in (neuen) Barriques. Und wie ihr in Guidos Probe gesehen habt, auch als Orange Wine (habe den Ress Pinot Blanc noch nicht getrunken, glaube aber gerne, dass er hervorragend ist). Bei letzterem bin ich in punkto Rebsortentypizität jedoch skeptisch. Ob nun Silvaner, Weißburgunder oder Ribolla Gialla als Orange Wine: da steht für mich die Art der Vinifikation (maischevergoren) immer an erster Stelle und die Rebsorte an zweiter oder sogar nur dritter Stelle.