BuschWein hat geschrieben:Da habe ich mich wohl missverständlich ausgedrückt, ich glaube, dass es auch in Frankreich heute nicht mehr möglich ist eine Terroirkultur zu erzeugen, die regionale Enge sehe ich heute einfach nicht mehr gegeben.
Deshalb finde ich den Begriff authentische Weine besser, gleichwohl kann man hier sicher auch wieder streiten, was das jetzt heißen soll/darf.
Das Stichwort "authentische Weine" ist ein gutes Stichwort, und da liegen vielleicht auch die Schwierigkeiten in der Vahlefeld/Löwenstein Diskussion begraben. Wenn man sich den Hinweis von Löwenstein auf den Blog durchliest (hier: http://www.yoopress.com/de/weinnews/wei ... gwein.html. Ich finde übrigens auch, dass diese Art des Streitgesprächs allenfalls Web 0.0 ist, vielleicht sogar Web -1.0), dann erkennt man, dass Reinhard Löwenstein offenbar den Terroirwein als "Gegenentwurf zum globalisierten Marketingwein" ansieht, was - wie man auch aus dem Blog herausliest - letztlich zu der Frage führt: Was macht einen Wein gut/spannend/authentisch? Das ist eine spannende Frage. Sie sollte aber m.E. nicht unter dem Stichwort "Terroir" diskutiert werden.
Als Lektüre für die Frage, was einen Wein authentisch macht, kann ich das dieses Jahr erschienene Buch "Authentic Wine - Toward Natural and Sustainable Winemaking" von Jamie Goode und Sam Harrop empfehlen. Das Buch befasst sich in einem Kapitel auch mit Terroir, in vielen anderen Kapiteln aber mit unterschiedlichen Herangehensweisen an die Weinerzeugung - von Bio- und biodynamischem Anbau über den Einsatz von Hefen, SO2, die Naturweinbewegung, usw. (Rezension hier: http://www.jancisrobinson.com/articles/a20110930.html). Dabei geht es aber hauptsächlich darum, wie man Wein erzeugen kann und was das für Auswirkungen hat. Natürlich geht es auch darum, ob z.B. die biodynamische Wirtschaftsweise, Spontanvergärung, der Verzicht auf SO2, Enzyme, usw. den Ausdruck einzelner Lagen besser hervorhebt.
Trotz dieser Aspekte glaube ich aber, dass Terroir im Kern mit Herkunft (Boden, Mikroklima, Alter und Typ der Reben, lokale Tradition, Einbindung in die lokale kulinarische Kultur) und nur zweitrangig mit der Art der Weinbereitung im Keller und der Person des Winzers zu tun hat. Und anders als du, Armin, bin ich der festen Überzeugung, dass eine Terroirkultur überall möglich ist - in Frankreich, wie in Deutschland, Italien, Österreich und sogar in den USA, Australien, Neuseeland und anderen Ländern der "Neuen Welt". Man muss diese Kultur nur wollen. Und ihre Ausprägung braucht Zeit.
Sehr interessant ist in dem Zusammenhang das schon anderswo empfohlene und ebenfalls dieses Jahr erschienene Buch "In Search of Pinot Noir" von Benjamin Lewin MW (aus meiner Sicht Pflichtlektüre nicht nur für Pinot Noir Liebhaber). Das Wort Terroir kommt dort allenfalls sporadisch vor, gleichwohl habe ich durch das Buch sehr viel darüber gelernt, was für mich persönlich Terroir ausmacht. Wie Du, Armin, richtig ausführst, müssen sich Qualitäts- und Unterscheidbarkeitsfaktoren sowie Traditionen über Jahre hinweg herausbilden. Im Burgund gibt es eben die jahrhundertelange Tradition, beginnend mit den Klöstern. Das Gefühl für die Besonderheiten bestimmter Parzellen, die Fragen Selection Massale oder Einsatz von Klonen, Menge und Toastgrad von neuem Holz für die Trauben aus verschiedenen Parzellen: all dies hat sich über Jahrhunderte über viele Generationen hinweg herausgebildet. Man kennt seine Vorbilder aus den gleichen und aus anderen Lagen. Das Rebmaterial und die Erfahrung setzen die Voraussetzungen für die Expression von Lagenunterschieden.
In Deutschland und in der neuen Welt zum Beispiel müssen überhaupt erst die richtigen Pinot Noir Klone für die einzelnen Lagen gefunden werden, und wenn man sie gefunden hat, hat man zunächst nur junge Reben und damit zunächst einmal nicht alle Möglichkeiten. Beim Riesling hingegen, aber auch beim Silvaner, hat Deutschland schon jetzt alle Möglichkeiten für eine Terroirkultur. M.E. hat Deutschland diesbezüglich auch eine Terroirkultur. Das Rebmaterial ist da. Es gibt deutlich erkennbare regionale und Lagenunterschiede. Es gibt unterschiedliche Stile von restsüß über halbtrocken/feinherb bis trocken, die bei vernünftigen Erzeugern auch passend je nach Lage und Klima erzeugt werden. Es gibt Traditionen, die zwischenzeitlich in Vergessenheit geraten sind und wieder belebt werden, es gibt Traditionen, die nie verschwunden sind, und es gibt Traditionen, die erst in jüngerer Zeit entstanden sind. Die Möglichkeiten des Vergleichs sind nahezu unbegrenzt. Das macht für mich eine Terroirkultur aus.
Dein Argument, Armin, dass angesichts der Riesenauswahl verschiedener Weine die Pflege einer Terroirkultur schwierig ist, ist allerdings nicht von der Hand zu weisen. Aber die Rieslingfreaks, die Burgunderfreaks, die Prioratfreaks, die Barolofreaks, usw. gibt es ja immer noch, auch unter den Journalisten (siehe nur Burgund: Meadows, Marsh, Coates, usw.).