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- Registriert: Mi 15. Dez 2010, 13:31
Moin,
fast 15 Jahre hatte ich mich nicht mehr mit dem Autor befasst, über den ich seinerzeit meine Magisterarbeit geschrieben habe. Nun schenkte mir meine Frau kürzlich das schmale Bändchen "Die Moselreise". Stimmte mich das länglich-selbsterklärende Vorwort zunächst kritisch, ob Ortheil seiner endlosen autobiografischen Annäherung an eine belastete und belastende Familiengeschichte wirklich noch etwas Neues hinzuzufügen haben könnte, belehrte mich der eigentliche Erzählungstext eines Besseren.
Es handelt sich dabei um die (mutmaßlich nur sehr behutsam aus Erwachsenensicht redigierten) Reiseaufzeichnungen des elfjährigen Ortheil, der seinerzeit mit seinem Vater einer mehrtägige Moselwanderung von Koblenz nach Trier unternahm. Das Besondere dabei ist die Verflechtung der Reiseeindrücke mit reflexiven Einschüben aus kindlicher Sicht. Man erhält dabei zugleich Einblick in die (bis heute fortgeführte) Arbeitsweise des Autors, aus fortwährendem, täglichem Schreiben, aktuellen Zeitzeugnissen und späterer Nachbearbeitung zu einem mehr oder minder abgeschlossenen Werk zu kommen.
Besonders verblüffend und anrührend ist jedoch die einerseits unverstellte, andererseits breit intererssierte und dabei erstaunlich präzise Annäherung des kindlichen Erzählers an Natur, Kultur und Menschen. Kurze Illustrationen des Beherbergungswesens der frühen Sechziger sind ebenso interessant wie die Beschreibung der väterlichen Beschäftigung mit dem Moselwein und die kulturellen Bezugnahmen von Stefan Andres bis Ausonius. Ausgesprochen gelungen (und dabei gleichermaßen intim wie - mir fällt kein besserer Begriff ein - diskret) ist auch die Vermittlung der Famlienkonstellation und der großen Annäherung von Vater und Sohn.
Es ist dies weder ein Kinderbuch noch die eitle und vorlaute Selbstbespiegelung eines Neunmalklugen, sondern ein sowohl individuell als auch zeitgeschichtlich ganz offenes, ehrliches und auch sprachlich extrem gelungenes kleines Werk. Für mich eines der schönsten Bücher seit langem.
Beste Grüße
Guido
fast 15 Jahre hatte ich mich nicht mehr mit dem Autor befasst, über den ich seinerzeit meine Magisterarbeit geschrieben habe. Nun schenkte mir meine Frau kürzlich das schmale Bändchen "Die Moselreise". Stimmte mich das länglich-selbsterklärende Vorwort zunächst kritisch, ob Ortheil seiner endlosen autobiografischen Annäherung an eine belastete und belastende Familiengeschichte wirklich noch etwas Neues hinzuzufügen haben könnte, belehrte mich der eigentliche Erzählungstext eines Besseren.
Es handelt sich dabei um die (mutmaßlich nur sehr behutsam aus Erwachsenensicht redigierten) Reiseaufzeichnungen des elfjährigen Ortheil, der seinerzeit mit seinem Vater einer mehrtägige Moselwanderung von Koblenz nach Trier unternahm. Das Besondere dabei ist die Verflechtung der Reiseeindrücke mit reflexiven Einschüben aus kindlicher Sicht. Man erhält dabei zugleich Einblick in die (bis heute fortgeführte) Arbeitsweise des Autors, aus fortwährendem, täglichem Schreiben, aktuellen Zeitzeugnissen und späterer Nachbearbeitung zu einem mehr oder minder abgeschlossenen Werk zu kommen.
Besonders verblüffend und anrührend ist jedoch die einerseits unverstellte, andererseits breit intererssierte und dabei erstaunlich präzise Annäherung des kindlichen Erzählers an Natur, Kultur und Menschen. Kurze Illustrationen des Beherbergungswesens der frühen Sechziger sind ebenso interessant wie die Beschreibung der väterlichen Beschäftigung mit dem Moselwein und die kulturellen Bezugnahmen von Stefan Andres bis Ausonius. Ausgesprochen gelungen (und dabei gleichermaßen intim wie - mir fällt kein besserer Begriff ein - diskret) ist auch die Vermittlung der Famlienkonstellation und der großen Annäherung von Vater und Sohn.
Es ist dies weder ein Kinderbuch noch die eitle und vorlaute Selbstbespiegelung eines Neunmalklugen, sondern ein sowohl individuell als auch zeitgeschichtlich ganz offenes, ehrliches und auch sprachlich extrem gelungenes kleines Werk. Für mich eines der schönsten Bücher seit langem.
Beste Grüße
Guido